Zur Situation und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
Eine Ergänzung zu den Empfehlungen der EKD und des E-TFT „Das Zusammenwirken von Landeskirchen und Theologischen Fakultäten in Deutschland“, 2018
2. Situations- und Problemanalyse
Die Qualifikationsphase ist für Promovierende sowie Habilitierende vielfach von Unsicherheit geprägt. Dass die wissenschaftliche Laufbahn am Ende in die Übernahme eines Lehrstuhls an einer Theologischen Fakultät bzw. einem Institut mündet, kann über lange Zeit nicht abgesehen werden.
Angesichts veränderter Berufsbiographien, die nicht mehr einlinig in einen bestimmten Beruf führen, gerät der wissenschaftliche Nachwuchs unter Entscheidungsdruck, wenn eine wissenschaftliche Qualifikation angestrebt wird und zugleich Altersgrenzen gesetzt sind, die eine weitere kirchliche Ausbildung verhindern können (zum Beispiel durch das Eintrittsalter in das Vikariat). Altersgrenzen in der grundständigen Pfarrausbildung können zudem in Widerspruch zu berufsbegleitenden Studiengängen geraten und werden der Studien- und Qualifikationsrealität (Probleme mit Leistungsanerkennungen, Auslandsaufenthalte, unterschiedliche Finanzierungsmodelle von Promotionen) mitunter nicht gerecht, insofern sich im Kontext der wissenschaftlichen Qualifikationsphase zeitliche Anforderungen an Qualifikandinnen und Qualifikanden stellen, die Altersgrenzen aus der Sicht des wissenschaftlichen Nachwuchses unrealistisch erscheinen lassen.
Hier muss man sich besonders die Situation der Privatdozentinnen und Privatdozenten vergegenwärtigen. Für diese Gruppe könnte auch noch im fortgeschrittenen Lebensalter eine Aufnahme in den kirchlichen Dienst ermöglicht werden. Angesichts der Tendenz zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit und des Bedarfs der Kirchen an qualifiziertem Nachwuchs sollte diese besonders qualifizierte Gruppe von Theologinnen und Theologen nicht etwa mit dem Hinweis auf Altersgrenzen abgewiesen werden. Eine deutliche Empfehlung wäre an dieser Stelle, die Altersgrenzen zu überprüfen.
Die Situation der Wissenschaftlerinnen in der Postdoc-Phase ist gesondert in den Blick zu nehmen. Nach der Promotion bricht der Qualifikationsweg häufig ab. So liegt der Anteil der Professorinnen an hauptberuflichen Professuren in der Evangelischen Theologie aktuell bei 20,6 Prozent (bundesweit nach destatis).
Die Ordination von promovierten und habilitierten Theologinnen und Theologen in ein kirchliches Ehrenamt sollte geprüft werden und entsprechend erfolgen können. In diesem Zusammenhang könnten auch begrenzte Beauftragungen von Promovierenden sowie Postdocs dazu verhelfen, dass Übergänge in den kirchlichen Dienst leichter gestaltet werden können. Ehrenamtliche Beauftragungen (Verkündigung, Seelsorge, Bildung) wirken (berufs-)motivierend und können im Sinne der Nachwuchsförderung- bzw. -gewinnung das Verhältnis zur jeweiligen Landeskirche stärken. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können darüber hinaus als Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren für Bildungsangebote wirken. Hier bieten sich Möglichkeiten des Wissenstransfers, der für alle Seiten bereichernd sein kann.
Kirchen und Fakultäten sollten in allen Phasen der wissenschaftlichen Qualifikation – vom Beginn des Studiums über die Promotion und bis nach der Habilitation – über die verschiedenen Fördermöglichkeiten transparent und kontinuierlich informieren. Abgesehen von konkreten Maßnahmen der Förderung kommt die Wertschätzung der Theologie seitens der Kirchen sowohl den Theologischen Fakultäten bzw. Instituten als auch den Kirchen selbst zugute.
Für die Kirchen bedeutet wissenschaftlich qualifizierter Nachwuchs Gewinn in mehrfacher Hinsicht. Promovierte und habilitierte Theologinnen und Theologen verfügen in hohem Maße über Fachwissen, sowohl solches, das unmittelbar mit dem jeweiligen Forschungsgegenstand verbunden ist, als auch solches, das weit darüber hinausgeht. Neben Fachwissen sind es insbesondere Qualifikationen im Bereich von Forschung, Lehre, Publikationswesen und Projektentwicklung, die im Rahmen einer wissenschaftlichen Qualifikation erworben und entwickelt werden. Didaktisches Know-how, Erfahrungen im Umgang mit Gruppenleitung sowie mit Beratungsfunktionen und die Fähigkeit, dauerhafte Diskurse auf wissenschaftlichem Niveau mitzugestalten und gegebenenfalls auch auszuhalten, sind Kompetenzen, die auf diesem Berufsweg erworben werden.
Eine Ergänzung zu den Empfehlungen der EKD und des E-TFT „Das Zusammenwirken von Landeskirchen und Theologischen Fakultäten in Deutschland“, Dezember 2018