Glück vom Kiosk

Die evangelische Jugend in Kassel will „Glück unter die Menschen bringen“

Glückskiosk in Kassel

Jens Domes, Hanna Domes, Luisa Walther und Joy Lohmann (von links) auf Glücksmission: Mit dem Glücks-Kiosk wollen sie die Menschen in Kassel glücklich machen.

„Ist das Kunst?“, fragt ein älterer Mann, der sich vor der Markthalle in Kassel gerade eine Zigarette anzündet. Jedes Wochenende ist er da, aber einen Glückskiosk hat er noch nicht gesehen. Und damit ist er an diesem Samstag nicht alleine.

„Wir wollen Glück unter die Menschen bringen“, antwortet Jens Domes, Bildungsreferent der Evangelischen Jugend Kassel, zum ersten, aber nicht zum letzten Mal an diesem Tag. Er steht vor einem bunten Kiosk, den er und der Künstler Joy Lohmann in den vergangenen Tagen mit Jugendlichen angefertigt haben. Der Künstler zupft noch an der blauen Plane des Vordachs, auch ein Glückskiosk will aufgebaut werden.

Zwei Tage zuvor ist der Kiosk noch ein Lastenfahrrad, das man genauso kaufen kann. Daneben ist das Sortiment des Kiosks auf einer Holzplatte aufgestellt: Ein Fläschchen mit Flüssigkeit für Seifenblasen, umringt von einem Blaulicht, alten Geldschnipseln, die säuberlich von Plastikfolie zusammengehalten werden, einer Telefonwählscheibe und einem alten Kassettenrekorder.

Das Glückssortiment sieht ein bisschen so aus, als hätten Mama und Papa einen Schrank im Keller ausgeräumt und dort die Überbleibsel ihrer schon ausgezogenen Kindern und längst verschollene Schätze gefunden. Auf den ersten Blick wird das Sortiment wuselig, doch dahinter verbergen sich tiefgründige Gedanken. Schließlich haben sich die Jugendlich zusammen überlegt, was Glück denn eigentlich ist.

„Glück ist der Schlüssel“

Paulina Sobanski findet, dass Seifenblasen einen glücklichen Moment sehr gut darstellen: „Sie schillern wunderschön, zerplatzen dann. Ein Moment, den man genießen muss, statt ihn krampfhaft festzuhalten.“ Glücklich sein bedeutet für sie, sich positiv auf das Leben einzustellen.

Genau einen Tag vor der Bauphase hat sich beim Spanplattentragen ein Splitter in ihre Hand verirrt. Der musste rausoperiert werden und nun steckt ihr Arm in einem blauen Verband. „Deshalb bin ich jetzt hier. Ansonsten wäre ich beim Sport. Das ist ja auch Glück.“

Das Rad hat ein Solardach bekommen, das von dünnen Metallträgern gehalten wird. „Mit dem Solardach verbrauchen wir keine Ressourcen und können Musik machen“, erklärt der Künstler Joy Lohmann während er Holzbretter sägt, die eine Art Theke werden sollen. Seit zwei Jahren arbeitet der Künstler aus Hannover mit dem Glück-Kiosk. Drei gibt es schon: in Hannover, Kassel und Indien.

„Glück ist der Schlüssel für ein nachhaltiges Leben. Wer glücklich ist, der muss das nicht mit materiellen Sachen kompensieren“, meint Lohmann. Weil er die kulturelle Erfindung des Kiosks so sympathisch fand, hat er sie mit dem Glück verbunden. Schließlich haben Kioske immer auf, wenn alles andere zu hat und was man braucht, findet man meist auch. Bei einem Glückskiosk ist das mit dem passenden Produkt nicht so leicht.

„Mich macht die Vorstellung eines bejahenden Gottes glücklich“

Denn Glück ist kein Fertigprodukt, sondern maßgeschneidert und individuell. Man kann es nicht kaufen und nicht festhalten. Es findet sich aber meist in zwischenmenschlichen Beziehungen und Kontakten, darauf hat sich die Gruppe geeinigt. Deshalb wollen sie mit den Menschen reden und sie zum Nachdenken anregen – und zwar ganz nebenbei. Dafür beinhaltet der Kiosk ein rätselhaftes Sortiment, das es zu entdecken gilt.

„Es kommt dann alles nebenbei zur Sprache, wie das eben ist, wenn man etwas zusammen unternimmt. Mich macht die Vorstellung eines bejahenden Gottes glücklich. Bei anderen ist das ganz anders“, erzählt Jens Domes. Da trifft es sich gut, dass die evangelische Jugend sich das ganz Jahr mit dem Thema Glück befasst.

Es sind Momente, die glücklich machen

Vor der Markthalle bleiben immer mehr Besucher auf dem ausgerollten Teppich stehen, der den Weg zum selbstgemachten Kunstwerkt säumt. Die Schiefertafel füllt sich mit orangenen Post-Its, auf denen „Juni 2016“ – der Hochzeitstag eines Paares, „Pfauenaue freigelassen“ und ein „Geburtstag“ stehen.

Aus dem alten Kassettenrekorder ertönt Musik von John Lee Hocker. Weil es eben Momente sind, die glücklich machen. Und an die kann man sich erinnern. Diese Überbleibsel sind im Kopf meistens mit einem Musik-Platten-Cover beklebt und nach Erfahrungen, Beziehungs- und Erfolgserlebnissen im Kopf einsortiert. An einen solchen Moment erinnert sich Felizia Bibelhausen, als sie mit dem Fahrrad unterwegs war und Pusteblumensamen um sie herumwirbelten.

„Kunst ist nicht das, was an der Wand hängt, sondern das, was in den Köpfen der Betrachter passiert“, beschreibt Lohmann, was Kunst für ihn bedeutet. Er ist bekannt für seine Street-Art, macht besonders viele soziale Skulpturen im öffentlichen Raum. Er will die Menschen um sich herum inspirieren, eigene Ideen zu entwickeln und versucht ein bisschen Glück in ihren Alltag zu schmuggeln.

Dafür hat er einen Motorradhelm golden angemalt und kleine Flügel daran befestigt – alles angelehnt an den Glücksboten Hermes. „Wenn ich damit durch die Stadt fahre, dann lachen oder schmunzeln die Menschen um mich herum.“ Und wenn Joy Lohmann seinen Helm aufsetzt und Kassel verlässt, um anderswo Glück zu verbreiten, dann hat Kassel einen Glücks-Kiosk mehr, der die Menschen weiter glücklich machen soll.

Magdalena Dräger (für evangelisch.de)