Theologische, staatskirchenrechtliche und dienstrechtliche Aspekte zum kirchlichen Umgang mit den rechtlichen Folgen der Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz
Theologische, staatskirchenrechtliche und dienstrechtliche Aspekte zum kirchlichen Umgang mit den rechtlichen Folgen der Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz
September 2002
Der hier vorgelegte Text ist eine Orientierungshilfe des Kirchenamtes der EKD, die mit dem Einverständnis von Kirchenkonferenz und Rat den Gliedkirchen für ihren weiteren Beratungsprozess zur Verfügung gestellt wird.
I. Theologische Aspekte zur Homosexualität
1. Grundsätzliche Erwägungen
Das Thema "Homosexualität und Kirche" wird in Gemeinden und Gruppen, in Synoden und Kirchenleitungen seit Jahren immer wieder aufgegriffen. Schon Anfang der neunziger Jahre haben mehrere Gliedkirchen der EKD die ethischen Fragen der Homosexualität unter Bewahrung biblischer Einsichten und unter Annahme humanwissenschaftlicher Erkenntnisse neu erörtert, um auf dieser Grundlage angemessene Wege des Umgangs mit homosexuell lebenden Menschen zu finden. Um angesichts dieser Herausforderung innerhalb der evangelischen Kirche zu einer Klärung beizutragen, hat der Rat der EKD 1996 eine Orientierungshilfe zum Thema "Homosexualität und Kirche" unter dem Titel "Mit Spannungen leben" vorgelegt. (1)
Der Rat kommt zu folgendem Ergebnis: Es gibt keine biblischen Aussagen, die Homosexualität in eine positive Beziehung zum Willen Gottes setzen - im Gegenteil. Für das Zusammenleben von Menschen unter dem Aspekt der Sexualität und Generativität sind aus der Sicht des christlichen Glaubens Ehe und Familie die sozialen Leitbilder. Denjenigen homosexuell geprägten Menschen, die aufgrund ihrer Lebensgeschichte und Selbstwahrnehmung ihre homosexuelle Prägung als unveränderbar verstehen und nicht bereit sind, sexuell enthaltsam zu leben, ist zu einer vom Liebesgebot her gestalteten und darum ethisch verantworteten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu raten. Diese Position muss eine Spannung zwischen dem biblischen Widerspruch gegen homosexuelle Praxis als solche und der Bejahung ihrer ethischen Gestaltung in Kauf nehmen.
Die Kriterien, die für eine vom Liebesgebot her verantwortete homosexuelle Lebensgemeinschaft gelten, sind - bis auf die Funktion, Lebensraum für die Geburt und Erziehung von Kindern zu sein - dieselben wie die für Ehe und Familie: Freiwilligkeit, Ganzheitlichkeit, Verbindlichkeit, Dauer und Partnerschaftlichkeit. Gegenüber dem Staat, so die Orientierungshilfe, sollte die Kirche für eine Aufhebung sachlich unbegründeter Benachteiligungen eintreten, denen gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ausgesetzt sind.
In ihren Stellungnahmen zum Vorhaben eines Lebenspartnerschaftsgesetzes (vgl. vor allem den Text „Verlässlichkeit und Verantwortung stärken“) hat die EKD deutlich gemacht, dass sie Verbesserungen der Rechtsstellung und des Rechtschutzes für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften aus ethischen Gründen, nämlich um Verlässlichkeit und Verantwortung zu stärken, befürwortet. Sie hat gegen die konkreten Regelungen im Entwurf für ein Lebenspartnerschaftsgesetz Bedenken vorgetragen, wenn und weil sie die besondere Bedeutung der Stellung der Ehe nicht beachten. Damit ist aber nicht relativiert, dass ein verbesserter Rechtschutz für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ausdrücklich bejaht wird: „Solche Regelungen können ..... den betroffenen Menschen helfen, in stabilen Beziehungen zu leben. Wo dies gelingt, sind sie ein Beitrag zur Stärkung eines von gegenseitiger Verantwortung und Solidarität bestimmten Zusammenlebens.“
2. Zur Frage einer geistlichen Begleitung für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften
Die Orientierungshilfe der EKD "Mit Spannungen leben" hat weiterhin in einem eigenen Kapitel ausführlich die Frage untersucht, ob homosexuell lebende Menschen oder homosexuelle Partnerschaften seitens der Kirche gesegnet werden können. Auch wenn diese Ausführungen manche Deutungsspielräume lassen, so geben sie doch in drei Hinsichten eine klare Orientierung:
- Homosexuell geprägten Menschen ist in ihrer besonderen Situation - so heißt es in Aufnahme einer Formulierung des 1995 veröffentlichten Votums des Theologischen Ausschusses der Arnoldshainer Konferenz "Gottes Segen und die Segenshandlungen der Kirche" - "Zuspruch und Anspruch Gottes nahe zu bringen und die Annahme des Menschen durch den barmherzigen Gott zu bezeugen. Das schließt die Fürbitte um Gottes Schutz und Geleit mit ein." Die Orientierungshilfe weist diese Aufgabe "der geistlichen Begleitung durch andere Christen", insbesondere "der Seelsorge und der damit gegebenen Intimität" zu und spricht sich dafür aus, sich in diesem Rahmen der Bitte um eine Segnung der beteiligten Menschen nicht zu entziehen.
