Schwerpunkte der flüchtlingspolitischen Beschlüsse der EKD-Synode
Migration, Flucht und Menschenrechte
In den vergangenen Jahren hat sich die EKD-Synode durch zahlreiche Beschlüsse in flüchtlings- bzw. migrationspolitischen Fragen positioniert. Dazu zählen sowohl wiederholte grundsätzliche Forderungen – insbesondere nach einer menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik, die Würde, Leib und Leben von Flüchtenden schützt –, wie auch Beschlüsse mit Bezug auf aktuelle Anlässe oder politische Vorhaben. Entsprechend spiegeln sich in den Synodenbeschlüssen die generellen flüchtlingspolitischen Entwicklungen, Debatten und politischen Entscheidungen – u. a. zu AnkER-Zentren, Kirchenasyl, dem europäischen Pakt für Migration und Asyl, der Rettung von Menschen aus Afghanistan oder gegen die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung.
Die nachfolgende Aufstellung bietet einen kursorischen Überblick zu inhaltlichen Schwerpunkten der Beschlüsse der EKD-Synoden der letzten Jahre. Zu einer vollständigen Aufzählung würden v. a. die Beschlüsse zu sehr konkreten Maßnahmen gehören, wie z. B. der Einrichtung einer Enquete-Kommission „Fluchtursachen“. Zu berücksichtigen wären weiterhin thematisch angrenzende Beschlüsse, wie zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“.
Generelle Positionierung
Die EKD-Synode hat sich vielfach und grundsätzlich für den konsequenten Schutz von Ge-flüchteten ausgesprochen, das individuelle Recht auf Asyl verteidigt und die unantastbare Würde aller Menschen betont. Flüchtlinge dürften nicht auf ihren aufenthaltsrechtlichen Status reduziert werden, sondern müssten als Menschen mit Rechten und Würde gesehen werden. Aus dieser Überzeugung forderte die EKD-Synode wiederholt von der EU und der Bundesregierung eine Politik, die sowohl Schutz gewährt als auch Integration fördert, sichere, legale Fluchtwege schafft, faire Asylverfahren ermöglicht, Familien zusammenführt, geltendes Recht achtet, Solidarität gegenüber Geflüchteten nicht kriminalisiert und Fluchtursachen bekämpft.
Europapolitische Forderungen
Die Synode hat sich wiederholt gegen die Verschärfungen des EU-Asylrechts ausgesprochen und die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine humanere und gerechtere Asylpolitik einzusetzen. Insbesondere die Entwicklung des Pakts für Migration und Asyl der EU-Kommission hat die EKD-Synode in Beschlüssen begleitet und sich insbesondere dafür ausgesprochen, dass Grund- und Menschenrechte im Rahmen des geplanten verpflichtenden Screenings vor der Einreise und der vorgesehenen Asylgrenzverfahren eingehalten und durch unabhängige Stellen überwacht werden, dass der Zugang zu Rechtsberatung und effektivem Rechtsschutz garantiert wird und im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung für Asylanträge familiäre und andere bestehende Bindungen zu einem Mitgliedstaat konsequenter berücksichtigt werden. Geflüchtete dürften nicht in unwürdigen, haftähnlichen Aufnahmelagern an der EU-Außengrenze festgehalten werden. Die Seenotrettung unter staatlicher Regie sollte wieder aufgenommen und ein Plan für die solidarische Verteilung von Geflüchteten in der EU umgesetzt werden. Dazu forderte die EKD-Synode Partnerschaften mit Herkunftsländern zur konstruktiven Bekämpfung struktureller Fluchtursachen und die Schaffung beziehungsweise Ausweitung legaler Migrationswege
EU-Außengrenzen
Die Synode hat sich wiederholt und klar zur Menschenrechtslage an den EU-Außengrenzen und den anhaltenden Rechtsbrüchen durch staatliche Akteure positioniert, insbesondere die systematischen illegalen Zurückweisungen („Pushbacks“) von Schutzsuchenden und Migrant*innen als klaren Bruch zum internationalen Völkerrecht benannt. Hierbei hat die Synode gleichermaßen auf die Situation an der kroatisch-bosnischen Grenze, der polnisch-belarussischen Grenze, der griechisch-türkischen Grenze aufmerksam gemacht, wie auch auf die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla sowie die Kanarischen Inseln.
