B. Ethische Kriterien für die Gesundheitspolitik

B.III. Andere sozialethisch bedeutsame Kriterien

B.III.1. Rechtliche Kriterien

  1. In der Tradition des christlichen Glaubens und der Philosophie der Aufklärung wird die Menschenwürde in unserer Rechtsordnung als unbedingter und unveräußerlicher rechtlicher Eigenwert jedes Menschen angesehen. Die Achtung der Menschenwürde durch den Staat bedeutet die volle Anerkennung der Rechtssubjektivität jedes Menschen in jeder Situation und das Verbot, Menschen zu bloßen Objekten des Staates zu machen. Der Schutz der Menschenwürde durch den Staat gibt diesem auf, die Würde jedes einzelnen Menschen in der Rechtsordnung gegen Bedrohungen aus der Gesellschaft zu schützen. Die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zu Achtung und Schutz der Menschenwürde (Art. 1 GG) und die Identität der Bundesrepublik Deutschland als sozialer, demokratischer und föderaler Rechtsstaat (Art. 20 und 23 GG) sind im Grundgesetz unwiderruflich verankert und auch in der Europäischen Integration zu wahren. Aber auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen bauen wie das Grundgesetz auf der Menschenwürde auf. Die Charta der Grundrechte der EU konkretisiert die Menschenwürde für den Bereich der Medizin und Gesundheit (Art. 3). Aus der Würde des Menschen folgt das Verbot, Menschen ohne ihre Einwilligung zum Objekt von medizinischer Forschung und Behandlung zu machen, auch wenn sie selbst nicht zur Einwilligung fähig sind und falls andere davon Nutzen haben sollten.
  2. Aus der Würde des Menschen folgt auch die Gewährleistung des Existenzminimums durch den sozialen Rechtsstaat. Zum Existenzminimum gehört der Zugang zur notwendigen gesundheitlichen, medizinischen und pflegerischen Versorgung. In Deutschland soll dies durch Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Sozialhilfe gewährleistet werden. Ob dieses Ziel erreicht wird, muss ständig überprüft werden. Fragwürdig ist beispielsweise, ob das rechtlich reduzierte Minimum der gesundheitlichen Versorgung für Asylbewerber und Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angemessen ist. Der Zugang zur Kranken- und Pflegeversicherung ist für die meisten Bedürftigen gewährleistet, die notwendige Versorgung nicht in jedem Fall. Zuzahlungen und Leistungsausgrenzungen in der Krankenversicherung und die Teilsicherung bei Pflege erfordern zusätzliche Sicherung. Vor allem behinderte und chronisch kranke Menschen, die aufgrund ihrer beruflichen Einschränkungen oft ökonomisch schwach sind, haben es sehr schwer, gesundheitlich bedingte Bedarfe aus dem Regelsatz der Grundsicherung zu bestreiten. Dazu kommt, dass gerade schwache und schutzbedürftige Menschen ihre Rechte oft nicht einfordern. Zudem sind sie in einem ökonomisierten Gesundheitssystem eben keine privilegierte Zielgruppe wettbewerbsorientierter Krankenkassen und Leistungserbringer.
  3. Die Gleichheitsrechte des Art. 3 GG schützen vor ungerechtfertigter Ungleichbehandlung bei Eingriffen und bei Leistungen in öffentlicher Verantwortung. Sie sind darum auch Kriterien für die Gestaltung des Zugangs zur sozialen Sicherheit und ihren Leistungen. Differenzierungen wegen Religion und Weltanschauung, Rasse und ethnischer Herkunft sowie Geschlecht sind verboten. Die Charta der Grundrechte der EU nennt zu Recht auch die genetischen Merkmale, die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, das Vermögen, die sexuelle Orientierung und das Alter als verbotene Differenzierungsmerkmale (Art. 21). Generell gilt: Je weniger die Betroffenen ein Merkmal ändern können und je wichtiger es für ihre Persönlichkeit ist, desto weniger darf es zu einer Ungleichbehandlung herangezogen werden.
  4. Die staatliche und öffentliche Verantwortung für das Gesundheitswesen, die in Deutschland ausgeprägt ist, wird auch durch die Sozialstaatlichkeit begründet. Der soziale Staat fördert und organisiert die gesellschaftliche Integration, Inklusion und Teilhabe aller. Das bedeutet auch, auf die ganz unterschiedliche gesundheitliche Lage der Menschen Rücksicht zu nehmen und sie in Bezug auf ihre Gesundheit rechtlich handlungsfähig zu machen. Schutz und, wo nötig, Wiederherstellung der Gesundheit, Teilhabe aller trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung und der Zugang aller zu Gesundheitsleistungen müssen durch das Rechtssystem unterstützt werden. Die Erhebung von Steuern und Beiträgen in den sozialen Sicherungssystemen dient dazu, diese Ziele zu erreichen. Eigentum verpflichtet.
