Ehemaliger Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde gestorben
Diakoniepräsident Ulrich Lilie würdigte Böckenförde als großen Juristen und Gelehrten

Ernst-Wolfgang Böckenförde bei einer Verhandlung am Bundesverfassungsgericht (Archivblld 1989; Bundesarchiv/Engelbert Reineke CC-BY-SA 3.0).
Karlsruhe/Berlin (epd). Der ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 88 Jahren, wie das Bundesverfassungsgericht am Montag in Karlsruhe mitteilte. Der katholische Staatsrechtler und Sozialdemokrat war von 1983 bis 1996 Richter am Bundesverfassungsgericht. In seine Amtszeit fielen wichtige Entscheidungen etwa zum Schwangerschaftsabbruch, zum Asylrecht oder zum Auslandseinsatz der Bundeswehr. Der aus Kassel stammende Jurist lebte in Au bei Freiburg im Breisgau.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) würdigte Böckenförde als einen der profiliertesten Staatsrechtler in Deutschland und bedeutenden Intellektuellen. Der Jurist habe in demokratietheoretischen, rechtsgeschichtlichen und rechtsphilosophischen Fragen gesellschaftliche und kirchliche Debatten geprägt, erklärte Schäuble. Mit seinem Namen verknüpft bleiben werde das Diktum von den Voraussetzungen des freiheitlichen, säkularisierten Staates, die dieser selbst nicht garantieren kann. „Sein juristisches Urteil zählte – weit über die mehr als zwölf Jahre hinaus, in denen Ernst-Wolfgang Böckenförde als Richter dem Bundesverfassungsgericht angehörte“, sagte Schäuble. Er habe sich um den Rechtsstaat verdient gemacht.
„Unvergleichlich präzise das Wesen unseres Gesellschaftssystems beschrieben“
Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, lobte Böckenförde als großen Juristen und Gelehrten. Er habe in dem nach ihm benannten Diktum zum freiheitlichen, säkularisierten Staat „unvergleichlich präzise das Wesen unseres Gesellschaftssystems beschrieben“, erklärte Lilie. Als konfessioneller Wohlfahrtsverband arbeite die Diakonie jeden Tag an der Umsetzung und Erfüllung dieses Diktums. Es sei klug, sich auch in Zukunft an den Überlegungen Böckenfördes zu orientieren.
Auf Böckenfördes These wird in vielen Debatten über das Verhältnis von Politik und Religion Bezug genommen. Der Richter vertrat damit ein Konzept staatlicher Religionsneutralität, das der religiösen Überzeugung der Bürger eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt des Gemeinwesens beimisst.
Wortmeldung zu gesellschaftlichen Streitfragen
Böckenförde lehrte nach seiner Promotion in Rechtswissenschaft und Geschichte als Professor in Heidelberg, Bielefeld und Freiburg. Dem Juristen wurden mehrere Ehrendoktorwürden verliehen, unter anderen von den katholisch-theologischen Fakultäten der Ruhr-Universität Bochum und der Eberhard Karls Universität Tübingen. 2004 erhielt er den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken.
Auch nach seiner Emeritierung 1995 meldete sich Böckenförde bei gesellschaftlichen Streitfragen zu Wort, etwa zur Vermögenssteuer oder als erklärter Gegner der Embryonenforschung. 2016 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Der damalige Bundespräsidenten Joachim Gauck würdigte ihn als „Brückenbauer zwischen Kirche und Staat“ und als „Vordenker und Förderer unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung“. Seine Erfolge machten Mut angesichts des heute mancherorts zu beobachtenden Misstrauens gegenüber dem freiheitlich-säkularen Staat, erklärte Gauck damals. Böckenförde war seit 1964 verheiratet und hat drei Kinder.