Seenotrettung
Die EKD-Synode hat wiederholt appelliert, dass die europäischen Mitgliedsstaaten ihrer Verantwortung zur Rettung Schiffbrüchiger im Mittelmeer gerecht werden müssten und nicht auf Abschottung, Abschreckung, Push-Backs oder unterlassene Hilfeleistung setzen dürften. Die EKD-Synode fordert europäische Lösungen, die Schutzsuchenden legale Zugangswege ermöglicht, sowie die Rückkehr zu einem umfassenden staatlichen Seenotrettungsprogramm in Nachfolge von „Mare Nostrum“, um das tausendfache Sterben im Mittelmeer zu beenden. Sie betont, dass die EU geltendes Recht respektieren und die Staatengemeinschaft auch als Wertegemeinschaft ernst nehmen muss, anstatt durch eine völkerrechtswidrige Praxis Menschenleben zu gefährden. Die EKD-Synode hat sich zudem für die zivile Seenotrettung ausgesprochen – und gegen ihre Behinderung und Kriminalisierung. 2019 unterstützte die EKD-Synode den Beschluss des Rates des EKD, das Bündnis United4Rescue zur Unterstützung der zivilen Seenotrettung und für den Kauf eines zusätzlichen Rettungsschiffes zu gründen. Die Synode ermutigte alle Landeskirchen, Kirchenkreise, Kirchengemeinden, kirchliche Institutionen und Werke sowie zivilgesellschaftliche Akteure dem Bündnis beizutreten und die Spendenaktionen des Bündnisses zu unterstützen. Als 2023 durch eine Reform des deutsches Aufenthaltsgesetzes drohte, dass die zivile Seenotrettung auch in Deutschland kriminalisiert werden könnte, sprach sich die Synode nicht nur dagegen aus, sondern bekräftigte ihre bisherigen Forderungen durch die Bitte an den Ständigen Haushaltsausschuss, eine EKD-weite Kollekte im Jahr 2025 für United4Rescue vorzusehen.
Familiennachzug
Die Synode hat sich wiederholt für die Stärkung und Beschleunigung des Familiennachzugs eingesetzt, insbesondere für subsidiär geschützte Flüchtlinge. Auch zu Fragen der Ausgestaltung hat sie konkrete Forderungen erhoben, u. a. zur Beschleunigung durch alternative Glaubhaftmachung der Identität und Familienverhältnisse sowie schnellere Visaverfahren. Die Synode betont die „hohe Bedeutung der Familieneinheit“, weshalb die Familienzusammenführungen möglichst reibungslos vergeben und ausgeschöpft werden sollten. 2019 bekräftigte die Synode ihre Forderungen durch den Beschluss zur Fortsetzung des Fonds „Familienzusammenführung“ von EKD und Diakonie Deutschland.
Kirchenasyl
Die Synode der EKD hat sich beim Kirchenasyl dahingehend positioniert, dass das BAMF die ursprüngliche Vereinbarung respektieren und den Ermessensspielraum beim Kirchenasyl voll ausschöpfen müsse. Dazu gehört insbesondere, dass seitens des BAMF der direkte Kontakt zu den kirchlichen Ansprechpartnern wieder gesucht wird, die Dossiers nicht allein formal, sondern unter dem Gesichtspunkt der geschilderten besonderen humanitären Härte im Einzelfall beurteilt werden sowie angemessene Fristen für die Begründung der besonderen humanitären Härte im Einzelfall eingeräumt werden. Die Verlängerung der Überstellungsfrist für Menschen im Kirchenasyl auf 18 Monate hat die Synode aus ihrer Sicht für rechtswidrig erklärt.