  5. Ein soziales Gesundheitswesen ist aber in der deutschen Tradition keine rein staatliche Angelegenheit, sondern wird von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren nach Kriterien öffentlicher Verantwortung gestaltet. Unterschiedliche Organisationen und Verbände sollen dabei eigene Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Hierzu gehören auch die berufliche Selbstverwaltung in Kammern, die soziale Selbstverwaltung in der Sozialversicherung und mit den Leistungserbringern des Gesundheitswesens, die Universitäten und Forschungsinstitute als Orte freier Wissenschaft, die Freie Wohlfahrtspflege wie Diakonie und Caritas und die anderen Trägerverbände bürgerschaftlichen Engagements wie der Selbsthilfe. Alle diese für das Gesundheitswesen wichtigen Körperschaften und Vereinigungen verstehen Patienten und Versicherte traditionell nicht zuerst als Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Märkten, sondern als verantwortliche Bürgerinnen und Bürger. Das deutsche Sozialversicherungssystem verknüpft den verpflichtenden Schutz der Bürgerinnen und Bürger mit Gestaltungs- und Wahlrechten, ohne die Menschen an Interessen der Finanzwirtschaft auszuliefern. Darin liegt ihr Gewinn an Freiheit im Vergleich zu staatlicher Fürsorge wie zur Privatversicherung.
  6. Das geltende Sozialrecht begrenzt die Leistungsansprüche auf Krankenbehandlung, Pflege und Leistungen zur Teilhabe regelmäßig auf die wirksamen, notwendigen, wirtschaftlichen Leistungen (§ 2 Abs. 1 SGB V). Die Konkretisierung ist den Sozialleistungsträgern und Leistungserbringern aufgegeben, die hierzu Richtlinien und Verträge zu beschließen haben. Dabei haben sie den Stand der Wissenschaften über Wirksamkeit und Nutzen zu beachten (§ 2 Abs. 3 SGB V). Im Sinne von Selbstbestimmung und Qualitätssicherung ist den Patienten, pflegebedürftigen und behinderten Menschen individuell und kollektiv Einfluss auf die Konkretisierung der Leistungsinhalte zu geben. Einer solchen Bestimmung des Notwendigen durch die beteiligten Interessen und nach fachlichen Kriterien ist Vorrang vor einem staatlichen Leistungskatalog oder einer reinen Marktsteuerung zu geben. Bei jedem Verfahren, das Notwendige zu bestimmen, ist der Schutz der Minderheiten und Schwachen besonders zu sichern.
  7. Auch Städte, Länder und Gemeinden sind verfassungsrechtlich garantierte und wichtige Gestaltungskräfte für das Gesundheitswesen, so in der Krankenhausplanung, beim öffentlichen Gesundheitsdienst oder bei der Gestaltung der Infrastruktur für Teilhabe und Pflege behinderter Menschen. Die Gestaltungskraft der Länder und Gemeinden bedarf der angemessenen finanziellen Ausstattung. Im sozialen Bundesstaat muss kommunale und regionale Daseinsvorsorge in öffentlicher Verantwortung erhalten werden. Nicht nur eine zurückhaltende staatliche Regulierung, sondern auch der Schutz vor gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Macht durch staatliche Regulierung ist geboten.
  8. Die Europäische Union hat einen Binnenmarkt geschaffen, der auch Waren und Dienste des Gesundheitswesens umfasst. Die Regeln des Binnenmarkts und Wettbewerbs in Europa müssen beachtet werden. Immer wieder umstritten ist aber, in welchem Umfang das Europäische Recht zwingen kann, einen nationalen Markt nicht nur zu öffnen, sondern auch in Bereichen erst zu schaffen, die bisher nicht als Markt gestaltet waren. Die Gesundheitspolitik (Art. 168 AEUV) und die Sozialpolitik sind auch unter dem Vertrag von Lissabon vor allem Gegenstand der demokratischen nationalen Gesetzgebung. Markt- und Wettbewerbsrecht müssen die Besonderheiten der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (Daseinsvorsorge) respektieren (Art. 14 AEUV). Die Rechte auf Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter sowie auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und ärztlichen Versorgung haben in allen europäischen Staaten hohen Rang und werden entsprechend in der Charta der Grundrechte der EU ausdrücklich als soziale Solidaritätsrechte respektiert (Art. 34 und 35).
