Kirchen kritisieren Abschiebung nach Afghanistan
Frankfurt a.M./Berlin (epd). Die beiden großen Kirchen haben Sammelabschiebungen nach Afghanistan kritisiert. "Kein Mensch darf in eine Region zurückgeschickt werden, in der sein Leben durch Krieg und Gewalt bedroht ist", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums waren zuvor 25 afghanische Männer in ihre Heimat zurückgeflogen worden. Es war die zweite derartige Sammelabschiebung von abgelehnten afghanischen Asylbewerbern vom Frankfurter Flughafen.
Die Maschine startete am Montagabend in Frankfurt am Main und landete am Dienstagmorgen in Kabul. Unter den 25 ausreisepflichtigen Afghanen hätten sich sieben Straftäter befunden, teilte das Bundesinnenministerium am Dienstag mit. Die Diakonie Hessen hatte zunächst von 26 afghanischen Flüchtlingen aus mehreren Bundesländern gesprochen, die abgeschoben worden seien. Am Frankfurter Flughafen demonstrierten am Abend des 23. Januar nach Polizeiangaben 240 Menschen gegen die Sammelrückführung.
"Abschiebung nach Afghanistan durch nichts zu rechtfertigen"
Die Abgeschobenen seien ausschließlich jüngere Männer gewesen, die meisten von ihnen aus Bayern, sagte die Abschiebebeobachterin von Diakonie und Caritas, Melisa Ergül-Puopolo, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Menschen seien ruhig und gefasst gewesen. Zwei weitere Afghanen seien aufgrund von Gerichtsbeschlüssen wieder in ihre Unterkünfte zurückgeschickt worden.
"Die Abschiebung nach Afghanistan ist aus humanitären Gesichtspunkten durch nichts zu rechtfertigen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Hessen, Horst Rühl. Die Bedrohung der Zivilbevölkerung in Afghanistan sei derzeit so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Immer wieder komme es zu Menschenrechtsverletzungen auch durch regierungstreue Kräfte und zu Kriegsverbrechen.
Der Vorsitzende der Migrationskommission der Bischofskonferenz, Erzbischof Stefan Heße, und der Vorsitzende der EKD-Kammer für Migration und Integration, Präses Manfred Rekowski, erklärten, die Sicherheitslage habe sich in Afghanistan im vergangenen Jahr weiter verschlechtert, innerstaatliche bewaffnete Konflikte hätten sich zugespitzt. Dadurch sei auch die Situation in der Hauptstadt Kabul schwieriger geworden. Berichte von Hilfsorganisationen deuteten darauf hin, dass die Rückführungen "humanitär unverantwortlich seien", hieß es.
Jeden Einzelfall prüfen
Die beiden Kirchen sind nicht grundsätzlich gegen die Rückführung von Personen ohne Bleibeperspektive. Abschiebungen in lebensgefährliche Gebiete seine jedoch inakzeptabel, hieß es. "Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob Gefahren für Leib und Leben drohen und ob eine Rückkehr tatsächlich zumutbar ist", verlangten Heße und Rekowski. Rückgeführte Personen sollten weiterhin dabei unterstützt werden, für sich und ihre Familien ein menschenwürdiges Leben aufzubauen.
Zuvor hatten bereits der Paritätische Wohlfahrtsverband und Pro Asyl die Sammelabschiebungen vom Flughafen Frankfurt kritisiert. Die Rückführungen sind umstritten, weil es in weiten Teilen Afghanistans Kämpfe zwischen Regierungstruppen und radikalislamischen Taliban gibt und es immer wieder zu Anschlägen kommt.
Die erste Sammelabschiebung von 34 Afghanen aus Deutschland war Mitte Dezember erfolgt. Im Herbst hatte Deutschland mit Afghanistan ein neues Rücknahmeabkommen getroffen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums leben derzeit rund 11.900 ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige in Deutschland. Von ihnen haben etwa 10.300 eine Duldung. Im vergangenen Jahr kehrten den Angaben zufolge mehr als 3.300 Afghanen freiwillig in ihre Heimat zurück.
24. Januar 2017