Beharrlich für Würde und Gerechtigkeit
Heike Proske, Generalsekretärin der Deutschen Seemannsmission, wird verabschiedet
Bremen (epd). Es sind dramatische Themen, mit denen sich Heike Proske über Jahre auseinandersetzen musste: Wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, wenn Piraten Handelsschiffe überfallen und Seeleute kidnappen, wenn Crews an Bord von Handelsschiffen unter Isolation und schlechten Arbeitsbedingungen leiden, dann hat die „Bischöfin der Seeleute“ ihre Stimme erhoben. Zusammen mit dem Team der Deutschen Seemannsmission in 16 Auslands- und 16 Inlandsstationen hat sie für die Würde der Menschen an Bord gekämpft. Am 22. September wird die leitende evangelische Theologin in Bremen verabschiedet.
Ein Arbeitsfeld, das globaler nicht sein könnte
Nach neun Jahren als Generalsekretärin der Deutschen Seemannsmission und damit als erste Frau in diesem Amt wechselt die 56-Jährige nach Dortmund. Dort übernimmt sie im Oktober das Amt der Superintendentin im Evangelischen Kirchenkreis der Ruhrmetropole, der mit 200.000 Mitgliedern größer ist als manche Landeskirche. Da bleibt wenig Zeit für die Rückschau auf ein Arbeitsfeld, das globaler nicht sein könnte.
„Hier gelten keine Grenzen“, bringt es Proske auf den Punkt. Deshalb sind es auch die Seeleute, die sich mit den negativen Folgen der Globalisierung auseinandersetzen müssen, wenn Menschen vor Kriegen, Klimakatastrophen, Hunger und Elend aus ihrer Heimat flüchten müssen und dabei beispielsweise auf dem Mittelmeer in Not geraten. Mal abgesehen davon, dass es eine Pflicht gibt, Menschen in Seenot zu retten: „Seeleute retten schon deshalb, weil sie selbst in Seenot geraten könnten und gerettet werden möchten, ohne dass andere so lange darüber nachdenken, bis es zu spät ist“, sagt Proske.
„Der Mensch mit Sorgen steht im Mittelpunkt“
Doch Kapitäne und Besatzungen werden schneller und häufiger als noch vor Jahren kriminalisiert, hat Proske erfahren. „Sie werden Schleppern gleichgesetzt und indirekt durch die Politik aufgefordert, in Seenot Geratene auf ihren seeuntüchtigen Schiffen zu lassen“, macht sie auf das psychische Dilemma der Seeleute aufmerksam. „Hier wird ein Konflikt auf dem Rücken der Menschen ausgetragen, die für unseren Wohlstand unterwegs sind.“ Mehr als 90 Prozent aller in der Welt gehandelten Güter werden durch die Handelsschifffahrt transportiert, meist von Seeleuten aus Schwellen- oder Entwicklungsländern.
Die Politik lässt die Seeleute in ihrer Entscheidung allein und droht ihnen noch mit Strafen, falls sie dringend notwendige Hilfe leisten: In Situationen wie diesen setzen sich Proske und die Beschäftigten der Seemannsmissionen dafür ein, menschlich zu handeln. Proske tue das besonnen und zugleich bestimmt, hat Ralf Nagel erfahren, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Reeder: „Für sie steht der Mensch mit seinen Sorgen, Interessen, seinen Pflichten und seinen Wünschen stets im Mittelpunkt“, sagt der ehemalige Bremer Hafensenator und ergänzt: „Ich werde die Zusammenarbeit mit ihr sehr vermissen.“
Für menschenwürdige Arbeitsbedingungen
Durch ihren beharrlichen Einsatz habe Proske erreicht, dass die Stationen an der deutschen Küste als Wohlfahrtseinrichtungen Geld vom Bund erhalten, sagt die Präsidentin der Deutschen Seemannsmission, Clara Schlaich. Im Ausland hat Proske die Vernetzung zwischen Kirchen und Stationen und die Zusammenarbeit mit anderen Seemannsmissionen vorangetrieben. So konnte sie trotz knapper finanzieller Ressourcen die Schließung von Standorten verhindern. „Und mit ihrer Beteiligung an der Kampagne ‚Fair über's Meer‘ setzte sie sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen auf See ein“, bilanziert Schlaich.
Proske habe sich mit hohem Engagement für die Sache der Seeleute eingesetzt, sagt auch der Stader Landessuperintendent Hans Christian Brandy, der nun die Neubesetzung an der Spitze der Deutschen Seemannsmission koordiniert. „Absolut zuverlässig und mit offenem Diskussionsstil", beschreibt er die scheidende Generalsekretärin, die zuletzt auch Vorsitzende des Dachverbandes der Internationalen Christlichen Seemannsmissionen ICMA war.
Wer ihr am Sitz des Generalsekretariats in Bremen nachfolgt, wird am 22. September entschieden. Klar ist, dass der Job nur gemeinsam mit Partnern, ökumenisch und international ausgefüllt werden kann. Genau wie das Amt der Superintendentin in Dortmund, zieht Proske Parallelen zwischen alter und neuer Aufgabe: „Das ist eine internationale Stadt.“ Die Theologin hat sich unter anderem vorgenommen: „Gemeinsam gegen rechtspopulistische Strömungen angehen.“
Dieter Sell (epd)