Die Sonne in der Bibel
Serie „Best of Bible“
„Du hast der Sonne ihre Bahn gegeben“ (Psalm 74,16): Hinter dieser für heutige Leser selbstverständlichen Aussage steht ein zu biblischen Zeiten eminent wichtiges Anliegen. Viele Religionen im vorderasiatischen und ägyptischen Raum verliehen der Sonne göttliche Ehren. Der Glaube Israels stellte den Glauben an einen Schöpfergott in den Mittelpunkt, der alles – absolut alles! – erschaffen habe. Auch die Sonne. Sie ist nur einer von vielen Himmelskörpern.
Gott erschafft das Licht
„Es werde Licht!“, sprach Gott „und es ward Licht“, heißt es am Beginn der Schöpfungsgeschichte. Von der Sonne ist an dieser Stelle noch nicht die Rede – ein Hinweis darauf, dass die Bibel zwischen „Licht“ und „Sonne“ unterscheidet. Erst am dritten Tag erschafft Gott die Gestirne, auch Mond und Sonne: „ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere“.
Zitat: „Gott sah, dass das Licht gut war.“ (1. Mose 1,3-5)
Am Tag, als die Sonne still stand
Durch ein Naturwunder hilft Gott den Israeliten, das „gelobte Land“ Kanaan einzunehmen. Der Heerführer Josua leitet Gottes Volk; der Kampf gegen die ansässigen Amoriter ist hart. Vor der entscheidenden Schlacht spricht Josua mit Gott, die beiden erdenken sich eine originelle Strategie: Gott lässt die Sonne am Himmel stehenbleiben, setzt also den normalen Tages- und Nachtrhythmus außer Kraft. Die Gegner sind offensichtlich verwirrt und Israel kann den Kampf bei lange währendem Tageslicht für sich entscheiden.
Zitat: „So blieb die Sonne stehen mitten am Himmel und beeilte sich nicht unterzugehen fast einen ganzen Tag.“ (Josua 10, 12f.)
Die Sonne lobt Gott
Warum die Psalmen bis heute so eingängig sind? Unter anderem, weil sich in die persönlichen Leiderfahrungen des Beters theologisch tiefsinnige Gedanken mischen. Zum Beispiel der, dass die gesamte Schöpfung vom Engel bis zum Menschen, die Erde, Tiere, Sterne und eben auch die Sonne, Gott loben und danken sollen. Der Bettelmönch Franz von Assisi hat sich von diesem Psalm zu seinem „Sonnengesang“ animieren lassen. „Gelobt seist du mit allen deinen Geschöpfen, zumal dem Herrn Bruder Sonne“, betete Franziskus während einer schweren Krankheit und lobte die Sonne als Sinnbild Gottes.
Zitat: „Lobet ihn, Sonne und Mond.“ (Psalm 148,3)
Ein gottgewollter Sonnenstich
Manchmal bedient sich Gott eines Sonnenstiches, um den Menschen etwas zu verdeutlichen.
Diese schmerzhafte Erfahrung musste Jona machen, als er auf einem Hügel nahe der Stadt Ninive weilte. Zunächst hatte Gott ihm eine Staude wachsen lassen, in dessen Schatten Jona die Hitze aushalten konnte. Doch schon am nächsten Morgen verdorrte der Strauch, ein heißer Ostwind machte Jona zu schaffen und die Sonne prallte ungeschützt auf seinen Kopf. Jona fühlte sich so elend, dass er sterben wollte. Da erklärte Gott ihm den Sinn des Sonnenstichs.
Zitat: „Die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde.“ (Jona 4,8)
Like ice in the sunshine…
Sogar Eiscreme-Werbung lässt sich bisweilen von der Bibel inspirieren. „Like ice in the sunshine I’m melting away“ (wie Eis in der Sonne schmilz ich dahin) besingt ein Kinospot sommerlichen Eisgenuss am Karibikstrand. Das gleiche Motiv findet sich – freilich mit mehr Tiefgang – im apokryphen Buch des Jesus Sirach. Der berichtet von einer Verheißung für gottgefälliges Leben, nach der die Sünden wie Eis in der Sonne dahin schmelzen.
Zitat: „Deine Sünden werden vergehen wie das Eis vor der Sonne.“ (Sirach 3,17)
Sonne der Gerechtigkeit
Eine ganz spezielle Sonne hat es in die „Charts“ der Gottesdienstlieder gebracht. Dass die „Sonne der Gerechtigkeit“ endlich aufgehen möge, bitten und singen unzählige Christen. Das gleichnamige Lied ist eines der beliebtesten Stücke des Gesangbuches und wird inzwischen auch in katholischen Kirchen gesungen. Dass diese Sonne „die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit“ wecken könnte, ist eine biblisch begründete Hoffnung. Schon der Prophet Maleachi kündigte in Gottes Namen an, dass die Sonne der Gerechtigkeit einst das Heil bringen werde.
Zitat: „Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln.“ (Maleachi 3,20)
Sonnenfinsternis am Jüngsten Tag
Zum Ablauf der Geschehnisse am Ende aller Zeiten gehört auch die Verfinsterung der Sonne. Kurz bevor der Menschensohn auf die Erde zurückkehrt, werden Sonne und Mond ihren Schein verlieren und die „Kräfte des Himmels werden ins Wanken kommen“, schreibt der Evangelist Markus. Auch Propheten sagen eine apokalyptische Sonnenfinsternis voraus. Amos (8,9) zufolge wird Gott die Sonne am Mittag untergehen lassen, Joel berichtet ähnlich. Jesaja allerdings wagt einen Lichtblick: Nach den Wirren der Endzeit wird Gott ein Erbarmen mit den Menschen haben und die Sonne wird nicht mehr stechen (Jesaja 49,10).
Zitat: „Nach dieser Bedrängnis wird die Sonne sich verfinstern.“ (Markus 13,24)
Uwe Birnstein
Zum Weiterlesen:
Steele Hill/Michael Carlowicz: Die Sonne. Stern unseres Lebens, München 2006