Fotograf Sebastião Salgado erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Salgado appelliert: „Wir müssen die Natur regenerieren und schützen, was noch da ist“

Der Fotograf Sebastiano Salgado mit einem seiner Bildbände auf einer Presskonferenzt, er erhält 2019 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Dem sozial engagierten Salgado wird vorgeworfen, er ästhetisiere das Elends. Dazu sagt er: „Auch im Flüchtlingslager gibt es schöne Menschen. Wir haben einen wunderschönen Planeten.“ Überall gebe es Schönheit. Er zeige die Wirklichkeit des Lebens.

Frankfurt a.M. (epd). Der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado (75), hat die Regierungspolitik seines Heimatlandes verurteilt. „Sie ist schrecklich, sie ist ein Desaster“, sagte er am 18. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse. Die rechtsgerichtete Regierung von Präsident Jair Bolsonaro zerstöre Institutionen zum Schutz der Umwelt und der indigenen Völker. In einem 4,2 Millionen Quadratkilometer großen Gebiet der Amazonasregion, ungefähr zwölfmal so groß wie Deutschland, lebten nur noch 316.000 indigene Menschen. 18 Prozent des unter Naturschutz stehenden Regenwalds seien in den vergangenen 15 Jahren zerstört worden.

„Wir müssen Druck auf die Regierung ausüben.“

Salgado forderte die Bundesregierung auf, Druck auf die brasilianische Regierung auszuüben. Deutschen Unternehmen könnte die Beteiligung an umweltzerstörenden Projekten untersagt werden. Der Import landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die auf Umweltzerstörung beruhten, könnte eingeschränkt werden. „Ich habe Hoffnung, dass sich etwas ändert“, sagte der Preisträger. „Wir müssen Druck auf die Regierung ausüben.“

Das sozial engagierte Fotografieren in vielen Ländern des Südens habe bei ihm Spuren hinterlassen, betonte Salgado. „Ich hatte viele Alpträume, ich war krank.“ Zu Beginn seiner Fotografenlaufbahn sei er der einzige westliche Fotograf in Afrika gewesen. „Ich war ein Linker und wollte meine Seite des Planeten zeigen.“ Salgado wehrte sich gegen den Vorwurf einer Ästhetisierung des Elends. Überall gebe es Schönheit. Er zeige die Wirklichkeit des Lebens. „Auch im Flüchtlingslager gibt es schöne Menschen. Wir haben einen wunderschönen Planeten“, sagte er. Eine persönliche Wende hätten die Aufnahmen vom Völkermord in Ruanda 1994 gebracht: Er sei schwer krank geworden.

Sein Ziel: Aufforstung mit 150 Millionen Bäumen

Salgado und seine Frau kehrten nach Brasilien zurück mit dem Anliegen, die Natur zu heilen. Sie hätten begonnen, 2,5 Millionen Bäume auf dem durch Landwirtschaft zerstörten Farmland seines Vaters zu pflanzen und den Regenwald wieder aufzuforsten. Inzwischen seien die vor 50 Jahren verschwundenen Jaguare zurückgekehrt, und 170 Vogelarten lebten wieder in dem Gebiet. Sein Ziel sei nun, die ganze Region in einer Größe von Portugal mit 150 Millionen Bäumen aufzuforsten und 370.000 Wasserquellen in dem vertrockneten Gebiet wieder zum Sprudeln zu bringen.

In seinem „Instituto Terra“ würden Studenten dazu ausgebildet. Organisationen wie der World Wildlife Fund oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW-Bank) unterstützten das Vorhaben. „Wir können den Planeten zerstören, aber er wird nicht sterben“, sagte der Preisträger. „Vielleicht wirft er uns Menschen raus.“ Salgado appellierte: „Wir müssen die Natur regenerieren und schützen, was noch da ist.“

Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, begründete die erstmalige Wahl eines Fotografen zum Friedenspreisträger damit, dass Salgado seit mehr als 40 Jahren zu Themen arbeite, die die Menschheit bewegten: Klima, Naturzerstörung, Migration, Arbeitsbedingungen. Salgado rufe dazu auf, die Schönheit der Welt zu bewahren und den Lebensstil zu ändern.


Der mit 25.000 Euro dotierte Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am 20. Oktober in der Paulskirche verliehen. Der Filmregisseur Wim Wenders hält die Laudatio. Wenders porträtierte Salgado in dem für den Oscar nominierten Dokumentarfilm „Das Salz der Erde“ (2014). Die Verleihung wird live im ZDF übertragen.

Zu den von Salgado veröffentlichten Bildbänden gehören „Gold“ (1986, neu 2019), „Migration“ und „The Children: Refugees and Migrants“ (deutsch: „Kinder der Migration“) (beide 2000) und zur Landschaftsfotografie „Africa“ (2007) und „Genesis“ (2013), letzterer widmet sich auch isoliert lebenden Menschen aus ursprünglichen Kulturen.