Verschollene Fundstücke aus Luthers Grab
Braunschweiger Ruhestandspastor macht eine ungewöhnliche Entdeckung
Braunschweig/Wittenberg (epd). Das Grab des Reformators Martin Luther (1483-1526) sollte verschlossen bleiben. Kaiser Wilhelm II. hatte eine Graböffnung ausdrücklich verboten. So beginnt ein „archäologischer Krimi“, den der ehrenamtliche Leiter der Goslarschen Marktkirchen-Bibliothek und Theologe Helmut Liersch erforscht hat. Im Jahr 1892 fand dennoch eine heimliche Grabung statt, wie Liersch berichtet. Sogar „Beweisstücke“ wurden aus dem Grab des Reformators entnommen. Ein Teil davon galt lange als verschollen und ist nun nach mehr als 100 Jahren in Braunschweig wieder aufgetaucht. Die Fundstücke wurden nun an das Lutherhaus in Wittenberg übergeben.
Über Jahrzehnte lagerte eine kleine Schachtel im Pfarrhaus von Ruhestandspastor Martin Quandt. Erst kürzlich habe er herausgefunden, was sich im Nachlass seines Urgroßvaters, damals Superintendent in Wittenberg, befindet, berichtet er: Ein wenige Zentimeter großes Zinkstück, das von der Innenverkleidung des Luther-Sarges stammt und eine mit Rostpartikeln gefüllte Streichholzschachtel mit einer beigelegten Notiz „Aus Luthers Grabe zu Wittenberg“. Zudem noch vier Schriftstücke.
Gemeinsam mit Bibliotheksleiter Liersch begab sich Quandt im vergangenen Jahr auf die Spuren der geheimnisvollen Grabung. Ende des 19. Jahrhunderts hätten ein Baumeister und sein Maurerpolier trotz des kaiserlichen Verbots der Versuchung nicht widerstehen können, erzählt Liersch. „Sie wollten nachschauen, ob der Reformator wirklich in der Wittenberger Schlosskirche begraben liegt.“ Während der Sanierung der Kirche bot sich die Gelegenheit für die geheime Aktion.
Der Maurerpolier verriet das Geheimnis der verbotenen Grabung
In Wittenberg habe sonst niemand von der Grabung gewusst. Nur durch Zufall habe der beteiligte Maurerpolier Jahre später einem Touristen in der Kirche erzählt, dass Luther entgegen anderslautender Gerüchte tatsächlich dort begraben sei. „Eine sensationelle Auskunft“, betont Liersch. So habe auch Quandts Urgroßvater davon erfahren.
Kurze Zeit später enthüllt ein wissenschaftlicher Bericht, dass sogar „Beweisstücke“ aus dem Grab entnommen wurden. Eine weitere Sensation, die aber kaum zur Kenntnis genommen wurde, sagt Liersch. Niemand habe nach den Fundstücken gefragt. Die Pappschachtel wanderte in Quandts Besitz und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Der Maurerpolier übergab im Jahr 1913 schließlich einen Handgriff vom Sarg, ein weiteres Fundstück, an das Wittenberger Lutherhaus.
An diese größte reformationsgeschichtliche Sammlung der Welt hat nun auch Quandt die lange verschollen geglaubten Fundstücke überreicht. Im Privateigentum seien diese nicht gut aufgehoben, betont der Theologe. „Dann geht es eventuell verloren, das will ich auf keinen Fall.“