  9. Eine europaweite berufliche Freizügigkeit auch im Gesundheitssektor, die Verschärfung des Wettbewerbs auf dem Gesundheitsmarkt und die Anpassung unterschiedlicher Standards könnten mittelfristig zu einer Entfremdung zwischen den nationalstaatlichen Gesundheitssystemen und ihrer gesellschaftlichen Verankerung in religiösen und kulturellen Normen führen. Denn nicht nur die Regelung und Finanzierung der Gesundheitssysteme, sondern auch die Normen zu Fragen wie Abtreibung oder Sterbehilfe, zum Umgang mit bioethischen Fragen oder Fürsorgethemen sind auf dem Hintergrund der jeweiligen Geschichte vollkommen verschieden. In Deutschland wird die Betätigung der Freien Wohlfahrtspflege traditionell als Ausdruck christlicher Nächstenliebe und bürgerschaftlichen Engagements ohne Gewinnstreben und auch als Ausdruck der Freiheit von Religion und Weltanschauung (Art. 4 GG) geschützt. Sie muss sich entfalten können und darf weder verstaatlicht noch in die Regeln des privatwirtschaftlichen Wettbewerbs gedrängt werden. Allerdings ist diese Entwicklung nicht nur seit der Einführung der Pflegeversicherung mit der Aufhebung des Vorrangs der freien Wohlfahrtspflege vor privaten Trägern und des Selbstkostendeckungsprinzips in vollem Gang, sie wird auch durch die Knappheit der öffentlichen Kassen und die Debatte um die Verankerung der Daseinsvorsorge in Europa weiter dynamisiert. Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) warnte deshalb im Jahr 2010 gemeinsam mit der Konferenz der katholischen Bischöfe in Europa (COMECE), mit Eurodiaconia und Caritas International: "Der Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem bzw. öffentlichem Interesse, insbesondere zu Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen, ist in einer Gesellschaft, die von sich behauptet, sich um Menschenwürde und Grundrechte zu bemühen, eine Grundvoraussetzung. [?] Die Europäische Union und die Mitgliedsstaaten sollten dafür sorgen, dass Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen auf der Grundlage von Solidarität und Gerechtigkeit erbracht werden, was bedeutet, dass sie öffentlich finanziert werden. Die Dienstleistungen müssen dem Dienstleistungsempfänger in größtmöglicher örtlicher Nähe zur Verfügung stehen, damit niemandem der Zugang zu einer Dienstleistung aufgrund ihrer entfernten Lage verwehrt bleibt."

B.III.2. Medizinische Kriterien

  1. Eine gute medizinische und pflegerische Versorgung soll insgesamt bedarfsgerecht und gleichmäßig sein, sie soll dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und ihrem Fortschritt entsprechen, sie muss in der fachlich gebotenen Qualität und wirtschaftlich und zugleich human erbracht werden (siehe z.B. § 70 SGB V). Eine gleichmäßige Versorgung vermeidet unangemessene Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen, Alters-, Geschlechts- und Sozialgruppen. Sie achtet auf die Gleichbehandlung von Kranken mit gleicher Problem- und Risikolage. Bedarfsgerecht ist eine Versorgung, wenn die Wahl der Untersuchungs- und Behandlungsmethoden einer fachgerechten Indikationsstellung folgt. Diese berücksichtigt die klinische Ausgangslage (vor allem Art, Schweregrad und Prognose der Krankheit), die mit dem Patienten gemeinsam zu definierenden Ziele der Behandlung sowie die Wirksamkeit, Nutzenchancen und Schadensrisiken der generell infrage kommenden Interventionen.
  2. Zu deren Einschätzung ist der Rückgriff auf sogenannte externe Evidenz aus systematischer Forschung unverzichtbar. Als besonders belastbar gelten der evidenzbasierten Medizin (EbM) im Bereich der Therapie klinische Prüfungen nach dem Schnittmuster ("Design") des kontrollierten randomisierten Versuchs (randomised controlled trial, RCT). Sie sind trotz mancher Grenzen und Schwächen am besten geeignet, den sogenannten klinischen Beweis zu führen. Mit ihnen lässt sich zeigen, dass es ein bestimmtes Behandlungsverfahren (Medikament, Operation, Psychotherapie, Pflegemethode, Physiotherapie etc.) war, das überzufällig und beachtenswert häufig und sicher zum erstrebten Behandlungsziel führte. Die Ergebnisse einer Reihe solcher Studien (zusammengestellt in systematischen Übersichten mit und ohne Metaanalysen) ermöglichen es Klinikern und Patienten, die Chancen und Risiken einer bestimmten Behandlung im Vorhinein abzuschätzen. Die endgültige Entscheidung über den Behandlungsbeginn muss der Patient treffen; die Objektivierung des Bedarfs durch die Verbindung von Problemlage und Heilmittel (Indikationsstellung) ist und bleibt Aufgabe der Fachleute.
