„Aber es stießen nicht zwei sich unbekannte Welten aufeinander“

Klaus Engelhardt über seine Amtszeit als Ratsvorsitzender der EKD

Klaus Engelhardt bei deiner Podiumsdiskussion zum 20jährigen Jubiläum des Zusammenschlusses der EKD und des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR am 6. November 2011 in Magdeburg

Klaus Engelhardt war von 1991 bis 1997 Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Ein Jahr nach der deutschen Wiedervereinigung wurde Klaus Engelhardt zum Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt. „Überraschend“, sagt der damalige badische Landesbischof mit Blick auf den größten Rat, dem immerhin 18 gewählte Vertreter sowie Synodenpräses Jürgen Schmude angehörten. „Es begann mit einem Abtasten der Kirchen aus Ost und West“, erinnert sich Engelhardt, „aber es stießen nicht zwei sich unbekannte Welten aufeinander. Wir kannten uns ja schon aus langjährigen Partnerschaften zwischen den Landeskirchen. Unsere badische war zum Beispiel mit Berlin-Brandenburg eng verbunden.“ Bei allem Trennenden sei dies eine wichtige Voraussetzung für das rasche Entstehen einer Gemeinschaft im Rat gewesen. „Und wenn es dann doch ‚Fronten‘ gegeben hat, dann nicht einfach zwischen Ost und West, sondern quer durch die Landeskirchen.“

„Heiße“ Themen seien in seiner Amtszeit als Ratsvorsitzender vor allem die Stasi-Verdächtigungen gegenüber mancher DDR-Kirchenvertreter sowie der Militärseelsorgevertrag gewesen. „Aber besonders heftig ging es zu bei der Frage der Stellenbesetzung an der Spitze des Frauenbildungszentrums Gelnhausen. Eine Kandidatin hatte sich als lesbisch geoutet. Die Diskussion um ihre Berufung habe ich in ihrer Heftigkeit als unerfreulich in Erinnerung“, sagt der damalige Ratsvorsitzende. Andere Themen seien auch „bis an die Schmerzgrenze“ diskutiert worden, aber immer mit einer guten Debattenkultur.

Diskussionen um das Verhältnis von Kirche und Staat

Kirchen in Ost und West. „Kirche als Lerngemeinschaft“, so wie sich die Kirchen in der DDR verstanden hätten, sei für ihn zur Grundaussage geworden. „Die Kirchen in der DDR fragten, welche Platzanweisung Gottes in dieser Welt für die Kirche wichtig ist.“ Daraus habe er verstanden, es gehe um „Lernen, Verlernen, Umlernen, um diesem Auftrag gerecht zu werden.“ Gerade die letzten Jahre der DDR hätten verdeutlich, dass die Kirche „Resonanzboden der Menschen sein müsse, die etwas loswerden wollten“. Das konnten die Kirchen des Bundes der Evangelischen Kirche der DDR offenbar leisten. „Gottseidank waren sie offen für die Enttäuschungen der Menschen und für ihre Wünsche nach Freiheit.“

„Umgekehrt konnten wir Kirchen aus dem Westen den DDR-Kirchen deutlich machen, welche Herausforderung das Kirchesein im Pluralismus mit sich brachte. Die gesellschaftlichen Gruppen stellten uns Aufgaben im politischen, kulturellen und sozialen Bereich“, erinnert sich Engelhardt. „Wir interpretierten den Missionsbefehl ‚Gehet hin in alle Welt…‘ nicht nur geografisch.“ In diesem Zusammenhang sei immer wieder auch das Verhältnis von Staat und Kirche zueinander diskutiert worden, die Sorge um (zu) enge Vereinbarungen, die Abhängigkeiten erzeugen könnten. Er sei aber bis heute der Ansicht, „dass gerade solche klaren staats-kirchlichen Regelungen vor zu großer Abhängigkeit bewahren.“

„Hier ist Kirche bei ihrer Sache“

„Dankbar bin ich für das enge Verhältnis zu meinem Stellvertreter im Rat, dem sächsischen Bischof Johannes Hempel, der vom sächsischen Luthertum geprägt war“, berichtet Bischof i.R. Engelhardt. Hempel habe sich dankbar für die gewonnene Freiheit gezeigt, aber immer wieder auch die kritische Frage gestellt, wie diese vor Selbstverständlichkeit und Beliebigen bewahrt werden könne.

Eine ähnliche Dankbarkeit verspürt Engelhardt auch für seinen Partner auf katholischer Seite, Karl Kardinal Lehmann, und für den Anstoß zu einem gemeinsamen „Sozialwort“ der Kirchen, der von der Deutschen Bischofskonferenz ausgegangen war. „Nach anfänglichem Zögern sind wir dann doch eingestiegen. Es hat sich als richtig erwiesen: unsere Gedanken lösten ein immenses Echo und heftige Diskussionen bei Parteien, Arbeitgebern und Gewerkschaften aus. Es schien kaum vorstellbar, dass alle erbetenen Anregungen und Vorschläge aufgegriffen wurden.“ Doch als das Papier „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ (1997) erschien, lautete das Medienecho: „Hier ist Kirche bei ihrer Sache.“ Ähnlich „überraschend positiv“ sei schon ein Jahr zuvor die Präsentation des neuen Evangelischen Gesangbuchs aufgenommen worden; säkulare Medien hätten es als „Haus- und Gebetsbuch“ gewürdigt.

Michael Eberstein / EKD