Theologen-WG mit olympischem Geist

Barbara Franke erlebt Olympia als Pfarrerin der Christuskirche Paris

Paris (epd). Hoch über der Rue Blanche hat Barbara Franke die Schlafsofas ausgeklappt und die Ablage vorm Badezimmerspiegel freigeräumt: Wenn am 26. Juli in Paris die Olympischen Sommerspiele beginnen, wird nicht nur die französische Hauptstadt zur Gastgeberin, sondern auch die Pfarrerin der evangelischen Christuskirche. Drei Wochen lang beherbergt die 62-Jährige in ihrer Drei-Zimmer-Wohnung, zentral zwischen Montmartre und den Galeries Lafayette gelegen, mit Thomas Weber und Elisabeth Keilmann die beiden Olympia-Seelsorger der evangelischen und der katholischen Kirchen.

Wenn am 26. Juli in Paris die Olympischen Sommerspiele beginnen, wird nicht nur die franzoesische Hauptstadt zur Gastgeberin, sondern auch die Muenchner Pfarrerin Barbara Franke (Archivfoto) der evangelischen Christuskirche.

Auf die Theologen-WG und das ein oder andere gemeinsame Frühstück freut sich Franke: „Das wird unkompliziert, und ich bekomme Einblicke und erfahre etwas aus der Welt der Athleten.“ Über 400 deutsche Sportlerinnen und Sportler haben sich für die Spiele qualifiziert, die zum dritten Mal nach 1900 und 1924 an der Seine stattfinden und bis 11. August dauern.

Hotspot für sie und ihre Fans wird das Rugby Stadion „Jean Bouin“, wo das „Deutsche Haus“ untergebracht ist. Am liebsten würde Barbara Franke dort auf quasi diplomatisch-deutschem Boden einen ökumenischen Olympia-Gottesdienst mit den beiden Sportkollegen feiern. Ob das klappt, ist auch kurz vor Beginn der Spiele noch nicht klar. Denn im streng laizistischen Frankreich ist die Ausübung von Religion im öffentlichen Raum verboten.

Das bestimmt auch abseits von Olympia das Leben der „Église Protestante Allemande“, der evangelischen Gemeinde deutscher Sprache. Es beginnt damit, dass die kleine Gemeinde mit ihren derzeit rund 380 Mitgliedern als „Kultverein“ eingetragen ist und von den Beiträgen, die zwischen 40 und 65 Euro pro Monat liegen, Personal- und Sachkosten selbst finanziert. Und es endet damit, dass Barbara Franke jeden Martinsumzug für die Kleinen aus der gut besuchten Krabbelgruppe bei den Behörden als Demonstration anmelden muss. Auch die Sicherheitsauflagen der Stadt verhindern einladende Offenheit: „Die Kirchentür ist magnetgesichert, wir brauchen für jeden Gottesdienst und jedes Konzert einen Türdienst“, sagt Franke: „Niemand kann hier einfach mal so reinschauen.“

Schon als Münchner Pfarrerin hatte die Theologin zehn Jahre lang die Partnerschaft zwischen einigen evangelischen Münchner und den lutherischen Gemeinden in Paris organisiert. Als dann die Stelle an der 130 Jahre alten Christuskirche mit ihrer stadtbekannten Akustik und ihrem umfangreichen Konzertprogramm frei wurde, brauchte die Pfarrerin und Musikliebhaberin noch einen Schubs von Ehemann und erwachsener Tochter, um sich auf die sechsjährige Trennung und das Abenteuer Paris einzulassen.

Nun ist die Seelsorgerin schon seit drei Jahren zuständig für deutsche Seniorinnen, die einst ihren französischen Männern folgten, für Au-pairs oder Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, die eine Wohnung im Gemeindehaus haben, sowie für Botschafts- oder Firmenangehörige, die den Anschluss an die evangelische Kirche suchen - oft über die Kinder, die Barbara Franke in der sechsten und achten Klasse der Internationalen deutschen Schule unterrichtet und konfirmiert.
 

Andererseits macht die Pfarrerin selbst Erfahrungen, wie sie für „Expats“ typisch sind: Engere Kontakte mit den Einheimischen zu knüpfen, ist für Zugereiste nicht leicht. „Das Leben der Familien in Paris ist so übervoll, dass sie schlicht keine Zeit für neue Kontakte haben“, stellt Franke fest.

Normalerweise nutzt die Pfarrerin den ruhigeren August für die Hausbesuche bei ihren Gemeindemitgliedern, die in einem Umkreis von 80 Kilometern wohnen. Doch diesmal steht Olympia im Vordergrund. Die Sicherheitsvorkehrungen sind scharf - die Terroranschläge auf Charlie Hebdo und das Bataclan Theater 2015 sind in Paris noch allzu präsent. Anwohner kommen nur noch mit Sicherheitscode in ihre Stadtviertel, Taschenkontrollen und U-Bahn-Patrouillen sind an der Tagesordnung. Auch der Ansturm von geschätzt 15 Millionen Gästen auf den Nahverkehr sorge bei vielen Parisern für einen Fluchtreflex, berichtet die Pfarrerin. „Viele verlassen im Sommer sowieso die Stadt, jetzt ganz besonders.“

Franke selbst will sich dennoch das Erlebnis von Olympischen Spielen nicht nehmen lassen: „Das ist doch eine einmalige Geschichte im Leben!“ Außerdem hat sie sich auf Anfrage des deutschen Konsulats bereit erklärt, im Team der Notfallseelsorge mitzumachen. Natürlich hoffe sie, „dass es einigermaßen friedlich bleibt“. Im Idealfall werde sie nur für die typischen Sorgen deutscher Touristen da sein: wenn das Portemonnaie gestohlen wurde, der Pass verloren ging oder das Hotel doch kein Zimmer frei hat. „Ich möchte bei diesem Großereignis einfach einen kleinen Beitrag leisten und ein bisschen diakonisch wirken, wo es gebraucht wird“, beschreibt Franke ihr Selbstverständnis während der Spiele.