- Kirchliche Segenshandlungen an markanten Übergangsstellen des Lebens dienen dazu, "Menschen der 'Einwilligung Gottes' (S. Kierkegaard) im Blick auf den vor ihnen liegenden Lebensabschnitt zu vergewissern und ihnen Gottes Geleit und Beistand zuzusprechen. Die Kirche kann nicht jeder Bitte um eine Segenshandlung entsprechen. Sie muss prüfen, ob sie sich von ihrem Verständnis des Willens Gottes her ermächtigt sieht, für die jeweilige Situation die Einwilligung, das Geleit und den Beistand Gottes zuzusprechen." Für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften kann jedoch "eine Übereinstimmung mit dem Willen Gottes ... aufgrund von Schrift und Bekenntnis so nicht behauptet werden". Darum wird ausdrücklich festgestellt: "Die Segnung einer homosexuellen Partnerschaft kann nicht zugelassen werden."
- Die „Segnung im Rahmen eines Gottesdienstes vorzunehmen kann wegen der Gefahr von Missverständnissen nicht befürwortet werden.“ Ein gesonderter Kasualgottesdienst ist mit dieser Formulierung ausgeschlossen. Die Verwechslung mit einer kirchlichen Trauung lässt sich, wie auch immer man es versucht, nicht ausschließen.
Seit Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1. August 2001 wird die Frage einer Segnung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in der evangelischen Kirche erneut erörtert. Dazu ist eine Reihe unterschiedlicher Vorschläge und Stellungnahmen in den Gliedkirchen erarbeitet und veröffentlicht worden. Unter den oben beschriebenen Gesichtspunkten für eine Segenshandlung verdient der Gedanke besondere Beachtung, zwar keine Segenshandlung, wohl aber eine Fürbittandacht einzuführen, bei der die Verwechslung mit einer Trauungshandlung ausgeschlossen werden kann.
Angesichts der Fülle unterschiedlicher gliedkirchlicher Vorstellungen und Entwürfe für eine geistliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften hat die Kirchenkonferenz auf ihrer Sitzung am 5./6. September 2001 in Hannover folgenden Beschluss gefasst:
"Die Kirchenkonferenz betrachtet die Ausführungen des Rates in der Orientierungshilfe 'Mit Spannungen leben' zur Frage der Segnung homosexueller Menschen als geeignete Grundlage, um die Einheitlichkeit kirchlichen Handelns in der Gemeinschaft der Gliedkirchen der EKD zu wahren. Sie bittet die Gliedkirchen, bei Entscheidungen in dieser Sache auf die Wahrung der Einheitlichkeit kirchlichen Handelns in der Gemeinschaft der Gliedkirchen zu achten und die Ausführungen des Rates in der Orientierungshilfe 'Mit Spannungen leben' zur Grundlage zu machen. Sie bittet auch den Rat, sich für die Bewahrung der Einheitlichkeit kirchlichen Handelns in der EKD bei der Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften einzusetzen ...".
Der Ratsvorsitzende hat den Beschluss der Kirchenkonferenz am 18. September 2001 in einem Schreiben an alle Gliedkirchen weitergeleitet. Es endet mit folgendem Appell: „Ich weiß, dass wir in diesen Fragen nicht an allen Punkten ganz einig sind. Umso wichtiger ist es, aufeinander zu hören und uns nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Die Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ist kein Adiaphoron, bei dem wir uns frei fühlen könnten, so oder auch ganz anders zu entscheiden. Wenn eine kirchliche Segenshandlung an den Übergangsstellen des Lebens, die „Einwilligung Gottes“ zum Ausdruck bringt, dann haben wir es bei der Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften unvermeidlich mit dem Verständnis der Aussagen von Schrift und Bekenntnis zu tun. Das aber kann nicht einer Mehrheitsentscheidung überantwortet werden, sondern ist auf den magnus consensus angewiesen.“
Der Liturgische Ausschuss der EKU, an dessen Sitzung am 7./8. März 2002 auch Gottesdienstreferenten aus den Gliedkirchen der EKU und aus den Konferenzkirchen der AKf teilnahmen, hat die Bitte ausgesprochen, für die geistliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften eine Handreichung zu erstellen und damit nicht die einzelnen Gliedkirchen, sondern die EKD zu beauftragen. Diese Bitte sollte aufgenommen werden. Nach dem oben Gesagten ergibt sich, dass dies in Form einer Fürbittandacht zur geistlichen Begleitung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften geschehen kann. Die Federführung wird der Gemeinsamen Arbeitsstelle für gottesdienstliche Fragen der EKD zugewiesen.
II. Staatskirchenrechtliche Aspekte zur gesetzlichen Regelung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft
Das Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG – vom 16. Februar 2001 (2) und das noch im Vermittlungsverfahren befindliche Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz – LPartErgG (3) – haben staatskirchenrechtliche Implikationen. Diese sind im Hinblick auf den kirchlichen Umgang mit den Rechtsfolgen der Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften zu untersuchen.
