"Bis heute beobachte ich die Schwächen der Kirche und bin überzeugt, dass wir uns dem Zeitpunkt nähern, der generelle Neuorientierung verlangt“

Cornelius A. von Heyl über seine Amtszeit als Präses der Synode der EKD

Cornelius A. von Heyl am 17.02.1974

Cornelius von Heyl, EKD-Synodenpräses von 1973 bis 1985, erinnert sich vor allem an ein Thema der Synode: den Entwurf für eine neue Grundordnung der Evangelischen Kirche. „Die EGO wurde dauernd beraten. Mit dem Entwurf dazu hatte ich mich schon als Mitglied der Synode (seit 1970) und in deren EGO-Ausschuss befasst. Und ich war entsetzt über einen Grundartikel, mit dem die neue Grundordnung beginnen sollte. Da hieß es: Die EKD setzt sich zusammen aus: und dann folgte die Aufzählung der westlichen Gliedkirchen. Die EKD sollte sich also verstehen als Kirchenbund der westlichen Gliedkirchen, und das sollte nur durch Änderung dieses Artikels geändert werden können.“

Für von Heyl stand außer Frage, dass sich die EKD als Bund aller deutschen evangelischen Kirchen verstehen müsse, und die Grundordnung für alle Kirchen gelten müsse, die sie unterschreiben „Im Ausschuss wurde ich grandios überstimmt. Auch mein Amtsvorgänger als Synodalpräses, Ludwig Raiser (1970 bis 1973), stand hinter diesem neuen Artikel. Das war wie eine Mauer, die Synode stand dahinter; sie war der Meinung, das sei das Gebot der Stunde. Ich befürwortete den Entwurf der neuen Grundordnung, den ich im ganzen als gelungen ansah, und stellte meine Bedenken gegen den einen Artikel zurück. Nach dem Beschluss der neuen Grundordnung wurde ich 1973 Präses und mir oblag die Steuerung der Ratifizierung durch die genannten westlichen Gliedkirchen.“


Wiederherstellung der Einheit der EKD

„Die Württembergische Landeskirche leistete jedoch Widerstand gegen die neue Grundordnung, wenn auch aus ganz anderen Gründen, die ich nicht teilte. Heute bin ich von tiefstem Herzen den Württembergern dankbar, dass sie die neue Grundordnung abgelehnt haben, so blieb es bei der alten EKD, aus der die Landeskirchen in der DDR ja nie förmlich ausgetreten waren.“ Für die Wiederherstellung der Einheit der EKD habe von Heyl  sich dann auch nach Kräften eingesetzt, als er bereits wieder einfacher Synodaler gewesen sei. „Es wurde ein neues Kirchenamt gegründet unter Einbeziehung des Außenamts, und die Beziehungen der EKD zur Diakonie und zur Mission wurden neu geordnet. So bietet sich die evangelische Kirche immer dar: zugleich ärmlich und wunderbar seit 75 Jahren – in der juristischen Gestalt der alten EKD.“ Mit der späteren Wiedervereinigung Deutschlands und der Kirchen sei deshalb keine neue Grundordnung nötig geworden, nur ein paar Gesetze hätten neu gefasst werden müssen.


Generelle Neuorientierung

Erfahrungen mit den östlichen Gliedkirchen konnte von Heyl schon als Mitarbeiter beim ersten Bevollmächtigen des Rates der EKD bei der Bundesregierung in Bonn, Bischof Hermann Kunst, sammeln. Die Synoden tagten nach dem Mauerbau 1961 zeitgleich hüben wie drüben, „und ich pendelte hin und her zur Auguststraße, um Informationen und Beschlüsse weiterzugeben.  Gelegentlich wurde ich auch an der Grenze gefilzt, ob ich nicht Verbotenes einschmuggelte. Einmal hat man dabei auch eine EKD-Denkschrift zur Landwirtschaft entdeckt, da habe ich den Vopos gesagt, die sollten sie auch lesen: was da steht, sei auch in der DDR von Nutzen. Ich konnte sie dann nach langer Wartezeit tatsächlich rüberbringen.“
Bei der späteren Zusammenarbeit mit den östlichen Gliedkirchen sei es immer schon um Reformen gegangen. „Aber die Zeit war nicht reif für unendliche Diskussionen über grundlegende Änderungen. Bis heute beobachte ich die Schwächen der Kirche und bin überzeugt, dass wir uns dem Zeitpunkt nähern, der generelle Neuorientierung verlangt“, glaubt von Heyl.  „Wir hätten uns zum Beispiel schon längst von der staatlichen Steuer unabhängig machen müssen. Das wäre vielleicht der Untergang eines Systems gewesen, aber irgendwann wird es notwendig sein, weil sich die Gesellschaft ändert.“

Cornelius von Heyl leidet bis heute an der Trennung der Konfessionen, sowohl innerhalb der evangelischen als auch gegenüber der katholischen Kirche. Der 1933 im damals unierten Worms geborene von Heyl wurde im bayrischen Donauwörth konfirmiert, nachdem er bei einer calvinistischen Lehrerin Religionsunterricht genossen hatte. Er weigerte sich aber, der bayrischen Landeskirche die Treue zu schwören, bis der Pfarrer ihm erlaubte, bei diesem Passus zu schweigen. „Es gibt also auch einfache Lösungen“, hat der spätere Jurist damals gelernt. „Und das sind die oft vorgegebenen“, ist er bis heute überzeugt. 

Später habe er die unterschiedlichsten Frömmigkeitsbilder kennengelernt, sagt von Heyl, in Villigst, Innsbruck, Bossey und auch in Taizé. „Die evangelische Kirche kann ich mir nur so vorstellen, dass alle diese Prägungen mitschwingen“, betont der langjährige Synodenpräses mit Lutheranern, Calvinisten und Quäkern als Ahnen.

Michael Eberstein / EKD