Als Ketzer verbrannt
Jan Hus war ein Wegbereiter für die Reformation
Wir werfen einen Blick zurück auf die Reformatoren, die den Protestantismus ab dem 16. Jahrhundert mitgestaltet und geprägt haben. Auch wenn Martin Luther viel im Fokus steht – er war nicht der einzige große Kopf seiner Zeit. Dieser Teil der Reformatoren-Reihe berichtet von Jan Hus.
Seine Überzeugungskraft hat Jan Hus selbst auf dem Weg zum Scheiterhaufen nicht verloren. Als er im Jahr 1414 von Böhmen aus nach Konstanz unterwegs war, zu jenem Konzil, das ihm verhängnisvoll werden sollte, schrieb er täglich seine Erlebnisse auf. Im bayerischen Sulzbach, wo er Station machte, notierte er: „Daselbst im Laubengange sprach ich zu den Ratsherren und älteren Beisitzern: Sehet, ich bin Magister Jan Hus, von dem Ihr, wie ich meine, viel Schändliches gehöret; so fraget mich denn.“ Tag für Tag führte er solche Diskussionen, warb für seine Ideen.
In allen Orten entlang seiner Route wurde er von Menschenmengen erwartet und angestaunt - einen leibhaftigen Ketzer, wie man den böhmischen Reformator bezeichnete, bekamen die Menschen nur selten zu Gesicht. In den Diskussionen, die er auf seiner Reise führte, zeigte sich noch am Schluss seines Lebens die vermutlich prägendste seiner Eigenschaften: die Streitbarkeit. Jan Hus war kein Aufrührer, kein Rebell, sondern ein Gelehrter. Als solcher war er eine der wichtigsten Figuren in der Vorreformation und ein direkter Wegbereiter für Martin Luther, der ein Jahrhundert später viele von Hus' Gedanken aufgreifen sollte.
Der gelehrte, streitbare Prediger
Es wird angenommen, dass Hus um 1370 in dem südböhmischen Dorf Husinec zur Welt kam. Zum ersten Mal ist Jan Hus 1402 in Erscheinung getreten, damals war er um die 30 Jahre alt. In Prag hatte er studiert, und dort wehte damals ein ganz besonderer Wind: Die Karls-Universität war die älteste Mitteleuropas, ein Magnet für Wissenschaftler aus allen Ländern. Unter anderem deshalb wurde Prag zugleich zu einem Zentrum des religiösen Lebens.
Hus wurde 1402 zum Prediger in der Bethlehemskapelle ernannt. Hier auf der Kanzel entwickelte er seine Theorien, von hier aus kritisierte er die römisch-katholische Kirche. Dass da ein streitbarer Prediger auftritt, sprach sich in Prag schnell herum: Bald war die Kapelle jedes Mal gefüllt von Neugierigen, selbst die böhmische Königin soll sich häufig unter den Zuhörern befunden haben. Schicksalhaft war für Jan Hus die Begegnung mit dem Werk des englischen Reformators John Wyclif, der etwa vier Jahrzehnte älter war als Hus. Viele von Wyclifs Gedanken griff Hus auf. Seine Mitstreiter fassten sie später in den sogenannten vier Prager Artikeln zusammen.
Der Kampf gegen den Ablasshandel
In ihnen ging es um die Freiheit der Predigt, die Kommunion in beiderlei Gestalt für die Gläubigen (also Brot und Wein) und die Forderung, dass die Kirche keine weltliche Macht ausüben und nicht nach Besitz streben dürfe. Genau diese klar umrissenen Kritikpunkte machte sich später auch Luther zu eigen, der immer wieder auf die Parallele zu Jan Hus hinwies. Der böhmische Reformator machte zunächst in Prag eine weltliche Karriere: Er wurde zum Rektor der Prager Karls-Universität ernannt – und setzte auch aus dieser Position heraus seine Kritik an der Kirche fort. Als er 1412 gegen eine Ablassbulle kämpfte, mit der die Christen gegen Geld die Vergebung ihrer Sünden erwirken konnten, wurde er mit einem Bann belegt und verließ Prag.
Im Südböhmischen scharte er seine Anhänger um sich, predigte vor der Landbevölkerung und legte damit das Fundament für die hussitische Bewegung, die später entstehen sollte: Der böhmische Landadel kämpfte mit vielen Bauern gegen den katholischen Klerus und den katholischen Adel – aus den religiösen Disputen wurden erbitterte militärische Konflikte, die über mehrere Jahrhunderte hinweg ganz Mitteleuropa in Atem hielten.
Das Todesurteil
Zu dieser Zeit aber war Jan Hus, der mit dem Wort kämpfte und nicht mit dem Schwert, schon längst tot. Sein Leben endete mit einem gebrochenen Wort: Als er sich auf den Weg zum Konzil nach Konstanz machte, wurde ihm freies Geleit versprochen. Er sollte sicher wieder in die Heimat zurückkehren können.
Hus ließ sich darauf ein, weil er in einem akademischen Disput seine Auffassungen verteidigen wollte. Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass er mit einer ernsthaften Auseinandersetzung rechnete und für seine Positionen werben wollte. Zu dieser erhofften Diskussion kam es schließlich nicht. Stattdessen ließen ihn seine Gegner in Haft nehmen und schließlich auf dem Scheiterhaufen als Ketzer verbrennen. Jan Hus starb am 6. Juli 1415 – 68 Jahre vor der Geburt Martin Luthers.
Kilian Kirchgeßner