1. Grundsätzliche Erwägungen
Die umgesetzten bzw. zur Umsetzung vorgesehenen staatlichen Regelungen zur "Lebenspartnerschaft" sind bereits im Vorfeld seitens der EKD kritisiert worden. Diese Kritik ist getragen von dem bereits oben ausgeführten Grundsatz, wonach aus der Sicht des christlichen Glaubens Ehe und Familie das soziale Leitbild für das Zusammenleben von Menschen unter dem Aspekt der Sexualität und Generativität ist. Hieraus hat die EKD nicht den Schluss gezogen, dass eine rechtliche Regelung für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften abzulehnen oder verzichtbar ist. Die unterschiedslose Anwendung der für die Ehe geltenden rechtlichen Bestimmungen auf eine entsprechende Rechtsform ist aus Sicht der EKD aber nicht angebracht. Danach hätte sich ein Gesetz zur Regelung der "Lebenspartnerschaften" nur auf solche Regelungen beschränken dürfen, die gravierende und nicht durch Sachgründe erzwungene Ungleichbehandlungen gegenüber der Ehe beseitigen und die zum Abbau von Diskriminierungen beitragen. Das nach Ansicht der EKD aus Art. 6, Abs. 1 GG abzuleitende Abstandsgebot eines neuen familienrechtlichen Instituts zur Ehe hätte gewahrt, eine Verwechselbarkeit mit der Ehe hätte vermieden werden müssen. Mit den vorliegenden Regelungen könnte aus Sicht der EKD folglich gegen die fundamentale Bedeutung von Ehe und Familie, die im Grundgesetz in Art. 6 ihren verfassungsrechtlichen Niederschlag gefunden hat, verstoßen worden sein. In diesem Sinne hat am 19. September 2000 zum seinerzeitigen Gesetzentwurf bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages der Bevollmächtigte des Rates der EKD votiert. (4) Diese grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das in Kraft getretene LPartG und das noch nicht in Kraft getretene LPartErgG waren auch Gegenstand einer von den Bundesländern Bayern, Sachsen und Thüringen beim Bundesverfassungsgericht beantragten verfassungsrechtlichen Prüfung. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Urteil vom 17. Juli 2002 – 1 BvF 1/01 / 1 BvF 2/01 – festgestellt, dass der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG den Gesetzgeber nicht hindere, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen. Dem Institut der Ehe drohten keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können. Das LPartG ist somit in Geltung.
2. Staatskirchenrechtliche Erwägungen
Das geltende LPartG stellt die Kirche vor dem Hintergrund der dargestellten grundsätzlichen Ablehnung der getroffenen Regelung im Hinblick auf den vom Selbstbestimmungsrecht des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV geprägten eigenen Rechtsbereich vor Probleme bei der Umsetzung. Von der Frage homosexueller Prägung und der Eingehung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG sind auch Kirchenmitglieder und kirchliche Mitarbeiter, seien es Angestellte, Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamte oder auch Pfarrerinnen und Pfarrer, betroffen. Innerkirchliche Regelungen sind dadurch tangiert. In Bezug auf die Menschen, die im kirchlichen Dienst stehen, muss die Vereinbarkeit von privater Lebensgestaltung und Loyalitätspflicht gegenüber der Kirche gefunden werden. Damit ist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht angesprochen.
Gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb des für alle geltenden Gesetzes. (5) Zu den eigenen Angelegenheiten, die den Gegenstand des Selbstbestimmungsrechts bilden, rechnet alles, was durch den kirchlichen Auftrag umschrieben und für den Vollzug dieses Dienstes nach dem Selbstverständnis der Kirche unentbehrlich ist. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Angelegenheiten nur geistlicher Natur handelt oder ob diese Folgen oder Auswirkungen im weltlich-rechtlichen, "staatsbürgerlichen" Bereich zeitigen. Im vorliegenden Zusammenhang sind als eigene Angelegenheiten bezüglich der angesprochenen Segenshandlungen der Kernbereich der Regelung von Lehre und Kultus und hinsichtlich der kirchlichen Mitarbeiter die Ausgestaltung des Arbeits- und Dienstrechts unter besonderer Berücksichtigung von Loyalitätspflichten betroffen. Nach dem Selbstbestimmungsrecht ist die Kirche in ihrem Handeln grundsätzlich frei. Beschränkt werden kann dieses Recht nur durch ein für alle geltendes Gesetz, also ein solches Gesetz, das den "zwingenden Erfordernissen des friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche in einem religiös und weltanschaulich neutralen politischen Gemeinwesen entspricht" (6), das also die Freiheit der Kirche respektiert. Dabei ist es unzulässig, Freiheiten und Rechtsgüter, deren Schutz dem Staat aufgegeben ist, auf Kosten des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zu realisieren, da dieses den Grundrechtsschutz ebenfalls genießt. Erforderlich ist vielmehr, beide Rechtsgüter in ein Verhältnis praktischer Konkordanz zu bringen, was durch eine kirchliche Berücksichtigungsklausel im jeweiligen Gesetz oder durch Rechtsgüterabwägung erfolgen kann. Bei der Begrenzung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts durch ein für alle geltendes Gesetz ist dem kirchlichen Selbstverständnis ein besonderes Gewicht beizumessen. Dabei ist die Nähe des berührten Gebietes zum zentralen kirchlichen Auftrag entscheidend. Je ausgeprägter eine Materie das religiöse Zeugnis zum Ausdruck bringt, desto stärker hat die Rücksicht des beschränkenden Gesetzgebers zu sein. Diese Kriterien sind bei der Beurteilung der Auswirkungen des LPartG und des (noch nicht in Kraft getretenen) LPart ErgG auf das kirchliche Recht zu beachten.
