De Maizière: Bundesrepublik ist "religionsfreundlicher Staat"
Bundesinnenminister würdigt Arbeit religiöser Gemeinschaften
Göttingen (epd). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat Bestrebungen zur Änderung des Verhältnisses von Staat und Kirche in Deutschland eine Absage erteilt. Die Bundesrepublik sei ein neutraler aber "religionsfreundlicher Staat", sagte er am Dienstag in Göttingen. Mit seiner "übergreifend-offenen Neutralität" sei das geltende Religionsrecht das Herz und der harte Kern der freiheitlichen Ordnung in Deutschland. De Maizière sprach bei einer Veranstaltung des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Thema "Religion im säkularen Staat".
Religiös und weltanschaulich neutrale staatliche Institutionen seien heutzutage unabdingbar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer religiös pluralen Welt, sagte der Bundesinnenminister. Sie schafften einen Rahmen, in dem Menschen verschiedenen Glaubens einträchtig miteinander leben können. "Das ist gerade dann wichtig, wenn eine Gesellschaft durch Zuwanderung religiös vielfältiger wird", sagte de Maizière vor rund 200 Zuhörern in der Göttinger Paulinerkirche.
Trotz aller Trennungsprozesse blieben aber auch in einem säkularen Staat Religion und Politik aufeinander verwiesen. Dem Innenminister zufolge besteht die Bedeutung von Religion für die Gesellschaft darin, dass sie einseitigen Ansprüchen von Markt und Staat etwas entgegensetzt. Der Widerspruch gegen die Aufhebung der Sonntagsruhe oder die Abschaffung des Religionsunterrichts seien Beispiele für dieses "Dissens- und Protestpotenzial", ebenso wie die Debatte über Präimplantationsdiagnostik und christlich geprägte Anti-Atom-Bewegungen.
Zudem übernähmen religiöse Gemeinschaften Aufgaben, die der Staat nicht erfüllen könne. In Jugendgruppen, im Kirchenchor oder beim Adventssingen etwa werde Arbeit geleistet, die der Staat nicht organisieren könne, die aber wichtig sei, betonte der CDU-Politiker. In Deutschland sei daher ein Modell entstanden, das zugleich auf grundsätzlicher Teilung und auf Kooperation beruht. "Damit wird auch deutlich, dass religiöse Gemeinschaften weit davon entfernt sind, Hilfstruppen des Staates zu sein", sagte de Maizière.
Die wohl aktuellste Herausforderung des Staatskirchenrechts stelle der Umgang mit dem Islam dar. Der Staat habe gegenüber allen religiösen Gemeinschaften offen und neutral zu sein. Kernpunkt sei vor allem die Frage nach der rechtlichen Anerkennung muslimischer Vereinigungen als Religionsgemeinschaft, damit sie als Kooperationspartner des Staates handeln können. "Ich bin optimistisch, dass wir mit dem bewährten Staatskirchenrecht auch die Integration des Islam in unsere Rechtsordnung gewährleisten können", sagte de Maizière.
Ziel sei die institutionalisierte Kooperation zwischen Staat und Muslimen und deren Organisationen auf der Basis des geltenden Religionsrechts. Bis dahin seien Übergangslösungen gefragt. Als Beispiel nannte der CDU-Politiker die geplanten Beiräte für islamisch-theologische Studiengänge an deutschen Universitäten. Eine fundierte islamisch-theologische Ausbildung sei darüber hinaus auch für die Tätigkeit von Imamen wünschenswert: "Die Einführung islamisch-theologischer Lehrangebote an deutschen Hochschulen ist damit ein wichtiger Baustein zur weiteren Integration."
Mit den Bundesländern werde im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz auch über Zwischenschritte zum vollwertigen islamischen Religionsunterricht beraten, sagte der Innenminister. Vorstellbar ist nach seinen Angaben ein "Vertrag eigener Art" über die Einführung des Religionsunterrichts, der Mitwirkungsrechte islamischer Organisationen vorsieht. Dafür sei die Fantasie von Juristen gefragt.
Seit 2008 veranstalten das Kirchenrechtliche Institut der EKD und der Lehrstuhl für Öffentliches Recht die Reihe "Göttinger Vorträge zu Religion und Recht".
07. Dezember 2010