Flusstaufe in der Nidda

Ganzkörpertaufen haben in der Bad Vilbeler Christuskichengemeinde Tradition – 2019 waren auch Geflüchtete aus dem Iran dabei

Den Täuflngen wird nach der Flusstaufe in der Nidda gratuliert

Freude bei den Täuflingen und ihren Taufhelfern nach der Flusstaufe in der Nidda. Neben sechs nicht getauften Konfirmandinnen und Konfirmanden ließen sich dort in diesem Jahr auch acht Geflüchtete taufen.

Am Sonnntag nach Pfingsten stehen mit weißen T-Shirts und schwarzen Hosen bekleidete Menschen hüfthoch im kühlen Wasser des Flusses Nidda in Bad Vilbel und umarmen einander glücklich lachend. Gerade haben sie sich taufen lassen: sechs nicht getaufte Konfirmandinnen und Konfirmanden und acht Männer und Frauen, die aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet sind. In der evangelischen Christuskirchengemeinde dort hat die Ganzkörpertaufe inzwischen eine Tradition  – neu war in diesem Jahr die Teilnahme von Geflüchteten. Bereits vor 15 Jahren hatte Gemeindepfarrer Klaus Neumeier die Gottesdienste mit Taufe in der Nidda initiiert. „Heute in der evangelischen Kirche durchaus üblich, waren Taufen in Flüssen 2004 völliges Neuland und haben durchaus für kirchenleitende Rückfragen gesorgt.“

Glaubensbekenntnisse und bewegende Biographien

Der erste Teil des Gottesdienstes mit der Predigt fand in der Kirche statt, musikalisch begleitet von Orgelklängen und einer Gottesdienstband der Gemeinde. Einige Konfirmanden hatten Paten ausgewählt, diese wurden mit ihrem Amt beauftragt, persönlich gestaltete Taufkerzen wurden entzündet und die Taufblätter mit den Bildern der Täuflinge am Taufbaum, einem künstlerisch gestalteten Holzgestell, hinter dem Altar aufgehängt. Diese Tradition wird bei allen Taufgottesdiensten in der Gemeinde gepflegt. Da die Blätter dort drei Jahre hängen bleiben, ist der Baum mit rund 200 Taufblättern immer reich geschmückt. „Außerdem schreiben bei uns alle Täuflinge ab dem Konfirmandenalter ein persönliches Bekenntnis, was ihnen am Glauben wichtig ist, und tragen dieses im Taufgottesdienst vor“, sagt Klaus Neumeier. „Dieses umfasst meist zwei bis drei Sätze, bei manchen Geflüchteten war es aber viel umfangreicher und erzählte sehr viel Lebensgeschichte.“

„Es ist bewegend, mit welchen Biographien Menschen zu uns kommen und den Weg zum Glauben an Jesus Christus finden“, so die Reaktion eines Mitglieds der Kirchenvorstands der Christuskirchengemeinde darauf.

Der religiöse Hintergrund der aus dem Iran stammenden Geflüchteten ist ganz unterschiedlich: Manche hatten bereits dort Kontakt zum christlichen Glauben, andere erst in Deutschland. Die Erfahrung, im Iran die „falsche“ Religion zu haben oder als Muslim zum christlichen Glauben übertreten zu wollen, sei für viele ein Fluchtgrund gewesen, berichtet Klaus Neumeier. Der Kontakt zu den Geflüchteten enstand durch die Flüchtlingsarbeit der Kirchengemeinde seit 2015. Bei einigen ergab sich dadurch das Interesse an der Taufe.

Vorbereitet auf die Taufe wurden die Geflüchteten durch einen Glaubenskurs bei Ingo Schütz, ebenfalls Pfarrer in der Christuskirchengemeinde. Ähnlich wie im Konfirmandenunterricht wurden dort grundsätzliche Fragen des christlichen Glaubens behandelt. „Auch das Kennenlernen, was Kirche bei uns bedeutet, war wichtig, da hier große Unterschiede zum Iran bestehen“, so Klaus Neumeier. Ein weiterer Geflüchteter hatte sich der Freien Evangelischen Gemeinde Bad Vilbels angeschlossen und stand so seit langem im Kontakt mit deren Pastor Clemens Breest. Dieser hatte die Idee, sich an der großen Tauffeier der Vilbeler Kernstadtgemeinde zu beteiligen. Angesichts der seit mehreren Jahren gewachsenen engen Verbindung wurde diese Initiative dort mit Freude aufgenommen.

Glauben wird im Ritual erfahrbar

Nach dem ersten Teil des Gottesdienstes in der Kirche ging es hinaus ins Freie: Mit einem kurzen Fußmarsch erreichte die Gemeinde den Fluss Nidda, der unterhalb des Gotteshauses durch die Stadt fließt.

„Groß ist unser Gott“ erklang es zu Gitarrenbegleitung von der Brücke und von beiden Ufern. Dann stiegen die Täuflinge und ihre Taufhelfer ins hüfthohe Wasser des Flusses. Vom Ufer wurden die Taufsprüche verlesen und Pfarrer Klaus Neumeier sprach die Taufworte.

Hinter jedem Täufling stand ein Taufhelfer bereit, um Halt zu geben, wenn der Täufling sich nach hinten fallen lässt und ganz untergetaucht wird. „So wird Glauben erfahrbar: Ich lasse mich durch den Glauben halten und in Gott hineinfallen“, erläutert Klaus Neumeier die Bedeutung des Rituals. „Beim Auftauchen setzte von den Ufern Beifall ein und im Wasser gratulierten alle einander mit Umarmungen – es wurde viel von der Atmosphäre im Umgang miteinander in der Gemeinde spürbar.“

Mehr als ein Event: Es geht um ein spirituelles Erlebnis

Was ist der Grund für die wachsende Beliebtheit der Ganzkörpertaufe? „Manche bezeichnen das als ‚Taufevent‘ – ich bin mit diesem Wort etwas zurückhaltender“, sagt Klaus Neumeier. In erster Linie gehe es um die spirituelle Erfahrung. Es sei ein Erlebnis, das man deutlich spüren könne. „Im Übrigen ist dies die Taufform, die von der Urkirche ausschließlich praktiziert wurde. Es wurde damals nur im Fluss getauft. Sie macht den theologischen Hintergrund erfahrbar, von dem Paulus im Römerbrief im 6. Kapitel mit ‚begraben werden und neu auferstehen‘ spricht. Dies wurde seit alters her mit dem Untertauchen und wieder Auftauchen der Taufe verbunden.“ In der Gemeinde, so Neumeier, werde diese besondere Taufform sehr wertgeschätzt, die Gottesdienste seien immer sehr gut besucht. Aus der Gruppe der Geflüchteten, die am Glaubenskurs teilgenommen hatten, entschieden sich aber auch zwei für eine Taufe am Taufbecken in der Kirche.

Claudia Boss-Teichmann (für ekd.de)