Vor diesem Hintergrund besteht aufgrund der staatlichen Gesetze keine Verpflichtung der Kirchen, kirchliche Segenshandlungen für Lebenspartnerschaften vorzusehen. Die Ausformung von Kultushandlungen ist nicht nur Gegenstand der selbstbestimmten Regelung einer eigenen Angelegenheit gemäß Art. 137 Abs. 3 WRV, sondern ist auch unmittelbar durch die Religionsfreiheit des Art. 4 GG gewährleistet, der die Möglichkeit gesetzlicher Beschränkungen nicht enthält. Es gibt keine strukturelle Parallelität zwischen dem Recht des neutralen Staates und kirchlichem Recht derart, dass ein staatliches Institut einen Anspruch auf eine entsprechende kirchliche Handlung auslösen könnte. Damit ist die Frage der Segenshandlungen hinsichtlich der "Lebenspartnerschaften" durch das staatliche Gesetz nicht präjudiziert, sondern der innerkirchlichen Entscheidung vollständig überlassen. Zum gegenwärtigen Stand der Diskussion in der evangelischen Kirche ist im ersten Abschnitt bereits das Nötige ausgeführt worden.
Die Beurteilung der Auswirkungen der Regelungen über die "Lebenspartnerschaft" auf kirchliche Dienstverhältnisse hat zu berücksichtigen, dass in der Frage der Vereinbarkeit von Homosexualität bzw. bestehender "Lebenspartnerschaft" mit einer Tätigkeit als kirchlicher Mitarbeiter innerhalb der evangelischen Kirche derzeit de facto keine einheitliche Antwort gegeben wird. Dabei spitzt sich die Frage zu, wenn es um Homosexualität und "Lebenspartnerschaft" von Menschen geht, die innerhalb einer evangelischen Kirche ein Pfarramt bekleiden können, da in diesem Fall die Nähe zum zentralen Verkündigungsauftrag der Kirche, der auch die grundsätzliche Leitbildfunktion von Ehe und Familie zum Gegenstand hat, am größten ist. Die Ausgestaltung des kirchlichen Dienstrechts muss grundsätzlich die staatlicherseits eröffnete Möglichkeit zum Eingehen einer "Lebenspartnerschaft" berücksichtigen. Denn LPartG und LPartErgG sind bzw. wären "für alle geltende Gesetze" i. S. v. Art. 137 Abs. 3 WRV, da unter der Voraussetzung allgemeiner Geltung nahezu jedes staatliche Gesetz das kirchliche Selbstbestimmungsrecht begrenzen kann. Dazu gehört auch der gesamte Bereich des Zivil- und somit auch des hier einschlägigen Familienrechts. Zwar ist die Kirche aufgrund des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts grundsätzlich berechtigt, ihren Mitarbeitern als eine Loyalitätsobliegenheit ein Verbot für das Eingehen von "Lebenspartnerschaften" aufzuerlegen bzw. rechtliche Konsequenzen aus dem Bestehen solcher Partnerschaften zu ziehen. Das setzt aber voraus, dass es sich um einen Sachverhalt handelt, der im Selbstverständnis der Kirchen erhebliches Gewicht hat. Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass, wie oben näher beschrieben, die EKD bei den politischen und parlamentarischen Beratungen über das Vorhaben eines Lebenspartnerschaftsgesetzes eine Verbesserung der Rechtsstellung und des Rechtschutzes gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften aus ethischen Gründen ausdrücklich befürwortet hat. Die Vielfalt inhaltlich höchst unterschiedlich abwägender und abstufender kirchlicher Stellungnahmen macht es schwierig, das „spezifische Gewicht“ der Materie für das kirchliche Selbstverständnis eindeutig zu bestimmen. Es ist nicht absehbar, welche Bedeutung diesem Umstand in einem Verfahren vor einem staatlichen Gericht zukommen könnte. Je unterschiedlicher sich Argumentationen und Verhaltensanforderungen der evangelischen Kirchen in dieser Frage darstellen, um so schwieriger ist es, spezifisch kirchliche Gesichtspunkte unter dem Aspekt evangelischen Selbstverständnisses gegenüber dem für alle geltenden Gesetz durchdringen zu lassen.
Es ist daher geboten, innerhalb der Gliedkirchen der EKD vergleichbare Kriterien und Maßstäbe für den Umgang mit Lebenspartnerschaften kirchlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnern im Pfarrdienst und anderen Aufgabenfeldern zu finden. Hierzu können die Überlegungen aus der Orientierungshilfe „Mit Spannungen leben“ eine Basis bilden. Danach wird es maßgeblich darauf ankommen, ob bzw. inwieweit die Lebensweise der betreffenden Mitarbeiter im konkreten Fall mit dem kirchlichen Verkündigungsauftrag vereinbar ist.
III. Dienstrechtliche Reaktionen auf die Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften kirchlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
1. Rechtslage
In das Kirchenbeamtenverhältnis einer Gliedkirche der EKD darf regelmäßig nur berufen werden, „wer sich zu Wort und Sakrament hält und bereit ist, das Gelöbnis abzulegen“ (7), also unter Anderem zu geloben, das persönliche Leben so zu führen, wie von einem Kirchenbeamten oder einer Kirchenbeamtin erwartet werden kann (8). Das Kirchenbeamtenverhältnis ist also mit der allgemeinen Verpflichtung verbunden, sich auch außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass die Achtung und das Vertrauen, die eine Stellung im kirchlichen Dienst erfordert, nicht beschädigt werden. Hierzu gehört die Einhaltung grundlegender ethischer Prinzipien der evangelischen Kirche. Dasselbe gilt im Wesentlichen für die Loyalitätsverpflichtungen privatrechtlich angestellter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Spezielle Aussagen zur Lebensführung in Ehe und Familie finden sich in den Kirchenbeamtengesetzen nicht, wohl aber in den Pfarrgesetzen der Gliedkirchen. Soweit die dort getroffenen Regelungen echte Lebensführungspflichten begründen und nicht durch die spezielle Stellung des Pfarrdienstes bedingt sind, dürfen sie im Wesentlichen auf Kirchenbeamtinnen und -beamte sowie privatrechtliche Angestellte der Kirchen übertragen werde. Allerdings bieten diese Bestimmungen für die Frage des Umgangs mit homosexuellen Lebenspartnerschaften allenfalls begrenzte Möglichkeiten zur Orientierung.
