Erzählen gegen die „nackten Tatsachen des Grauens“
Leitender Bischof der VELKD, Landesbischof Ralf Meister, eröffnet die Generalsynode mit einem Plädoyer für biblische Sprachformen
Zu Beginn seiner Rede drückte Meister seine Erschütterung aus über den „Ausbruch von Gewalt gegenüber Jüdinnen und Juden, die Ausweitung antisemitischer Hetze und antiisraelischer Kritik, die auch die Existenz des Staates Israel betrifft“. Vor diesem aktuellen Hintergrund stelle sich das vor einem Jahr gewählte Synodenthema „Sprach- und Handlungsfähigkeit im Glauben“ in einer neuen Perspektive dar, sagte der Bischof in seinem Bericht auf der 4. Tagung der 13. VELKD-Generalsynode in Ulm. „Mit welchen Erzählungen und in welcher Sprache stattet uns unser Glaube aus, damit wir in Ratlosigkeit, Trauer, ja Verzweiflung handlungsfähig bleiben? Welche Worte und Berührungen halten uns selbst? Wo empfangen wir Trost und Hoffnung und geben sie weiter? Was hilft in diesen finsteren Zeiten?“
Angesichts des Grauens setze er auf die Erzählung: „Ich glaube: Erzählen hilft. Sich etwas erzählen zu lassen genauso wie selbst zu erzählen.“ Dabei gehe es nicht darum, in schöne Geschichten zu flüchten und die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. „Es geht um das, was Robert Musil den ‚Möglichkeitssinn‘ nannte: den Freiheitsraum zu erschließen, in dem es eben nicht nur die eine, unausweichlich erscheinende Option gibt, sondern auch Alternativen“, führte der Bischof aus. „Geschichten stellen uns vor Entscheidungen, weil wir uns zu ihnen im Prozess des Verstehens verhalten müssen. Entscheidungen bringen uns ins Handeln. Handeln setzt die Energie frei zum Weiterleben.“
Die drei wichtigsten Welterzählungen, die derzeit die Debatten bestimmen und zu denen die Bibel etwas beitragen könne, seien die Geschichten vom friedlichen Zusammenleben, von der Gleichwertigkeit aller Menschen und vom Leben in der Schöpfung. „Zu allen drei Weltdichtungen antwortet Gott durch Erzähler:innen der Bibel. Es sind Erzählungen, in denen wir unsere Maßstäbe schärfen, Irrwege erkennen und sträfliches menschliches Versagen eingestehen.“ Die biblischen Geschichten könnten nicht die Weltprobleme lösen. Aber sie seien „unser bleibender geistlicher und theologischer Ausgangspunkt, dem wir verpflichtet sind. Nur mit ihnen bleiben wir in dieser Welt glaubwürdig, so dass sogar Agnostiker uns weiterhin zuhören.“
Am Samstag, den 11. November, befasst sich die Generalsynode mit dem Themenschwerpunkt „Lutherische Identität“, am Sonntag mit dem Bericht des Catholica-Beauftragten der VELKD, Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke.
Den kompletten Bericht des Leitenden Bischofs können Sie hier herunterladen.
Hinweis: Die 4. Tagung der 13. Generalsynode findet vom 10. bis 13. November in Ulm in Verbindung mit der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Versammlung der Union Evangelischer Kirchen (UEK) statt. Informationen, Berichte und Bilder finden Sie hier: www.velkd.de/generalsynode2023.
Ulm, 10. November 2023
Pressestelle der VELKD
Dr. Frank Hofmann
Pressesprecher