Christine Bergmann fordert EKD-weite Missbrauchsstudie
Bisher sei jede Landeskirche für sich mit Missbrauchsfällen umgegangen
Berlin/Hannover (epd). Die ehemalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann hat eine umfassende Studie über den Umgang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit Kindesmissbrauch gefordert. Vorbild könne die kürzlich veröffentlichte Missbrauchsstudie der katholischen Deutschen Bischofskonferenz sein, sagte Bergmann, die Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs ist, der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“. Die EKD erklärte jedoch, ein solches Projekt sei derzeit nicht geplant. „Die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs erfolgt – institutionell wie individuell – regional auf Ebene der Landeskirchen“, sagte ein EKD-Sprecher am 17. Oktober dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Im Juni 2018 war eine Fallstudie der Universität Kassel mit Zahlen der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs veröffentlicht worden. Demnach konnte ein Drittel der von Herbst 2016 bis April 2018 dokumentierten Missbrauchsfälle der evangelischen Kirche zugeordnet werden.
Bergmann sprach sich auch für eine konsequente und vor allem unabhängige Aufarbeitung in den evangelischen Landeskirchen aus. Die evangelische Kirche behandle Missbrauchsfälle immer noch als Einzelfälle, strukturelle Defizite in den kirchlichen Institutionen würden hingegen kaum bearbeitet. „Täterschutz und Institutionenschutz gingen auch bei den Protestanten vielfach vor Kinderschutz“, sagte Bergmann.
Beratung über kirchenübergreifende Aufarbeitung von Missbrauchsfällen auf der Synode
Im November will die EKD auf ihrer Synode in Würzburg über die kirchenübergreifende Aufarbeitung von Missbrauchsfällen beraten. „Die EKD soll in Zukunft die Landeskirchen bei Methodik und Aufbau von Kompetenzen zur wissenschaftlichen institutionellen Aufarbeitung verstärkt unterstützen“, sagte der Sprecher.
Bergmann war von 1998 bis 2002 unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder Bundesfamilienministerin. Von März 2010 bis Oktober 2011 war sie im Auftrag der Bundesregierung Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs. Seit 2016 ist sie Mitglied in der vom Bundestag im gleichen Jahr eingesetzten Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Kommission soll sämtliche Formen von sexuellem Kindesmissbrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der ehemaligen DDR untersuchen.