  3. Ein Problem vieler RCTs ist ihr artifizieller Charakter. Oft sind sie so geplant, dass ihre Ergebnisse nur schwer auf die tägliche Praxis übertragen werden können: Die einbezogenen Patienten repräsentieren nur einen Teil aller Kranken, die Kontrollbedingung (z.B. Placebo) stellt keine realistische Alternative dar, die Wirksamkeits- und Nutzenparameter verfehlen die Behandlungsziele der Patienten wie Kliniker, die Gruppen sind zu klein und die Nachbeobachtungsdauern zu kurz, um ernste, aber seltene Nebenwirkungen zu erfassen. Deshalb werden in der wissenschaftlichen Diskussion zunehmend "pragmatische" Studien gefordert. Wichtig wäre es dann auch, in Anwendungsbeobachtungen oder auf der Basis von Behandlungsfallregistern zu prüfen, ob die in RCTs beobachteten Effekte auch unter Alltagsbedingungen erhalten bleiben.
  4. Üblicherweise werden Risiken der Krankheitsentstehung, deren aktueller Schweregrad und ihre Prognose, die Nutzenchancen und Schadensrisiken ihrer Behandlung und deren Evidenzlage als "medizinische" Kriterien bezeichnet. Richtig daran ist, dass es Patientenberichte, die klinische Erfahrung und die klinische Forschung sind, die sie qualitativ und quantitativ konkretisieren. Richtig ist auch, dass heute für die Nutzenbewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten die "patientenrelevanten therapeutischen Effekte" eine besondere Rolle spielen. § 2 Abs. 3 der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung nennt "insbesondere" die "Verbesserung des Gesundheitszustands, (die) Verkürzung der Krankheitsdauer, (die) Verlängerung des Überlebens, (die) Verringerung von Nebenwirkungen oder (eine) Verbesserung der Lebensqualität".
  5. Dennoch handelt es sich hier nicht um medizinische Kriterien im engeren Sinne. Wenn der Schweregrad und die Prognose einer Krankheit über das Ausmaß aktueller bzw. drohender Beschwerden, über Einschränkungen der Funktionsfähigkeit, der Lebensqualität oder Lebenserwartung abgeschätzt werden, dann werden unser aller Ängste, Sorgen und Bewertungen angesprochen. Krankheit wird in unserer Gesellschaft generell als fundamentaler Unwert, ein unbedingt zu vermeidendes Übel bewertet. Historisch unterschiedlich ist die Aufmerksamkeit, die einzelnen ihrer Folgen gewidmet wird. Im Augenblick steht die gesellschaftliche Teilhabe (ein zentraler Begriff der International Classification of Functioning, Disability and Health der WHO) im Vordergrund.
  6. In Deutschland wird, anders als in Großbritannien und ähnlich wie in den skandinavischen Ländern, vor allem der Nutzen für den einzelnen Patienten bzw. eine Gruppe vergleichbarer Patienten bewertet. Im Vereinigten Königreich geht es vor allem um den gesellschaftlichen Nutzen, die gesellschaftliche Wohlfahrt. Entsprechend wichtiger werden hier die Ergebnisse von vergleichenden Kosten-Nutzen-Abschätzungen genommen. Sie zielen auf die Bestimmung gruppen- und krankheitsübergreifender Kosten-Nutzwert-Verhältnisse in Form von aufzuwendenden Euros, Pounds oder Dollars pro gewonnenem (qualitätsbereinigten) Lebensjahr (Quality-adjusted Life Year, QALY). Bei uns wird noch heftig darüber gestritten, ob dieses Konzept als international anerkannter Standard der Gesundheitsökonomie gelten kann und übernommen werden sollte. Strittig ist auch, welchen Stellenwert weitere Nutznießer (z.B. Angehörige psychisch Kranker, gesunde Kontaktpersonen von geimpften Kindern) und fernliegende Nutzenarten (z.B. Einsparung medizinischer Leistungen, Vermeidung von Arbeitsunfähigkeit und Berentung) haben sollen. Schließlich wird diskutiert, welche und wessen Erfahrungen den Nutzenbewertungen zugrunde gelegt werden sollen. Sollen nur in wissenschaftlichen Studien erhobene objektive Daten, sollen (auch) systematisch gesammelte Berichte von Klinikern und Patienten gelten oder auch die sogenannte klinische Erfahrung der unmittelbar involvierten Ärzte, Pflegenden und Therapeuten? Und welche Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe (Evidenzlevel) sind zugrunde zu legen? Aus ethischer wie rechtlicher Sicht kann man umso schwächere Evidenz akzeptieren, je näher sich eine klinische der Notstandssituation nähert und je stärker die Risiken (und nicht die Chancen) einer Behandlung hervortreten.
