Das Osterlamm
Ein Kuchen in Form eines Lammes? Wieso steht der da, neben den bunten Eiern, auf dem Osterfrühstückstisch? Echte Lämmer sind flauschig-weiß, süß und unschuldig. Außerdem tragen sie eine sehr alte Symbolkraft. Anders als der Osterhase ist das Lamm eindeutig ein christliches Symbol. Das wiederum reicht zurück in die Lebenszeit Jesu. Aber was verbindet die Osterlämmer mit dem Glauben an Jesus Christus?
Die Antwort führt zurück in die biblische Wüstenzeit. Damals opferten fromme Nomaden noch Gott zur Ehre Tiere – auch Lämmer. Das unschuldige Lamm, das still zum Opferstein geführt wird: Dieses Bild übertrug der Prophet Jesaja auf einen geheimnisvollen „Gottesknecht“, der seiner Meinung nach kommen und die Welt durch sein Leid von Schuld befreien wird. Wie ein „Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird“, erträgt er das Leid und gibt sein Leben „als Schuldopfer“ hin (Jesaja 52,13 – 53,12). Die ersten Christen glaubten, Jesus Christus sei dieser Gottesknecht. „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“, sagte der Täufer Johannes über Jesus (Johannes 1,29). Mit der Rede vom „Lamm Gottes“ spielten sie auch auf das Passalamm und damit auf das Passafest an, mit dem in der jüdischen Tradition die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Knechtschaft gefeiert wird. Auch die Erinnerung an den „Sündenbock“ klingt darin an, der mit den Sünden der Menschen beladen in die Wüste gejagt wird. In der Apokalypse, dem letzten Buch der Bibel, das die Wirren der Endzeit beschreibt, betet dann die ganze Welt Jesus in Gestalt eines Lammes an: „Dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ (Offenbarung 5,6-14). In der christlichen Liturgie aller Kirchen wird deshalb bis heute das „Agnus Dei“ gesungen: „Christe, du Lamm Gottes, der Du trägst die Sünd der Welt. Gib uns Deinen Frieden“. Und in vielen Kirchen ist ein Lamm abgebildet, manchmal mit einem Kreuz oder einer Siegesfahne, die auf die Überwindung des Todes durch die Auferstehung hinweist. Martin Luther war angetan von dem alten Symbol. „Hier ist das recht Opferlamm, davon wir sollen leben!“, textete er für ein Osterlied, das bis heute in Gottesdiensten gesungen wird.
Jesus als Lamm, Jesus als unschuldiges Opfer: Eines von mehreren uralten Symbolen, die die christliche Theologie bis heute prägen. Ein Aufruf zum Tieropfer ist damit nicht verbunden, im Gegenteil: Das Bild von Jesus als Lamm, das heute auf viele verstörend und fremd wirkt, steht für den Abschied vom alten Opfergedanken. Die ersten Christen drückten damit ihre Gewissheit aus, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist.
Mit dem Glauben an Tod und Auferstehung Jesu Christi wird das Opferdenken also ein für allemal überwunden. Daran erinnert auch das Abendmahl: Gott schenkt seine Liebe bedingungslos. Das ist es, was Christen überall auf der Welt an Ostern feiern: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." (Johannes 3, 16) Ein schöner Grund für die Freude am Ostertisch. Der Osterkuchen in Form eines Lammes erinnert genau daran: An die Liebe Gottes zu den Menschen und zur Schöpfung insgesamt. Und daran, dass das Leben siegt.
Die Bedeutung von Leiden und Sterben Jesu Christi. Ein Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
ISBN 978-3-579-05976-1
Preis 7,99 Euro