"Es gibt große Schutzlücken": EKD-Büro zur EU-Flüchtlingspolitik
Bremen/Brüssel (epd). Die Leiterin des Brüsseler Büros der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Hatzinger, kritisiert "große Schutzlücken" für Flüchtlinge, die nach Europa kommen. Darunter litten unter anderem Kinder, sagte die Oberkirchenrätin dem Evangelischen Pressedienst (epd) vor einem ökumenischen "Stadtgespräch" zur Flüchtlingspolitik am Dienstagabend in Bremen.
epd: Frau Hatzinger, Sie kritisieren die Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU. Warum?
Katrin Hatzinger: Das Problem ist ja, dass wir viele Regeln haben, die sehr unterschiedlich in den einzelnen Mitgliedsstaaten angewandt werden. Wir brauchen aber eine einheitliche Asyl- und Flüchtlingspolitik in Europa. Und es gibt weiterhin große Schutzlücken. Die EU muss sich zurückbesinnen auf die Grundlage sämtlichen Flüchtlingsschutzes, auf die Genfer Flüchtlingskonvention. Sie sollte die Richtschnur sein und nicht der Wunsch, Grenzen zu sichern, organisierte Kriminalität zu bekämpfen oder die Überwachung von Grenzen auszubauen. Das ist in den vergangenen Jahren zunehmend passiert.
epd: Wo sehen Sie Schutzlücken?
Hatzinger: Ein Beispiel sind anerkannte Flüchtlinge, die in der Obdachlosigkeit landen. Und wenn man sieht, dass minderjährige Flüchtlinge inhaftiert werden dürfen, dann muss man sich fragen, ob das im Einklang steht mit unseren Vorstellungen von einem menschenwürdigen Umgang. Flüchtlinge gehören nicht in Haft - und Kinder schon gar nicht.
epd: Gibt es denn nach den Katastrophen mit mehr als 400 toten Flüchtlingen vergangenes Jahr vor der italienischen Insel Lampedusa positive Entwicklungen?
Hatzinger: Finde ich eher nicht. Es gab einen kurzen Aufschrei, auf europäischer Ebene hat sich eine Task-Force zum Mittelmeer gegründet, die Vorschläge erarbeitet hat. Aber leider hat der Ausbau des Grenzschutzes weiterhin oberste Priorität. Die EU-Mitgliedsstaaten müssten stattdessen mehr legale Wege für Schutzsuchende öffnen. Die Praxis, Abwehrmaßnahmen auszubauen und Menschen ohne Prüfung ihres Asylbegehrens und ihrer individuellen Situation zurückzuschieben, muss aufhören. Ein Schritt in die richtige Richtung sind die Regeln zum Schutz vor Kollektivausweisungen in der neuen Frontex-Seegrenzen-Verordnung.
Eigentlich wäre jedoch ein politischer Neuanfang nötig, um verschiedene Politikbereiche stärker miteinander zu vernetzen: Migrations-, Asyl-, Entwicklungs- und Handelspolitik. Da fehlen gute Konzepte. Und das größte Problem ist immer noch das Dublin-System, wonach das europäische Ersteinreiseland für das Asylverfahren zuständig ist. Das funktioniert nicht. Da brauchen wir ein vernünftiges Verteilsystem, das mehr Gerechtigkeit für Mitgliedsstaaten und Schutzsuchende garantiert. Eine interessante Option wäre, den Flüchtlingen selbst eine Länderwahl zu ermöglichen und den Zielländern einen finanziellen Ausgleich zu zahlen.
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25. März 2014