EKD-Ratsvorsitzender: Sorge um "Friedensprojekt Europa"
Bedford-Strohm warnt vor rechtsradikalen Parolen auch in Deutschland
Hannover (epd). Die Erfolge von Rechtspopulisten in Europa machen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Sorge: Ihr Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm hofft darauf, dass die Friedensidee in Europa stärker ist als der Nationalismus. Mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) sprach er über die Entwicklung in der EU, das Auftreten von AfD und "Pegida" sowie über die Ängste. die auch Mitglieder der evangelischen Kirche haben.
epd: Zur Jahresbilanz 2015 gehört ein Erstarken des Nationalismus in Teilen Europas. In Frankreich hat der Front National ein beachtliches Ergebnis erzielt. In Polen ist eine rechtskonservative Regierung an die Macht gekommen, die große Vorbehalte gegen alles Fremde hat. Die baltischen Staaten kapseln sich gegen Flüchtlinge ab. Die Entwicklung in Ungarn war dem schon vorausgegangen. Kommt das Friedensmodell der Europäischen Union an seine Grenzen?
Bedford-Strohm: Mir macht diese Entwicklung Sorge, denn das Friedensprojekt Europa ist wichtiger als je zuvor. Die Reaktion kann deswegen auch für uns nicht sein, auf den Kurs des Nationalismus einzuschwenken. Nach der Katastrophe der Weltkriege, bei der uns der Nationalismus in den Untergang geführt hat, ist die Erkenntnis gewachsen, dass am Ende nur Versöhnung und gemeinsame Solidarität allen Menschen in Europa dient. Für diese historische Errungenschaft müssen wir werben. Ich setze darauf, dass auch in den anderen Ländern Europas diese Friedensidee wieder gestärkt wird.
epd: Auch in Deutschland wird Rechtspopulismus stärker. Die "Alternative für Deutschland" verzeichnet derzeit hohe Umfragewerte, zumindest Teile der Partei setzen auf Ressentiments gegen Fremde. Sehen Sie im Erstarken der AfD eine Bedrohung für die Demokratie?
Bedford-Strohm: Wir leben in einer stabilen Demokratie, so schnell sollten wir sie nicht bedroht sehen. In der AfD sind nach meiner Wahrnehmung höchst unterschiedliche Kräfte vertreten. Mit rechtsradikalen Parolen, die eben auch aus Demonstrationen der AfD heraus geäußert werden, ist eine rote Linie überschritten. Deswegen ist es umso wichtiger, dass sie sich glaubwürdig von solchen Parolen distanziert.
epd: Auf Demonstrationen von AfD und "Pegida" werden Politik, Zivilgesellschaft und Medien verächtlich gemacht. Welche Auswirkungen hat das auf das politische Klima?
Bedford-Strohm: Wir müssen sehr wachsam sein, wenn an die Stelle des politischen Diskurses die Hetze gegen Menschen oder Menschengruppen tritt. Worte können als Gift in die Gesellschaft gestreut werden - etwa wenn Politiker als "Volksverräter" bezeichnet werden oder Journalisten als "Lügenpresse".
epd: Ist das noch demokratisch?
Bedford-Strohm: Demokratie lebt vom sachlichen Streit der Argumente und nicht von der emotionalen Aufladung mit Parolen. Die Frage der Integration von Flüchtlingen, die Frage der sozialen Gerechtigkeit - das sind Themen, die diskutiert werden müssen - aber auf Grundlage der Werte des Grundgesetzes.
epd: Wie stark sind die Vorbehalte gegenüber Fremden innerhalb der Kirchengemeinden? Gerade aus ostdeutschen Landeskirchen ist zu hören, dass auch ein Teil von Kirchenmitgliedern empfänglich ist für die Argumente von AfD und Pegida.
Bedford-Strohm: Ich erlebe die evangelischen Gemeinden nicht nur im Westen, sondern auch im Osten als Orte, von denen Initiativen für eine freundliche Aufnahme von Fremden gegen fremdenfeindliche Hetze ausgehen. Die größte Sorge der Deutschen im Zusammenhang mit den Flüchtlingen ist einer kurz vor Weihnachten veröffentlichten EKD-Studie zufolge übrigens keinesfalls die Sorge vor Fremden, sondern vor einem Erstarken des Rechtsradikalismus. Die Studie zeigt auch, dass Menschen, die selbst Flüchtlinge kennengelernt haben, sich weniger sorgen.
epd: Wie soll die Kirche auf die Ängste ihrer Mitglieder reagieren?
Bedford-Strohm: Es gehört zur Verantwortung der Kirche, mit solchen Ängsten umzugehen und Gespräche in Gang zu bringen. Zuversicht und Vertrauen statt Misstrauen und Angst gehören zur DNA des Glaubens. Und die Begegnung mit den anderen kann viele Vorurteile ausräumen. Wer in das Gesicht eines Menschen in Not schaut, der fragt nicht nach dessen Glauben, sondern der lässt sich davon anrühren.
Fragen: Thomas Schiller (epd)