Afghanistan
Nach dem Truppenabzug aus Afghanistan 2021 forderte die EKD-Synode im Beschluss „Niemanden preisgeben“ ein großzügiges deutsches Resettlement-Kontingent für besonders schutzbedürftige afghanische Flüchtlinge bereitzustellen, Bundes- und Landesaufnahmeprogramme, schnelle Rettungsmaßnahmen für akut Verfolgte, einen beschleunigten Familiennachzug sowie einen sicheren Aufenthaltsstatus für alle in Deutschland lebenden Afghan*innen.
Gutes Ankommen & Integration
In unterschiedlichen Beschlüssen hat die EKD-Synode darauf aufmerksam gemacht, dass ein gutes Ankommen für Flüchtlinge von zahlreichen Faktoren abhängt – insbesondere auch von der Familieneinheit. Sehr kritisch hat sich die Synode in der Frage der sogenannten Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückkehrzentren (AnkER-Zentren) und vergleichbaren Einrichtungen positioniert, in denen Schutzsuchende bis zu anderthalb Jahre, mitunter sogar mehrere Jahre, leben müssen und Familien bis zu sechs Monate. Die Synode betonte, dass niemand über längere Zeit in dieser Weise untergebracht leben könne, ohne Schaden zu nehmen. Da zudem ehrenamtliche Helfer, Beratungsstellen und Rechtsbeistände kaum Zugang bekommen und Kinder und Jugendliche ungenügend beschult werden, fordert die EKD-Synode die Abschaffung der AnkER-artigen Einrichtungen und fordert eine Erstaufnahme, bei der den Geflüchteten ein gutes Ankommen ermöglicht wird und bei der sie würdig und schnellstmöglich dezentral leben können. Dazu zählt für die EKD-Synode eine „inklusive Integrationspolitik“, die Teilhabe und sozialen Ausgleich für Benachteiligte und Geflüchtete fördert, insbesondere die kommunale und Quartiers-Ebene berücksichtigt, Stadtplanung und Quartiersentwicklung mit den Bedürfnissen von „Hiesigen und Geflüchteten“ verbindet und eine „Integration von Anfang an“ ungeachtet der Bleibeperspektive oder des Asyl-Status ermöglicht.
Beschlüsse zum Thema "Flucht" von 2015 - 2023
- 1. Tagung der 12. Synode - Mai 2015 - Würzburg
- 2. Tagung der 12. Synode - November 2015 - Bremen
- 3. Tagung der 12. Synode - November 2016 - Magdeburg
- 4. Tagung der 12. Synode - November 2017 - Bonn
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5. Tagung der 12. Synode - November 2018 - Würzburg
Beschluss zu einer solidarischen und menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik in der EU
Beschluss zum Umgang mit Kirchenasyl in sogenannten Dublinfällen
Beschluss zum Familiennachzug zu subsidiär Geschützten
Beschluss zu: Junge, volljährige Geflüchtete besser unterstützen, bilden, beraten
Beschluss zu Gefahren des Rechtspopulismus – Kirche und Gesellschaft demokratisch gestalten
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6. Tagung der 12. Synode - November 2019 - Dresden
Kundgebung „Kirche auf dem Weg der Gerechtigkeit und des Friedens“
Beschluss zur Unterstützung der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer
Beschluss zur Neuausrichtung der europäischen Asyl- und Migrationspolitik
Beschluss zum Familiennachzug zu subsidiär Geschützten
Beschluss zur Fortsetzung des Fonds Familienzusammenführung
Beschluss zu „Gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere – Notfallhilfe im Krankenhaus“
- 7. Tagung der 12. Synode - November 2020 - digital
- 2. Tagung der 13. Synode - November 2021 - Bremen digital
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3. Tagung der 13. Synode - November 2022 - Magdeburg
Beschluss zu Frieden – Gerechtigkeit – Bewahrung der Schöpfung
Beschluss zur Menschenrechtslage an den Außengrenzen der EU
Beschluss zur Situation von Geflüchteten
Beschluss zu Bundesaufnahmeverfahren für gefährdete AfghanInnen
Beschluss zu Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft gesetzlich verankern!
- 4. Tagung der 13. Synode - November 2023 - Ulm