Viele Gliedkirchen haben ihre Pfarrerinnen und Pfarrer rechtlich verpflichtet, eine Eheschließung und eine Auflösung der Ehe mitzuteilen. (9) Sie behalten sich für den Fall der Beeinträchtigung des Dienstes durch eine Eheschließung oder Scheidung die Versetzung des Pfarrers oder der Pfarrerin vor. Einige Pfarrdienstgesetze enthalten Regelungen zur Konfession des Ehegatten. (10) In der Empfehlung des Rates der EKD von 1996 zur Vereinheitlichung dienstrechtlicher Vorschriften heißt es: „Lebensgemeinschaften, die als Alternative zur Ehe verstanden werden oder verstanden werden können, sind mit dem Dienst einer Pfarrerin oder eines Pfarrers nicht zu vereinbaren.“ (11) Diese Formulierung bezieht sich erkennbar auf nichteheliche Lebensgemeinschaften von Mann und Frau. Für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ist die Wahlmöglichkeit zwischen der Ehe und einer Alternative nicht gegeben.
Homosexuelle Partnerschaften waren nicht Gegenstand dieser pfarrerrechtlichen Regelungen. Es ging darum, nichteheliche, heterosexuelle Partnerschaften für Pfarrerinnen und Pfarrer auszuschließen und den Zusammenhang von Familie und Pfarrdienst hervor zu heben. Einige Pfarrergesetze verdeutlichen dies durch Formulierungen wie „Es wird von ihm [dem Ehegatten] erwartet, dass er den Dienst des Pfarrers bejaht“ (12) oder: „Der Pfarrer sorgt nach Kräften dafür, dass die Mitglieder seiner Familie nicht durch ihr Verhalten die Wahrnehmung des pfarramtlichen Dienstes behindern oder die Glaubwürdigkeit der Verkündigung beeinträchtigen.“ (13)
Da die angeführten Bestimmungen nicht auf Regelung homosexueller Partnerschaften zielten, kann aus der in ihnen enthaltenen Verpflichtung auf das Leitbild Ehe und Familie kein allgemeiner Ausschluss homosexueller Partnerschaften heraus gelesen werden. Für diese Fragestellung ist vielmehr auf den dahinter liegenden allgemeinen Rechtsgedanken zurück zu greifen, dass partnerschaftliche Beziehungen des Pfarrers oder der Pfarrerin die glaubwürdige Verkündigung des Evangeliums nicht beeinträchtigen dürfen. Insbesondere ist immer zu beachten, dass Person und Amt im Pfarrdienst untrennbar verbunden sind und dass Pfarrerinnen und Pfarrer durch ihren Auftrag an alle Gemeindeglieder gewiesen sind. Ziel der Regelungen ist es, das Risiko zu vermindern, dass (später) aufgrund einer partnerschaftlichen Beziehung ein gedeihliches Wirken in der Pfarrstelle nicht mehr gewährleistet erscheint.
Im Bereich der VELKD und zweier weiterer Gliedkirchen wird auch eine andere Rechtssicht vertreten. Nach den dort geltenden Pfarrgesetzen sind Pfarrerinnen und Pfarrer „auch in ihrer Lebensführung in Ehe und Familie ihrem Auftrag verpflichtet“ (14). Diese Formulierung wird in älterer Rechtsprechung vom Rechtshof der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen als expliziter Ausschluss homosexueller Lebensgemeinschaften im Pfarrdienst verstanden (15). Der Senat für Amtszucht der VELKD (16) leitet eine Verletzung der Amtspflichten im Pfarrdienst durch Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft indessen aus der allgemeinen Pflicht her, „sich in der Amts- und Lebensführung so zu verhalten, wie es dem Auftrag entspricht“ (17). Die verschiedenen Begründungen eröffnen unterschiedliche Spielräume für die Aufnahme von Entwicklungen in der theologischen Diskussion. Unabhängig hiervon erfordert jeder Einzelfall eine genaue Prüfung und Abwägung seiner jeweiligen besonderen Umstände, um eine angemessene Reaktion auf eine konkrete gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft einer Person im Pfarrdienst oder sonstigen Kirchendienst zu finden. Im Übrigen ist die in der vorliegenden Rechtsprechung getroffene Auslegung der Normen zumal angesichts der Weiterentwicklung der innerkirchlichen Sicht insbesondere aufgrund der 1996 erschienen Orientierungsschrift „Mit Spannungen leben“ nicht zwingend.
