Theologe: Kluge Nutzungen für leerstehende Kirchen finden
Marburg (epd). Angesichts finanzieller Schwierigkeiten wollen sich die Kirchen von Gebäuden trennen - doch so einfach wird das nach Aussage des Marburger Theologen Thomas Erne nicht. "Mit dem Verkauf oder Abriss ihrer Gebäude kommuniziert die Kirche ihren eigenen Verfall", sagte Erne dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wenn die Kirche Hand an ihre Gebäude legt, fällt das auf sie zurück." Der Direktor des EKD-Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart an der Universität Marburg riet daher dazu, nur jene Gebäude zu verkaufen, "die nicht symbolisch aufgeladen sind".
Die evangelische und die katholische Kirche besäßen deutschlandweit 50.000 Kirchen, außerdem Pfarrhäuser, Gemeindezentren, Kindergärten. Sie gehörten damit zu den größten Immobilienbesitzern. Statt einfach zu verkaufen oder abzureißen riet er den Kirchen, selbst als Immobilien-Agentur aufzutreten und die Gebäude "so zu verwerten, dass man Gewinn mit ihnen macht". Sie könnten in den Immobilienbestand investieren und "kluge" Nutzungen entwickeln, etwa generationenübergreifendes Wohnen, alternative Wohnprojekte oder hybride Nutzungen gemeinsam mit Bürgerhäusern, Sozialkaufhäusern oder medizinischen Zentren.
Zahlreiche Beispiele gebe es bereits. In Freiburg sei eine Kirche zu Wohnungen umgebaut worden. In Bochum-Stahlhausen habe die in den vergangenen Jahren geschrumpfte Gemeinde nur einen kleinen Anteil an der Kirche behalten, sie nutze nur den Altarraum. Der Rest sei ein Stadtteilzentrum - samt interkulturellem Treffpunkt. In Neustadt am Rennsteig vermarkte die Gemeinde ihre Kirche über Internetplattform "Airbnb": Leute aus aller Welt bleiben eine Nacht, werden im Pfarrhaus bewirtet, während die Gemeinde weiterhin ihre Gottesdienste in der Kirche feiert.
In den Städten seien viele "intelligente Formen" denkbar - fraglich bleibe, was aus den 30.000 Dorfkirchen werde. "Viele Kirchen stehen dort, wo sowieso alle wegwollen", sagte Erne. Während Sparkasse und Einzelhandel längst verschwunden sind, blieben in den kleinen Orten oft nur noch Verwaltung und Kirche übrig. Diese müssten Bündnisse schmieden und gemeinsam versuchen, "die Region stark zu machen".
Man könne Kirchen auch vorübergehend leer stehen lassen und hoffen, dass zukünftige Generationen eine Lösung finden. So handhabe es die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland. Man müsse sich aber auch von etwas verabschieden können. Es gebe Gebäude, die architektonisch und strukturell nicht mehr sinnvoll seien, sagte der Theologe. Diese könne man abreißen, auf dem Gelände einen Kindergarten bauen oder "einfach mal gar nichts bauen".