Digitale Demokratisierung
Modellprojekt „DisKursLab“ entwickelt religionspädagogisches und theologisches Material zu Antisemitismus und Rassismus
Bisher sind Pastoren, Diakone und pädagogische Mitarbeiter im Raum der Kirche weitgehend auf sich allein gestellt, wenn sie sich in ihren Arbeitsgruppen mit Antisemitismus und Rassismus auseinandersetzen wollen. Denn es gibt kaum pädagogisches Material dazu. „DisKursLab“, ein junges digitales Modellprojekt der Evangelischen Akademie zu Berlin, soll hier Abhilfe schaffen.
Berlin/Hannover. Sie malen, basteln und setzen ihre Kreativität ein, um ein so schwieriges Thema wie den Antisemitismus im Religionsunterricht theologisch reflektiert und verständlich bearbeiten zu können. Es geht um neues Bildungsmaterial für den schulischen und außerschulischen Kontext. Immer wieder gibt es Feedbackrunden, in denen die Pädagogen und Theologen ihre Ideen verfeinern. Am Ende der Fachtagung „Hands on?“, die Anfang September ausschließlich digital stattfand, stehen die neuen antisemitismuskritischen Elemente für die pädagogische Praxis.
In der Arbeitsweise, aber vielleicht auch vom Ergebnis her hat das pädagogische Labor „Hands On?“ sichtbar gemacht, was das junge „DisKursLab“ bis Ende 2025 erarbeiten soll - allerdings in weit größerem Umfang: nämlich religionspädagogisches und theologisches Material, digitale und analoge Module sowie Fortbildungen für Mitarbeiter von Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen, die sich kritisch mit Antisemitismus und Rassismus beschäftigen wollen. „Dazu können Online-Workshops mit Vortrag und Diskussion, aber auch innovative Beteiligungsformate gehören“, sagt Kristina Herbst.
Die Politikwissenschaftlerin leitet das Projekt, das erst im Juli begonnen hat, zusammen mit der Theologin Nina Schmidt. Beteiligt ist auch Christian Staffa, EKD-Beauftragter für den Kampf gegen Antisemitismus und Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin. „Es gibt einen großen Bedarf an der Auseinandersetzung mit christlichen Diskriminierungsmustern“, sagt Kristina Herbst. „Viele kirchliche Mitarbeitende fühlen eine Ohnmacht bei diesen Themen. Sie wünschen sich Unterstützung in ihrer praktischen Arbeit.“
Das „DisKursLab – Labor für antisemitismus- und rassismuskritische Bildung & Praxis“, wie es vollständig heißt, soll genau das leisten. Gefördert wird „DisKursLab“ vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und im Jahr 2020 auch durch den Digitalinnovationsfonds der EKD.
„Ziel ist es, digitale demokratische Orte zu stärken, und vor allem Partizipation zu ermöglichen“, sagt die 32-jährige Herbst. „Eine Frage ist zum Beispiel, wie wir ins Gespräch über menschenfeindliche und diskriminierende Einstellungen mit christlichen Grundierungen kommen.“ Es gelte, Sprachlosigkeit und Diskriminierungsmuster im Alltag zu erkennen und zu überwinden. „Leider sind antisemitische und rassistische Denkmuster unter christlich geprägten Menschen genauso vertreten wie woanders auch“, so Herbst.
Nach dem Motto Digitalität und Demokratisierung soll das Projekt Bildungsformate verbinden und so nicht nur die kirchliche antisemitismus- und rassismuskritische Praxis vor Ort, sondern auch im Internet stärken. „Unser Ziel ist es, viele verschiedene Methoden zur pädagogischen Auseinandersetzung zu entwickeln, die uns in eine selbstkritische Bearbeitung bringen und ihren Weg in die Praxis finden“, sagt Kristina Herbst. Schließlich müsse Kirche befähigt sein, sich auf einer selbstreflexiven Grundlage einzumischen. „Und dazu müssen wir bei uns selbst anfangen, auch wenn das anstrengend ist und Widerstände hervorruft. Denn nur dagegen-sein bringt keine Bewegung.“
Die Evangelische Kirche in Deutschland unterstützt innovative digitale Projekte und will damit den Wandel der Kirche hin zu mehr digitalen Angeboten fördern. Dazu gibt es den Digital-Innovationsfonds, der eine Million Euro umfasst. Weitere innovative Projekte, aber auch Informationen zur Antragsstellung finden Sie auf der EKD-Seite zum Fonds.
Sven Kriszio
Dr. Christian Staffa
Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche
Evangelische Akademie zu Berlin
Kristina Herbst
Projektleitung „DisKursLab – Labor für antisemitismus- und rassismuskritische Bildung & Praxis“
Evangelische Akademie zu Berlin
Nina Schmidt
Projektleitung „DisKursLab – Labor für antisemitismus- und rassismuskritische Bildung & Praxis“
Evangelische Akademie zu Berlin