2. Rechtliche Reaktionen
Das staatliche Lebenspartnerschaftsgesetz (und evtl. demnächst das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz) bewirkt keine unmittelbare Änderung des innerkirchlichen Dienstrechts. Es steht weiterhin in der Entscheidung der Kirchen, welche dienstrechtlichen Folgen sie an die Begründung und Eintragung einer Lebenspartnerschaft knüpfen wollen. Sie müssen allerdings bedenken, dass das Vorhaben einer Verbesserung der Rechtsstellung und des Rechtschutzes gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften von evangelischer Seite befürwortet worden ist und weiter befürwortet wird. Es wird vorgeschlagen, von der vorhandenen Reaktionsfreiheit in folgender Weise Gebrauch zu machen: (18)
a) mittelfristig
Die Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes (und mögliche spätere Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes) sollte zur Zeit nicht zum Anlass für die Änderung dienstrechtlicher Regelungen genommen werden. Hierdurch soll vermieden werden, dass notwendige theologische Klärungen und gemeinsame Gespräche der unterschiedlich geprägten Positionen über ihr Schriftverständnis und ihre daraus resultierende Haltung zur Homosexualität durch vorzeitige rechtliche Festlegungen in die eine oder andere Richtung behindert oder gar vereitelt werden. Allerdings sollte der hierfür in Aussicht genommene Zeitrahmen überschaubar sein. An seinem Ende sollte eine klare theologische Entscheidung und eine darauf fußende verbindliche dienstrechtliche Regelung stehen.
b) kurzfristig
Solange keine generellen Rechtsvorschriften zum Umgang mit homosexuellen Lebenspartnerschaften kirchlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bestehen, muss die mit einer einzelfallbezogenen Entscheidungspraxis einhergehende Unsicherheit hingenommen werden. Auf die Begründung und Eintragung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft eines kirchlichen Mitarbeiters oder einer kirchlichen Mitarbeiterin sollte im Einzelfall mit dem vorhandenen rechtlichen Instrumentarium unter Anwendung der in „Mit Spannungen leben“ dargelegten Überlegungen reagiert werden. Zentrale Bedeutung wird hierbei der Prüfung der Eignung und der Erhaltung der Einheit der Gemeinde zukommen.
Die Orientierungshilfe "Mit Spannungen leben" kommt aufgrund ihrer Ausgangsüberlegungen zu dem Ergebnis, dass eine generelle Öffnung des Pfarramtes für homosexuell lebende Menschen nicht vertretbar ist. Wohl aber kann verantwortet werden, dies nach gründlicher Prüfung in Einzelfällen zu tun, nämlich dort, wo die homosexuelle Lebensweise ethisch verantwortlich gestaltet wird und wo folgende Verträglichkeitskriterien erfüllt sind: die Vereinbarkeit mit Intimität und Taktgefühl, mit Bekenntnis und Lehre der Kirche und mit dem innerkirchlichen und dem ökumenischen Kontext.
Konkret bedeutet dies: Homosexuell lebende Amtsträger
- sollten das eigene Sexualleben nicht durch Verhalten oder Worte zu einem Inhalt der Verkündigung machen,
- sollten sich der Vorbehalte mancher Eltern bewusst sein, die ihnen beim Umgang mit Kindern und Jugendlichen entgegengebracht werden können,
- sollten ihre eigene Form des homosexuellen Zusammenlebens mit der normativen Autorität der Bibel in Einklang bringen können und
- sollten die Leitbildfunktion von Ehe und Familie anerkennen und die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft nicht als gleichrangig propagieren.
In dem Text "Mit Spannungen leben" wird die Zulassung homosexuell lebender Menschen zum Pfarramt an die einmütige Zustimmung aller an der Entscheidung beteiligten Gremien gebunden. "Einmütigkeit ist im Unterschied zur Einstimmigkeit nicht genau definierbar. Sie ist aber in dieser Unbestimmtheit ein für kirchliche (Lehr-)Entscheidungen gebräuchlicher (vgl. CA 1) und angemessener Begriff, der die überzeugte Zustimmung jedenfalls der weit überwiegenden Mehrheit zum Ausdruck bringt" (S. 46).
Im Blick auf den zu bewahrenden Konsens mit den ökumenischen Schwesterkirchen müsse - so "Mit Spannungen leben" - geklärt werden, ob die Zulassung homosexuell lebender Menschen zum Pfarramt die bestehende Kirchengemeinschaft durch Infragestellung des gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums (Leuenberger Konkordie 2) gefährden würde. Wo keine volle Kirchengemeinschaft besteht, sei zu verdeutlichen, inwiefern die Zulassung einzelner homosexuell lebender Menschen von den evangelischen Lehrgrundlagen her verantwortet werden kann. (19)
Eine wesentliche Frage bei der Beurteilung möglicher Reaktionsweisen wird sein, was der Einheit der Gemeinde dient. Mithin kommt Umständen des Einzelfalls entscheidungserhebliche Bedeutung zu, die sich unter anderem konkretisieren in
- der Art des Umgangs des/der gleichgeschlechtlichen Beschäftigten mit der sexuellen Prägung,
- der Einstellung der Menschen im beruflichen Umfeld des/der gleichgeschlechtlichen Beschäftigten zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und
- der Art und öffentlichen Sichtbarkeit der Aufgabe des/der gleichgeschlechtlichen Beschäftigten.
Folgende Orientierungen für anstehende rechtliche Einzelfragen können gegeben werden:
(1) Eignung für den Dienst - ist anhand der obigen Kriterien aus „Mit Spannungen leben“ zu prüfen. Sofern die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Pfarrdienst oder sonstige Kirchendienst weiter ausgeübt werden, auch in den Gliedkirchen der VELKD.
