Gemeinsam gesellschaftliche Verantwortung tragen
Kooperationspapier des Zentralen Besprechungskreises Kirche-Handwerk
2. Arbeit und unternehmerisches Handeln im gemeinsamen Fokus von Kirchen und Handwerk
Arbeit in theologischer Perspektive
„Durch Arbeit muss der Mensch sich sein tägliches Brot beschaffen. Zugleich aber soll er durch sie auch beitragen zum ständigen Fortschritt von Wissen und Können, vor allem aber zum unaufhörlichen sittlichen und kulturellen Aufstieg der Gemeinschaft, in der er mit seinen Brüdern lebt“, so beginnt Papst Johannes Paul II. seine Enzyklika Laborem exercens über die menschliche Arbeit. Martin Luther hat die besondere Berufung des Menschen zur Arbeit damit zum Ausdruck gebracht, dass er die Arbeit als Gottesdienst bezeichnet hat, wenn sie im Glauben an Gott und im Dienst an dem Nächsten geschieht. Ihm wird das Zitat zugeschrieben, „der Mensch ist zur Arbeit geboren, wie der Vogel zum Fliegen“.
Der als Ebenbild Gottes erschaffene Mensch hat vom Schöpfer ein „Mandat zur Arbeit“ (Dietrich Bonhoeffer) erhalten. „In biblischer Sicht sind alle menschlichen Tätigkeiten, die im Dienst des Lebens stehen, Ausdruck des göttlichen Auftrags, dass der Mensch die Erde bebauen und bewahren soll.“ (EKD-Denkschrift Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt, Kap. 2.1, 2. Absatz) Diesen Herrschaftsauftrag zur Gestaltung der Welt gilt es verantwortlich wahrzunehmen. Denn nur dann liegt der Segen des Schöpfers über der menschlichen Arbeit.
Die besondere Wertschätzung des arbeitenden Menschen verweist auf die subjektive Dimension der Arbeit. „Die Arbeit ist für den Menschen da und nicht der Mensch für die Arbeit“ (Laborem exercens, Nr. 6). Damit ist der Anspruch verbunden, dass die Arbeitsprozesse dem Menschen gerecht werden, also so zu gestalten sind, dass sie seinen Fähigkeiten und seiner besonderen Würde entsprechen.
Die Frage nach der Qualität der Arbeit bezieht sich nicht nur auf verbesserte Waren und Dienstleistungen, sondern entscheidend ist auch die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Erwerbstätigen durch die Arbeit. Dieses Bestreben deckt sich zudem mit der veränderten Wertschätzung der Beschäftigten in der modernen Arbeitswelt. Der Mensch selbst ist immer mehr der entscheidende Produktionsfaktor, sein Einsatz und seine Fähigkeiten entscheiden über den Erfolg eines Betriebes. Dies gilt insbesondere für das Handwerk mit seiner ausgesprochen personalintensiven und auf persönliche Qualifikation ausgerichteten Arbeitsweise.
Die Bedeutung unternehmerischen Handelns
Unsere Gesellschaft braucht Menschen, die bereit sind, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Denn solches Handeln ist entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen ist eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Gesamtgesellschaftlicher Wohlstand sichert die soziale Stabilität. Die Umsetzung innovativer Ideen und der Einsatz neuer Technologien in den Betrieben dient der Sicherung der Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft.
In der EKD-Denkschrift Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive (2008) wird „die Vision eines freien schöpferischen unternehmerischen Handelns in der Wirtschaft“ skizziert, das „sich zugleich sozial verpflichtet weiß“ (Nr. 138). Es wird hier ein Spannungsbogen zwischen einem ökonomischen Handeln und einer sozialen – man könnte ergänzen – und ökologischen Verantwortung deutlich, der für jeden Unternehmer, vom industriellen Großbetrieb bis zum Handwerksbetrieb, Leitbild sein sollte. „In christlicher Sicht erwächst die Motivation zu unternehmerischem Handeln aus Gottes Berufung. Sie ermutigt den Einzelnen, Verantwortung für sich und andere an seinem konkreten Ort zu übernehmen“ (Kap. 2.2.2).
Der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden hat in seiner 2012 veröffentlichten Publikation Zum Unternehmer berufen drei grundsätzliche Ziele des Wirtschaftens formuliert, die sich jedem unternehmerischen Wirken stellen (vgl. Nr. 38 – 56).
