Kaffeekränzchen auf dem Friedhof
Gegen die Einsamkeit: Ehrenamtliche organisieren mobile Friedhofcafés
Friedhöfe sind Orte der Würde und des Gedenkens. Dass sie deswegen nicht immer Orte der Stille sein müssen, beweisen mobile Friedhofscafés. Mitten unter den Toten spenden sie den Lebenden Trost.
Erlangen/Fürth/Augsburg (epd). Es gibt durchaus Menschen, die das neue Angebot auf dem protestantischen Friedhof in Augsburg despektierlich finden. „Die sagen dann: Habt ihr sie noch alle, auf dem Friedhof Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen?“, erzählt Pfarrerin Bettina Böhmer-Lamey von der Augsburger Citykirche. Doch die meisten fänden es gut, das mobile Friedhofscafé „Plaudertässchen“, das an mehreren Sommerwochenenden ein wenig Leben auf den Friedhof bringt - derzeit noch probeweise.
Das wichtigste Ziel ist, den Angehörigen einen Ort zum Austausch zu ermöglichen: mit Menschen, die den Schmerz kennen und sich vielleicht ebenso allein fühlen. Die Friedhofsmitarbeiter sähen immer wieder, wie Menschen mit den Grabsteinen sprechen, erzählt Böhmer-Lamey. „Der Sonntag ist für sie oft der einsamste Tag der Woche.“
Auf dem Erlanger Zentralfriedhof lässt das mobile „Café Kränzchen“ der Sonntagseinsamkeit keine Chance: Jeden Sonntagnachmittag kommen Ehrenamtliche mit ihrem Lastenfahrrad, von dem aus sie direkt hinter der Aussegnungshalle Kaffee und Kuchen verteilen. Seit 2020 gibt es das Angebot, viele Besucher und Besucherinnen sind treue Stammgäste.
Auf Bänken unter einem Baum, direkt neben dem sprudelnden Springbrunnen, sitzt eine Gruppe älterer Damen. „Im Mai freuen wir uns, dass es wieder losgeht und im November jammern wir“, sagt eine von ihnen mit einem Augenzwinkern. Die Witwen haben sich hier beim Café kennengelernt und sind Freundinnen geworden. Wenn im Winter das „Café Kränzchen“ Pause macht, treffen sie sich alle 14 Tage zum Wandern durch Erlangen.
Auf dem Städtischen Friedhof in Fürth kommen jeden Sonntag rund 30 bis 50 Gäste zum Café. Dafür braucht es viel Kaffee und mindestens vier Kuchen. Wie in Augsburg und Erlangen wird auch hier alles von Ehrenamtlichen gestemmt, wie Leander Wirth vom Ehrenamtlichen-Büro erzählt. Dabei kann man sich entscheiden, ob man am Wochenende mal einen Kuchen beisteuern will oder lieber das Café vor Ort betreut.
In Augsburg gehört Charlotte Rieger mit Mitte 30 zu den Jüngeren im Team. Sie will, dass das Café eine Oase zum Ausruhen und Aufatmen ist. Die Ehrenamtlichen gehen auch mal über den Friedhof und laden Menschen ins „Plaudertässchen“ ein. Dazu gehöre ein wenig Fingerspitzengefühl, sagt Bettina Böhmer-Lamey, denn nicht für alle Friedhofsbesucher sei es das passende Angebot.
Das Konzept des mobilen Friedhofscafés verbreitet sich. Auch im Erlanger Stadtteil Büchenbach, in Herzogenaurach und Uttenreuth gibt es das Angebot schon, im Nürnberger Stadtteil Katzwang steckt man mitten in der Planung. Und auch aus Schweinfurt kamen schon interessierte Nachfragen, sagt Leander Wirth. Für alle, die die Idee nachahmen möchten, hat er einen ganz praktischen Rat: „Man sollte am besten einen Ort in Friedhofsnähe suchen, an dem man Kaffee zubereiten kann, damit man die vollen Kannen nicht so weit tragen muss.“
Auf dem Erlanger Zentralfriedhof kommt Rainer Amann gerade mit seinem Elektrorollstuhl beim „Café Kränzchen“ angefahren, begrüßt die Mitarbeiterinnen freudig mit Vornamen. „Mensch, Mädels, ihr verwöhnt mich ja“, sagt er mit Blick auf die selbst gebackenen Kuchen. Zum fünften Mal ist er heute beim Friedhofscafé. Er habe das Grab seiner Mutter und seines Bruders besucht, als er das Angebot zum ersten Mal entdeckte, erzählt er. Mit vielen netten Menschen sei er seitdem ins Gespräch gekommen. Für ihn ist der Friedhof genau der richtige Ort dafür. „Am Ende landen wir hier alle“, sagt er und fügt mit einem Lachen hinzu: „Davor kann man die Zeit ja noch genießen.“
Von Jutta Olschewski und Julia Riese (epd)