Kühnbaum-Schmidt: „Zu den Menschenrechten gehört das Recht auf Nahrung und angemessene Ernährung“
EKD-Beauftragte für Schöpfungsverantwortung fordert vor G7-Gipfel Maßnahmen zur Abwendung einer globalen Ernährungskrise
In Anbetracht des Ukrainekrieges und seiner Folgen ruft Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (Schwerin), Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Schöpfungsverantwortung, die Vertreter der G7-Staaten zu mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien auf. Ebenso drängt sie auf verstärkte diplomatische Anstrengungen zur Abwendung einer globalen Ernährungskrise. „Angesichts der zunehmenden Klimakrise und ihrer Folgen treten wir als evangelische Kirche seit vielen Jahren für einen Ausbau der erneuerbaren Energien ein. Für uns geht es dabei um den achtsamen Umgang mit der Mitschöpfung, die wie wir Menschen eigene Lebensrechte hat. Mit dem Ukrainekrieg kommen sicherheitspolitische Gründe hinzu, die Energiewende noch viel entschlossener voranzutreiben und möglichst bald unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden“, so Kühnbaum-Schmidt.
Dieses höhere Tempo in der Energiewende nehme nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft – darunter auch die Kirchen selbst – in die Pflicht. Mehr Anstrengungen und Verbindlichkeit beim Klimaschutz seien nötig, ein zügigerer Ausbau der erneuerbaren Energien auf allen Ebenen, aber auch die Frage nach mehr Suffizienz. Dabei spiele auch die weltweite Klimagerechtigkeit eine Rolle: „Ein sehr großer Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen werde von einer wohlhabenden Minderheit der Weltbevölkerung verursacht. Das bedeutet auch: Die, die unter den Folgen des Klimawandels am meisten leiden, sind dafür am wenigsten verantwortlich – aktuell dramatisch sichtbar in Bangladesch und Indien,“ so die EKD-Beauftragte.
Für die dringend voranzutreibende sozial-ökologische Transformation sei deshalb auch die Diskussion über andere Wertvorstellungen nötig. „Schon seit vielen Jahren rufen wir auf zu einer ‚Ethik des Genug‘: Die einen, die zu wenig haben, müssen genug für ein lebenswürdiges Leben bekommen. Und die anderen, die mehr als genug haben, müssen es genug sein lassen können.“ Die Ethik des Genug stelle die Klimakrise nicht nur in Zusammenhang mit Fragen der globalen Gerechtigkeit, sondern habe auch eine spirituelle Dimension. Grenzen des „Genug“ zu erkennen und einzuhalten, bedeute, darüber nachzudenken, was es wirklich für ein gutes Leben braucht. Eine angemessene und gute Ernährung habe dabei zentrale Bedeutung.
„Im Vaterunser bitten und beten wir um unser aller tägliches Brot. Zu den Menschenrechten gehört das Recht auf Nahrung und angemessene Ernährung, ohne die ein menschenwürdiges Leben unmöglich ist“, sagt Kühnbaum-Schmidt. Deshalb gehörten die Folgen des Krieges in der Ukraine für die Welternährung zu den prioritär zu behandelnden Themen. „Gegenwärtig wird durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine nicht nur der dortige Anbau von wertvollen Lebensmitteln erschwert, es ist auch unverantwortlich und menschenverachtend, dass mit der Verhinderung des Getreideexportes aus der Ukraine durch Russland zusätzlich Menschen in anderen Weltregionen, insbesondere aus dem globalen Süden, von diesem Krieg betroffen und von Hunger bedroht sind.“
Aktuell werde der Getreidepreis durch die Verknappung sowie durch die Spekulation an den Getreidebörsen so in die Höhe getrieben, dass die Mittel der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen nicht ausreichten, um angemessene Nothilfe zu leisten. Hohe Lebensmittelpreise in armen Ländern seien wiederum ein Sicherheitsrisiko und ein Anlass für gewaltsame Aufstände und Bürgerkriege, wie die Erfahrungen vergangener Jahre lehrten. Gleichzeitig dürfe man die Welternährungsproblematik nicht allein auf den von Russland verursachten Getreideexportstopp verengen. Hier bedürfe es einer komplexen Transformation unseres weltweiten Ernährungssystems. „Die diplomatischen Anstrengungen zum Export des Getreides aus der Ukraine müssen dringend auf allen Ebenen verstärkt werden. Lebensmittelspekulationen müssen unterbunden werden. Und die Mittel für die Welternährungsorganisation müssen dringend aufgestockt werden, um Hungerkatastrophen und Bürgerkriege in anderen Ländern - vor allem in Afrika - zu verhindern. Als Kirche gilt unsere aktive Solidarität und unsere Fürbitte allen Menschen, die unter Hunger, Mangelernährung und den Folgen des Klimawandels leiden“, so die Beauftragte für Schöpfungsverantwortung.
Zum Themenkomplex Ernährungskrise und Ukrainekrieg wird auf die Stellungnahme von Brot für die Welt hingewiesen: https://www.brot-fuer-die-welt.de/spenden/wuerde/hungerkrise-ukrainekrieg/.
Hannover, 23. Juni 2022
Pressestelle der EKD
Annika Lukas