Weg von atomarer Abschreckung
In Potsdam debattieren Experten über die Friedensmacht Europa
Potsdam. Europa und die atomare Rüstung: Bei einer Podiumsdiskussion „Potsdamer Friedensdiskurs“ gab es Appelle zu einer kontinentweiten wie weltweiten Abrüstung atomarer Waffen. Doch die Debatte unter dem Titel „Friedensmacht Europa?“ machte auch deutlich, dass eine Antwort viel Expertenwissen verlangt.
Xanthe Hall spielte dabei eine wichtige Rolle. Die Geschäftsführerin der Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) und Mitbegründerin von ICAN Deutschland (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Europäer die nukleare Frage mit Abrüstung und nicht mit Aufrüstung beantworten werden. Weltsicherheit dürfe nicht länger auf der Basis von Drohung bestehen, sondern müsse sich mit vertrauensbildenden Maßnahmen verbinden: „Dass wir wegkommen von der Abschreckung“, erklärte sie den Zuhörenden. Noch immer halte sich die Anschauung im Selbstbild vieler Staaten, Abrüstung kommt einer „Entmannung“ gleich, so Hall.
Abschreckung keine klare Option mehr
Über Jahrzehnte im Kalten Krieg hat Abschreckung bis in die 1980er Jahre offensichtlich funktioniert, aber heute – so zweifelten die Podiumsteilnehmer – ist das keine klare Option mehr. Neben die großen Atommächte Russland und USA sind andere Staaten getreten, die nukleare Waffen besitzen: Nord-Korea, der Iran, Indien und Pakistan und Israel.
Es bestehe durchaus die Gefahr, dass die Waffen, durch die weite Verbreitung, auch zum Einsatz kommen. Gerade kleine Atomsprengköpfe, so Giorgio Franceschini von der Heinrich-Böll-Stiftung, beschwören solche Szenarien herauf. Alle Kernwaffenstaaten entwickeln neue Fähigkeiten. „Da ist viel Musik drin“, sagte der Experte für Außen- und Sicherheitspolitik zu den sogenannten „Mini-Nukes“.
Der international renommierte Wissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Oliver Meier, äußerte zu sich zum europäischen Horizont der nuklearen Teilhabe: Die Atommächte Frankreich und Großbritannien öffneten sich zwar, aber es gebe keine gesamteuropäische Nuklearmacht. Deutschland könne nur begrenzt Einfluss nehmen. Ein einseitiger Austritt aus der NATO würde mit hohen politischen Kosten bezahlt. Zudem sei fraglich, ob es einen Einfluss auf die Amerikaner und ihren derzeitigen Präsidenten Donald Trump überhaupt geben könne.
Evangelische Kirche müsste den Diskurs vorantreiben
Jura-Studentin Hannah Weber, Jugenddelegierte in der Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), forderte, Europa solle sich klar als Friedensmacht verstehen und die evangelische Kirche müsse den Diskurs dazu vorantreiben.
Die Veranstalter, der Kirchliche Entwicklungsdienst Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und das Pfarramt der Nagelkreuzgemeine Garnisonkirche Potsdam zeigten mit dem Gespräch unter Leitung von Patrick Roger Schnabel, wie wichtig die Debatte um Abrüstung bleibt – und dass gerade die Kirche sie weiter führen muss.
Roger Töpelmann (Ev. Militärseelsorge)