Als erstes Ziel wird die Aufgabe benannt, „die Bedürfnisse der Welt durch die Produktion von Gütern und Dienstleistungen zu befriedigen“. Gemäß diesem Ziel tragen Unternehmen zum Gemeinwohl bei, indem sie Güter produzieren, die wirklich gut sind, und Dienstleistungen anbieten, die wirklich dienen. Die Unternehmen üben Solidarität mit den Armen, indem sie aufmerksam sind für die Möglichkeiten, sonst unterprivilegierten und unterversorgten Gruppen und Menschen in Not zu dienen.
Gemäß dem Ziel „gute und produktive Arbeit organisieren“ tragen Unternehmen zum Gemeinschaftsleben bei, wenn sie die besondere Würde menschlicher Arbeit fördern. Unternehmen, die betriebsinterne Organisationsstrukturen schaffen, ermöglichen es ihren Mitarbeitern, in angemessener Weise eigenverantwortlich zu handeln und zu entscheiden und so zum Unternehmensziel beizutragen.
Das Ziel „nachhaltigen Wohlstand schaffen und ihn gerecht verteilen“ bedeutet konkret, dass Unternehmen Vorbilder sind bei der Nutzung von Ressourcen, die sie empfangen haben – seien es finanzielle, menschliche oder natürliche Ressourcen. Unternehmen verteilen auch ihre Ressourcen gerecht auf alle Beteiligten (Stakeholder): Mitarbeiter, Kunden, Investoren, Zulieferer und die Gemeinschaft.
Mit Werten führen
Da ein Unternehmen als eine „Gemeinschaft von Menschen“ zu verstehen ist, „die auf verschiedene Weise die Erfüllung ihrer grundlegenden Bedürfnisse anstreben und zugleich eine besondere Gruppe im Dienst der Gesamtgesellschaft darstellen“, so Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Centesimus annus (Nr. 35), stellt sich auch die Frage, wie diese Gemeinschaft geführt wird. Damit rückt die Rolle der Führungskraft in den Fokus. Gute Führung trägt wesentlich dazu bei, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen weiterentwickeln und ihre Persönlichkeit entfalten können. Dabei kommt es nicht nur darauf an, die Würde der Arbeitnehmer zu achten, sondern es geht auch darum, Tugenden wie Solidarität, Klugheit, Gerechtigkeit und Sorgfalt Raum zu geben.
Die Publikation Zum Unternehmer berufen betont, dass erfolgreiche Führung bedeutet, „eine Unternehmenskultur des Vertrauens aufzubauen“, so dass die Beschäftigten, „denen bestimmte Aufgaben und Verantwortlichkeiten übertragen wurden, ihre Entscheidungen in echter Freiheit fällen können“ (Nr. 49). Letztlich geht es darum, dass die Führungspersönlichkeiten ihre Rolle im Unternehmen als Dienst verstehen, ein Ideal, das gerade christlichen Führungskräften Maßstab sein sollte.
Auch in anderen kirchlichen Publikationen wird auf die besondere Verantwortung der unternehmerischen Tätigkeit verwiesen. Papst Franziskus stellt in seinem apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium (Nr. 203) fest: „Die Tätigkeit eines Unternehmers ist eine edle Arbeit, vorausgesetzt, dass er sich von einer umfassenderen Bedeutung des Lebens hinterfragen lässt; das ermöglicht ihm, mit seinem Bemühen, die Güter dieser Welt zu mehren und für alle zugänglicher zu machen, wirklich dem Gemeinwohl zu dienen.“
In der EKD-Denkschrift Handwerk als Chance (1997) wird das Selbstverständnis vom ehrbaren Handwerksmeister, der Werte schafft und Werte lebt, hervorgehoben. „Geschichtlich gesehen steht der Begriff Ehrbarkeit im Handwerk u.a. im Zusammenhang mit dem Bemühen, soziale Anerkennung und Achtung zu erwerben und die Qualität zu sichern. Hier geht es um die Verantwortung gegenüber dem Kunden, dem Gemeinwesen und auch gegenüber der Wirtschaft selbst. Das Kriterium Ehrbarkeit wendet sich gegen ein schamloses Suchen des eigenen Vorteils, gegen schlechte Leistung, gegen die Übervorteilung des Kunden und gegen das Unterlaufen geltender gesetzlicher und sozialer Regeln. Ehrbarkeit meint auch die Fairness am Markt, d.h. die Einhaltung von fairen Wettbewerbsregeln ohne Trend zur Vermachtung des Marktes oder zu oligopolistischer Dominanz.“ (Nr. 167)