(2) Versetzung in eine andere Pfarrstelle oder Aufgabe - kann trotz weiterer Eignung erforderlich sein, um die Einheit der Gemeinde nicht zu gefährden. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass dieses Ziel gerade ein Belassen in der bisherigen Pfarrstelle erfordert. Die Frage der Versetzung ist zu prüfen anhand der Regeln über die Gewährleistung weiteren gedeihlichen Wirkens. Eine gedeihliche Amtsführung ist nicht mehr gewährleistet, wenn der Pfarrer oder die Pfarrerin sich außerstande zeigt, die Amtspflichten gegenüber jedem Gemeindeglied zu erfüllen, oder wenn bestimmte Kreise den Dienst des Pfarrers bzw. der Pfarrerin aufgrund der Vorbehalte, die er oder sie hervor ruft, nicht mehr annehmen können. Somit kommt es entscheidend darauf an, wie der/die gleichgeschlechtliche Beschäftigte mit der sexuellen Prägung umgeht und sie gegenüber der Gemeinde darstellt. Ebenso gewichtig ist, auf welche Erwartungen und Vorstellungen der Gemeinde der/die gleichgeschlechtliche Beschäftigte trifft und ob aufgrund dessen in der Seelsorge ein offenes Gespräch auch über Sexualität für möglich gehalten werden kann.
(3) Wohnen im Pfarrhaus - hängt davon ab, was für die Erfüllung des kirchlichen Auftrages als notwendig und gut erachtet wird. Dieser Problematik ist in der Orientierungshilfe „Mit Spannungen leben“ ein eigener Abschnitt (S. 47f) gewidmet. Von wesentlicher Bedeutung ist die Frage, welche ethisch, kulturell und sozialprägende Wirkung dem Pfarrhaus im Einzelfall zukommt. Dabei sind den Erwartungen und Vorstellungen der Gemeinde (nicht nur denen des Kirchenvorstandes) eine erhebliche Bedeutung beizumessen. Letztlich kommt es auch hier darauf an, welche Entscheidung der Erhaltung der Einheit der Gemeinde besser dient.
(4) Pflicht zur Anzeige der Eintragung einer Lebenspartnerschaft - ergibt sich nicht unmittelbar aus den pfarrerrechtlichen Regelungen zur Anzeige der Eheschließung. Analoge Anwendung ist zulässig, da die Anzeigepflicht der praktischen Verwirklichung des allgemeinen Rechtsgedankens dient, dass partnerschaftliche Beziehungen die glaubwürdige Verkündigung des Evangeliums nicht beeinträchtigen dürfen.
(5) Anforderungen an die Konfession des Lebenspartners / der Lebenspartnerin - ergeben sich nicht unmittelbar aus den pfarrerrechtlichen Regelungen zur Konfession des Ehegatten. Analoge Anwendung ist zulässig, da die Konfession des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin der glaubwürdigen Verkündigung so wenig im Wege stehen darf wie diejenige eines Ehegatten.
(6) Pflicht zur Anzeige der Auflösung einer Lebenspartnerschaft - ergibt sich nicht unmittelbar aus den pfarrerrechtlichen Regelungen zur Anzeige einer Ehescheidung. Analoge Anwendung ist zulässig, da die Anzeigepflicht der praktischen Verwirklichung des allgemeinen Rechtsgedankens dient, dass partnerschaftliche Beziehungen die glaubwürdige Verkündigung des Evangeliums und ein gedeihliches Wirken in einer Pfarrstelle nicht beeinträchtigen dürfen.
(7) Versetzung nach Auflösung einer Lebenspartnerschaft - ergibt sich nicht unmittelbar aus den pfarrerrechtlichen Regelungen zur Versetzung bei Ehescheidung. Analoge Anwendung ist zulässig, da die Versetzung eine weitere glaubwürdige und gedeihliche Amtsführung ermöglichen soll. Jedenfalls können bei Auflösung einer Lebenspartnerschaft die Regelungen über die Gewährleistung weiteren gedeihlichen Wirkens herangezogen werden.
(8) Einleitung eines Disziplinarverfahrens - ist allein aufgrund der Tatsache der Eintragung der Lebenspartnerschaft nicht geboten. Wenn die sexuelle Ausrichtung zum Gegenstand der Amtsführung gemacht wird oder die Lebenspartnerschaft in der Verkündigung mit der Ehe gleich gesetzt wird, ist allerdings der Verdacht einer Amtspflichtverletzung gegeben, dem die zuständige Stelle nachzugehen hat.
(9) Dienstrechtliche bzw. besoldungsrechtliche Rechtsfolgen (20), die im Entwurf des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes (21) für staatliche Beamtinnen und Beamte vorgesehen sind, wären im kirchlichen Bereich zunächst ohne Veränderung des vorhandenen Kirchenrechts nach dem Grundsatz zu gewähren oder zu versagen, dass Besoldungsrecht und ähnliche Folgeregelungen dem Statusrecht folgen. Im Bereich der VELKD wäre die Gewährung entsprechender Leistungen nach der oben angeführten Rechtssicht ausgeschlossen. Des weiteren wird die Gewährung davon abhängen, ob die jeweilige Landeskirche für das betreffende Rechtsgebiet auf das jeweilige staatliche Recht verweist oder ob sie eigene ausformulierte Regelungen hat. Im Falle von Verweisungen werden eingetragene Lebenspartnerschaften eher Leistungen erhalten als im Falle ausformulierter eigener kirchlicher Regelungen. Da es sich um wenige Einzelfälle handeln wird, wird man damit leben können, dass sich die Praxis der Gliedkirchen hinsichtlich der Sozialleistungen an kirchliche Amtsträger in eingetragenen Lebenspartnerschaften während einer notwendigen Übergangszeit unterschiedlich gestalten wird.
