„Ich habe eine Stimme und diese Stimme kann ich benutzen“

Wie Pfarrerin Pöhlmann die Kirche bei der UNO in New York unterstützt

Pfarrerin Rebekka Pöhlmann vor der UN-Flagge

Nach ihrer Ordination könnte Rebekka Pöhlmann bereits eine Gemeinde leiten. Doch nach verschiedenen Auslandsaufenthalten stand für sie fest: „Bevor ich in die Gemeinde gehe, will ich noch mal ein Jahr lang was anderes machen.“ So landete sie bei der UNO.

Von der Besuchertribüne der UNO-Vollversammlung in New York aus hat Pfarrerin Rebekka Pöhlmann freie Sicht auf das Rednerpult vor der goldenen Wand, auf der das übergroße Logo der Vereinten Nationen prangt. Wenn die Vertreter der 193 Mitgliedsstaaten über Migration, Geschlechtergerechtigkeit oder Menschenrechte debattieren, hört die 31-Jährige aus Bayreuth aufmerksam zu und macht sich Notizen.

Die könnten später hilfreich werden. Denn dann überlegt sie mit ihren Kollegen, wie sie mit den neuen Informationen die kirchlichen Interessen in der UNO besser voranbringen können. Seit September arbeitet Pöhlmann für das UNO-Büro des Lutherischen Weltbunds, zu dem auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) zählt. Insgesamt vertritt die Dachorganisation weltweit mehr als 75 Millionen Christen.

„Die kirchliche Landschaft in den USA ist viel diverser als in Deutschland“, sagt Pöhlmann. Und genau das findet die junge Frau mit den braunen Locken spannend. Denn um in einer so großen Institution wie der UNO Einfluss auf politische Themen nehmen und etwas bewirken zu können, müssen die Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten, betont sie.

Spezialvikariat bei der UNO

Vom UNO-Hauptquartier, in dem die internationalen Sitzungen stattfinden, muss die Theologin nur zwei Minuten gehen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen. Auf der anderen Straßenseite der First Avenue in Manhattan liegt das Kirchenzentrum der Vereinten Nationen. In dem Hochhaus aus den 1960er Jahren haben neben den Lutheranern unter anderem auch Methodisten, Mennoniten, Quäker und katholische Orden ihre Büros. Im Erdgeschoss gibt es eine Kapelle, die Gläubigen aller Religionen offensteht.

Pöhlmann ist in der Nähe von Bayreuth aufgewachsen. Ihr Vikariat hat sie in der oberpfälzischen Diaspora absolviert. Nach ihrer Ordination im vergangenen Sommer könnte sie bereits eine bayerische Gemeinde leiten. Doch nach Auslandsaufenthalten und Reisen nach Ungarn, Israel und in den Iran stand für sie fest: „Bevor ich in die Gemeinde gehe, will ich noch mal ein Jahr lang was anderes machen.“ Deshalb hat Pöhlmann ihre Pfarrausbildung bei der bayerischen Landeskirche um ein Jahr verlängert und macht ein Spezialvikariat.

„Wir wollen den Blick weiten für alle Arbeitsfelder in unserer Landeskirche“

Mit dem Angebot will die Kirche angehenden Pfarrern ermöglichen, andere kirchliche Berufe kennenzulernen, sagt Kirchenrätin Isolde Schmucker, Referentin für Ausbildung und Personalentwicklung der bayerischen Landeskirche: „Wir wollen den Blick weiten für alle Arbeitsfelder in unserer Landeskirche.“ Etwa vier Theologen aus Bayern sammeln so jedes Jahr Erfahrungen unter anderem in der Tourismus- oder Krankenhaus-Seelsorge, der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit oder der Organisation des Kirchentags. Auch Einsätze im Ausland sind möglich. Sie können in einer der deutschen Gemeinden oder in der Entwicklungsarbeit weltweit helfen – oder sich bei internationalen kirchlichen Vereinigungen wie dem Lutherischen Weltbund engagieren.

Die politische Arbeit gefällt Pöhlmann – auch wenn sie mühsam ist und es nur in kleinen und langsamen Schritten vorwärts geht. „Ich habe eine Stimme und diese Stimme kann ich benutzen.“  Bei der UNO könne sie sich aktiv für etwas einsetzen. Das sei eine Chance, die vielen Menschen auf der Welt verwehrt bliebe, unterstreicht sie. Zusammen mit ihren Kollegen in New York lädt Pöhlmann Frauen und Männer aus der ganzen Welt ein, um zum Beispiel ihre Standpunkte zum Thema Migration zu hören.

Sie halten Kontakt zu christlichen Hilfsorganisationen in Krisengebieten, um zu erfahren, wie die Situation vor Ort ist und welche Unterstützung die Helferinnen und Helfer dort brauchen. Sie schreiben offene Briefe und sammeln Unterschriften hochrangiger Kirchenvertreter, um die US-Regierung dazu zu bringen, Gelder für ein Krankenhaus in Jerusalem wieder freizugeben. Sie schreiben Berichte über Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Sie fordern ihre Partner und Gäste auf, UNO-Repräsentanten anzusprechen und bestimmte Themen mit ihnen zu diskutieren.

Menschen setzen sich dafür ein, „dass es besser wird“

Doch Pöhlmann weiß: Die Instrumente, mit denen sie Einfluss auf Haltungen und Positionen der Diplomaten nehmen können, sind begrenzt und sehr indirekt. „Man darf sich nicht einbilden, dass man mit ein paar Hochglanzpapieren die Welt rettet“, sagt sie. Trotzdem findet Pöhlmann ihre Arbeit bei den UN sinnvoll, auch mit Blick auf ihr späteres Berufsleben. „Ich halte nicht viel davon, nur in der eigenen kleinen Blase zu leben“, sagt die Theologin. „Weil man schnell das Weltweite vergisst und die eigenen Probleme so groß werden.“

Und noch eine wichtige Erkenntnis hat Pöhlmann aus der Arbeit für die UNO schon gewonnen: Wer die Weltpolitik in den Nachrichten verfolge, verliere schnell die Hoffnung – wenn beispielsweise der Krieg in Syrien oder der Hunger im Jemen immer weitergehen. Nach ihrer Erfahrung in New York weiß sie aber: „Es gibt Leute, die sind an dem Thema dran. Es gibt Menschen, die sich dafür einsetzen, dass es besser wird.“

Katharina Hamel (epd)/ekd.de