Resonanz- und Kulturanalyse in der Mittleren Leitungsebene

Vortrag von Frank Schomburg von nexpractice GmbH zu den Erkenntnissen aus Tiefeninterviews im Vorfeld des EKD-Zukunftsforum 2020

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Peter Drucker prägte einst den Satz: „Culture eats strategy for breakfast“. Er bringt zum Ausdruck, dass die Unternehmenskultur in Veränderungsprozessen oft bedeutsamer ist als eine detailreich ausgearbeitete Strategie. Die Kultur einer Organisation kann Innovation und Wandel fördern oder hemmen. 

 Zu der durch das Bremer Institut nextpractice durchgeführten Studie wurden 450 Angehörige der Mittleren Ebene (ME) eingeladen sich im Februar/März 2020 in acht Städten Deutschlands an 90 bis 120minütigen Einzel-Interviews zu beteiligen.

 In den letztlich 87 Interviews aus 18 der 20 Gliedkirchen beschrieben die Probanden frei und mit ihren eigenen Worten so viele inhaltliche Dimensionen, wie sie im Kontext von „Zukunft der Kirche“ für bedeutungsvoll erachteten. Auf Basis vorab definierter Items ordneten die Befragten intuitiv die Entwicklung von Kirche und Gesellschaft von früher über die Gegenwart bis in die Zukunft ein. Sie bewerteten Items wie z.B. Zusammenarbeit, Führung und Leitung, Dimensionen kirchlicher Arbeit oder Medien. So ergaben sich die Vielzahl von 400 Einzelbewertungen pro Interview und insgesamt 850 Originalaussagen.

  • 70% der ME blicken optimistisch in die Zukunft. 
     
  • 80% sind bereit für Veränderungen. Weitere 15% der Befragten beschreiben rückblickend, dass die Kirche sich bereits positiv verändert habe, und erwarten, dass dieser Fortschritt auch zukünftig anhält.
     
  • Die ME charakterisiert ihr Erfolgskonzept für die Zukunft als „Kirche als Bewegung“ im Sinne einer Wertegemeinschaft, welches das frühere Erfolgskonzept „Kirche als Institution“ langfristig ablöse.
     
  • Obwohl die Entwicklung der Kirche in den zurückliegenden 25 Jahren überwiegend als positiv eingeschätzt wird, ist ihr heutiges Erfolgskonzept noch weit entfernt von einem Erfolgskonzept für die Zukunft, so die Befragten.
     
  • Es besteht außerdem Skepsis, ob die Kirche mit dem Tempo der gesellschaftlichen Veränderungen Schritt halten kann. Die Mehrheit der Befragten nimmt eine wachsende Distanz zwischen der Kirche und den Lebensentwürfen heutiger Menschen wahr, die aus Sicht der Befragten positiv konnotiert sind durch Individualität, Selbstverantwortung, Flexibilität, Partizipation.
     
  • In der Studie tritt deutlich das Spannungsfeld zwischen gelebtem Glauben einerseits und behördlichem Auftreten andererseits hervor. Obwohl die Kirche gegenüber neuen Impulsen von außen bereits offener geworden ist und mit projektbezogener Vernetzung begonnen hat, entspricht sie mit ihren eher starren Strukturen und langen Entscheidungswegen noch nicht den zukünftigen Anforderungen an die Kirche.

Der hohe Zukunftsoptimismus und die hohe Bereitschaft für Veränderungen sind im Vergleich mit Führungskräftestudien anderer Branchen überdurchschnittlich. Gleichwohl überrascht diese positive Selbsteinschätzung, da Führung in der ME einer ´Sandwich-Position` gleicht und sich maßgeblich im Spannungsfeld unterschiedlichster Erwartungen (z.B. Gemeinden, Landeskirche, Öffentlichkeit, eigene Ansprüche der Stelleninhaber*innen) und von Interessenkollisionen ereignet. Aspekte, die zum Arbeitsalltag der ME gehören, aber weit über die theologische Qualifikation hinausgehen und häufig als belastend erlebt werden, wie z.B. Verantwortung für das Immobilienmanagement, arbeitsrechtliche Konflikte, Finanzdruck etc., gelangten im Rahmen der Interviews überraschend nicht zur Sprache.

Die Studie differenziert auf der Basis der Interviews drei Leitungstypen der ME. Sie verfolgen unterschiedliche Erfolgsmodelle und Handlungsstrategien, die aber nicht im Widerspruch zueinanderstehen, sondern sich idealerweise ergänzen:

Gruppe I: Vernetzung der Gemeinden, d.h. gemeinsam handeln (in der Region)

Gruppe II: Freiheit in der Gestaltung, d.h. „unternehmerisch“ handeln „mit Segen von oben“

 Gruppe III: Involvierung der Mitglieder, d.h. bedarfs- und subjektorientiert handeln, experimentieren (hier sind 43% der Befragten, zudem mit dem geringsten Durchschnittsalter, zu verorten).