Sonne, Sand und Segen
Christliche Kirchen feiern großes Tauffest an der Nordseeküste
Taufen unter freiem Himmel haben Konjunktur. Immer mehr Familien entscheiden sich für Gottes Segen mit Wasser aus der Natur, besonders gerne aus einem Fluss. Das hat mit der Taufe Jesu im Jordan sogar ein biblisches Vorbild.
Bremerhaven (epd). Der Blick geht weit über die Unterweser, die sich hier von einem Ufer zum anderen fast zwei Kilometer ausbreitet. Ein paar Steinwürfe entfernt grüßt die sonnenüberstrahlte Silhouette Bremerhavens. Das ist die Kulisse für ein ökumenisches Tauffest, das die christlichen Kirchen der Seestadt am Sonntag direkt am Weserstrand gefeiert haben. Es ist das größte dieser Art in diesem Jahr an der Nordseeküste und in der hannoverschen Landeskirche, die ein „Jahr der Taufe“ feiert.
„Lasst uns alle miteinander und füreinander ein Segen sein“, ruft der evangelische Pastor Malte Plath den mehr als 1.400 Gästen im Bremerhavener Weserstrandbad in einem Open-Air-Gottesdienst zu. Dann setzen sich die Familien mit ihren insgesamt 119 Täuflingen vom Baby- bis zum Erwachsenenalter in Bewegung. Sie gehen ein paar Schritte über den feinen Sandstrand zu den elf Taufstationen direkt am Flutsaum. 20 Pastorinnen und Pastoren teilen dort mit ihren Talaren im Wasser stehend den Segen Gottes aus. Stets mit Flusswasser, das heute noch einigermaßen kühl die Füße umspült.
Unter ihnen sind auch Alexander Pröhl und Carol Mertins mit ihrer zweijährigen Tochter Emma-Rose. Sie seien von der besonderen Atmosphäre und der traditionellen Art der Taufe begeistert, berichtet Papa Pröhl. Eigentlich habe das Kind schon gleich nach der Geburt getauft werden sollen, doch Corona habe der Familie einen Strich durch die Planungen gemacht. „Jetzt holen wir das nach“, sagt der 27-Jährige und schaut beglückt auf die Festszenerie am Weserstrand.
„Wir erleben, dass die Taufe unter freiem Himmel vielen Menschen ganz unmittelbar den Horizont öffnet für das Geschenk dieses Sakraments, für Gottes Lebensbegleitung“, sagt der hannoversche Landesbischof Ralf Meister. Die wachsende Zahl derartiger Tauffeste bestätigt ihn, im Sommer zieht es Taufgesellschaften in ganz Deutschland mit oft Hunderten von Gästen immer öfter ans Wasser. Die einen fasziniert der Ort, andere eine Partystimmung, die sie sonst in der Kirche vermissen.
Die Feste lehnen sich theologisch an die biblisch überlieferte Taufe Jesu im Jordan an. Alleine in Niedersachsen und Bremen planen evangelische Gemeinden 50 große Tauffeste an besonderen Orten, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Landeskirchen ergab. Getauft wird an Flüssen und Seen, im Meer, an Brunnen und in Schwimmbädern, in Parks oder im Wald. Oft wird dabei Wasser aus der Natur verwendet.
Die nächste große Aktion ist am kommenden Sonntag (19. Juni) mit 60 Täuflingen und rund 500 Gästen an der Weser in Bremen geplant. Mit den Angeboten sollen auch ausgebliebene Taufen aus der Corona-Zeit nachgeholt werden. „Man konnte ja zeitweise nicht mal zu Hause mit der Familie und den Angehörigen zusammen sein“, sagt der hannoversche Tauffest-Koordinator und Pastor Stephan Lackner. Gleichzeitig hätten viele Familien den Wunsch, eine Taufe zu feiern.
Am Ende des Bremerhavener Tauffestes mögen sich viele Familien gar nicht lösen und bleiben noch zu Erinnerungsfotos am Strand stehen. Im Hintergrund ziehen große Schiffe am Horizont vorbei und sorgen für Wellen, die vor allem die Kinder quietschen lassen. Es sei ein tolles Gemeinschaftserlebnis gewesen, bilanziert begeistert Pastor Sebastian Ritter, Mitorganisator und stellvertretender Superintendent des hannoverschen Kirchenkreises Bremerhaven. „Und trotzdem gibt es intime Momente - nämlich direkt bei der Taufe im Weserwasser.“
Von Dieter Sell (epd)