EKD-Kulturbeauftragter beklagt Pessimismus in der Kirche

Johann Hinrich Claussen empfiehlt, stärker auf Veränderungen der Religiosität zu reagieren

Berlin (epd). Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, hat Pessimismus über Zukunftsperspektiven in seiner eigenen Kirche beklagt. „Die Deutschen pflegen eine seltsame Lust am eigenen Niedergang, und am schlimmsten treiben es die Protestanten und Katholiken“, schreibt Claussen in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“. Er empfiehlt darin den Kirchen, stärker auf Veränderungen der religiösen Haltungen der Menschen zu reagieren.

Gerade in Deutschland wirke „ein fatales Erbe des konfessionellen Gegensatzes zwischen Protestanten und Katholiken besonders stark nach“, schreibt der Theologe. Das Christentum werde überdoktrinalisiert. Dadurch sei es kaum möglich, Komplexität und Ambivalenz der Säkularisierung oder Legitimität individualisierter Religiosität wahrzunehmen.

Kulturelle Kraft und Wurzel von Identität

Dass die Deutschen weniger religiös sind als früher, zweifelt Claussen an. Es sei nicht zu leugnen, dass christliche Traditionen abbrechen, schreibt er. Laut Meinungsumfragen glaubten weniger Menschen an Schöpfung oder leibliche Auferstehung. Gleichzeitig habe die Wertschätzung des Christentums als kulturelle Kraft und Wurzel eigener Identität zugenommen. Viele Deutsche entschieden sich bewusst dafür, in ihrer Kirche zu bleiben, „obwohl kein Sozialdruck mehr sie dazu zwingt“. 55 Prozent der Bevölkerung gehörten einer Kirche an.

Claussen fordert von den Kirchen, „sich hier liberaler und zugleich konservativer zu zeigen“. Sie bewahrten ein Erbe der eigenen Kultur, „indem sie es für die Zukunft öffnen und mit all denen teilen wollen, die sich wirklich dafür interessieren“, schreibt der Kulturbeauftragte. Er warnt vor einer zu engen Sicht auf christliche Religiosität: Dann „wäre der Niedergang des Christentums nicht zuletzt der eigenen Definition geschuldet“.