Die genannten Überlegungen gelten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pfarrdienst und in anderen Aufgabenfeldern der Kirche in ähnlicher Weise. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nur im Pfarrdienst das Instrumentarium der Versetzung wegen mangelnder Gewährleistung gedeihlicher Amtsführung anwendbar ist.
Hannover, im September 2002
Fußnoten:
(1) Mit Spannungen leben. Eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Thema "Homosexualität und Kirche", EKD-Texte 57, Hannover 1996.
(2) BGBl. I 2001, 266 ff.; in Kraft seit dem 1.8.2001.
(3) Enthält insbesondere beamten- und steuerrechtliche Vorschriften, die bei der vorliegenden Fragestellung kirchlicher Reaktionsnotwendigkeiten zu beachten sind. Diesem Gesetz hat der Bundestag am 10.11.2000 zwar ebenfalls zugestimmt, der Bundesrat aber am 1.12.2000 die Zustimmung versagt. Es befindet sich nach wie vor im Vermittlungsverfahren und wird voraussichtlich nicht mehr bis zum Ende der derzeitigen Legisla-turperiode verabschiedet werden.
(4) S. dazu die Pressemitteilung der EKD vom 19.9.2000.
(5) Hierzu und zum Weiteren s. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz.. Kommentar, Bd. 3, 20014, Art. 137 WRV, RN 24 ff.; ders., Staatskirchenrecht, 19963, S. 105 ff.; Jeand -Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, RN 171 ff.; Winter, Staatskirchenrecht der Bundes-republik Deutschland, 2001, S. 105 ff.; jeweils m. w. N., auch aus der Rspr.
(6) v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, aaO, S. 117 f., m. w. N.
(7) So z.B. § 7 Abs. 1 Nr. 1 KBG.EKD
(8) § 9 KBG.EKD
(9) Z.B. §§ 41 Abs. 1, 42 PfDG.EKU, § 54 PfG.VELKD, § 19 Württ.PfG, §§ 35 Abs. 1, 36 PfG.Pfalz, §§ 35, 39 PfDG.EKKW, §§ 30 Abs. 2, 32 PfDG.Lippe, §§ 34, 38 PfDG.Baden.
(10) Z.B. § 41 Abs. 2 PfDG.EKU, 38. Abs. 1 PfDG.EKKW, § 19 Abs. 2 Württ.PfG, § 35 Abs. 2 PfG.Pfalz, 38 Abs. 1 PfDG.EKKW, § 36 PfDG.Baden.
(11) § 24 Abs. 2 der Empfehlung, ebenso in § 35 Abs. 4 PfG.Pfalz.
(12) § 19 Abs. 2 Württ.PfG.
(13) § 36 PfDG.EKKW, vergleichbar § 30 Abs. 1 PfDG.Lippe: „Will der Pfarrer eine Ehe eingehen, so soll r bedenken, dass er mit seinem Hause ein besondere Stellung im Leben der Gemeinde einnimmt.“ und: § 31 Abs. 1 PfDG.Lippe: „Der Pfarrer soll mit seiner Ehefrau um ein christliches Familienleben in der Freiheit und Zucht des Evangeliums bemüht sein.“
(14) § 51 PfG.VELKD, § 54 PfG.Oldenburg, § 34 PfDG.Baden.
(15) Urteil des Rechtshofs der Konföderation vom 2.12.1982
(16) Urteil des Senats für Amtszucht der VELKD vom 8. 11. 1990
(17) § 4 Abs. 2 PfG.VELKD
(18) Ergänzend sind Auswirkungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Meldewesen zu erwähnen, die dadurch zustande kommen, dass § 19 a) Nr. 11 des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) unter Familienstand die Le-benspartnerschaft als den Kirchen zur Verfügung zu stellende Daten ausdrücklich nennt. Hier sind entsprechende Umsetzungen im kirchlichen Meldewesen erforderlich. Sie liegen auch unter dem Aspekt umfassender Seelsorge im Interesse der Kirche, die die jeweilige Familiensituation ihrer Kirchenmitglieder berücksichtigen will.
(19) Vgl. „Mit Spannungen leben“ S. 45-47.
(20) Zum Beispiel: Anspruch auf Erziehungsurlaub oder Urlaub ohne Dienstbezüge zur Erziehung eines Kindes des Lebenspartners oder der -partnerin; Urlaub aus persönlichen Anlässen, z.B. Niederkunft, Krankheit, Tod des Lebenspartners oder der -partnerin; Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen auch des Lebenspartners oder der -partnerin; Wegstreckenentschädigung bei Benutzung des Kraftfahrzeugs des Lebenspartners oder der -partnerin; Umzugskosten bei Wohnungswechsel wegen Gesundheit des Lebenspartners oder der -partnerin; Beförderungsauslagen für Umzugsgut des Lebenspartners oder der -partnerin; höhere Pauschvergütung für sonstige Umzugsauslagen für Verheiratete, Geschiedene, Verwitwete oder Lebenspartner und -partnerinnen; höheres Trennungsgeld für Ehepaare und eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften.
(21) Das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz wird voraussichtlich in der derzeitigen Legislaturperiode nicht mehr in Kraft gesetzt.