  7. Während in europäischen Nachbarländern seit mehr als 25 Jahren offen über Priorisierung in den jeweiligen Gesundheitssystemen nachgedacht wird, verweigert sich die deutsche Gesundheitspolitik diesem Thema nach wie vor. Ein zentraler Grund ist in der Verwechslung von "Priorisierung" und "Rationierung" zu sehen, ein weiterer in der Sorge, dass Priorisierung den zwingenden Ausschluss ganzer Kranken- und Krankheitsgruppen bedeute. Im Blick auf ausländische Vorbilder sind beide Einwände nicht stichhaltig. Priorisierung ist auch dann notwendig, wenn die Ressourcen zunehmen (was in Norwegen anfangs der 1980er Jahre der Fall war und seit Jahren für das Budget der GKV mit rund 5 Prozent Zuwachs im Jahr gilt). Priorisierung sollte zweitens ("vertikal") für die Leistungen innerhalb einzelner Versorgungsbereiche begonnen und sie sollte drittens (wie in Schweden) durch Leitlinien mit Empfehlungscharakter (für klinisch Tätige, Politiker und Patienten) ins Werk gesetzt werden. Eine offene wert- und kriteriengestützte Priorisierung muss heute als eine Determinante des verantwortungsvollen Umgangs mit begrenzten Ressourcen gelten.

B.III.3. Ökonomische Kriterien

  1. Die Gesundheitsversorgung muss - zumal in der aus Pflichtbeiträgen finanzierten Gesetzlichen Krankenversicherung - effizient finanziert werden. Ein unwirtschaftlicher Mitteleinsatz - also "Verschwendung" - wäre unethisch und gegenüber den Beitragszahlern nicht gerecht. Es gilt daher, den Rahmen im Versorgungsgeschehen für alle Beteiligten so zu setzen, dass sie dem Wirtschaftlichkeitsgebot, das seit rund 100 Jahren im Krankenversicherungsrecht verankert ist, auch faktisch nachkommen.
  2. Die Steuerung des Gesundheitssystems kann grundsätzlich über unterschiedliche Mechanismen durchgeführt werden: durch staatliche Planungen und Anordnungen, kollektive Koordination und kollektive Verträge sowie über den Wettbewerb von Akteuren einschließlich marktlicher Steuerung. Die Wahl der Steuerungsarrangements und ihre Detailausgestaltung darf dabei kein Selbstzweck sein - vielmehr muss sie sich daran ausrichten, wie eine qualitativ gesicherte, effiziente, den Zugang zu den Leistungen gerade auch Schwächerer gewährleistende Gesundheitsversorgung organisiert wird. Dabei bestehen keine einfachen Entscheidungsregeln, nach welchem Ansatz das Gesundheitssystem gesteuert werden sollte, vielmehr hat jeder Steuerungsansatz spezifische Vor- und Nachteile: So sind staatliche Steuerungsansätze grundsätzlich in der Lage, die in demokratischen Willensbildungen der Gesellschaft artikulierten Vorstellungen umzusetzen; auch ist staatliches Handeln dort prinzipiell geeignet, wo Güter oder Dienste nicht marktfähig sind. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass Entscheidungen staatlicher Akteure fern von den Betroffenen getroffen werden.

    Die Steuerung über kollektive Organisationen (z.B. Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Finanzierungsträgern und Leistungserbringern) und kollektive Verträge kann für sich geltend machen, dass die Verbände der Beteiligten selber hier tätig werden, die ihre spezifischen Präferenzen und ihr Wissen einbringen können. Kollektivverträge, die eine größere Zahl von Akteuren einbeziehen, können den Interessen von kleinen Gruppen möglicherweise nicht adäquat Rechnung tragen. Es besteht die Gefahr, dass kollektive Organisationen und Kollektivverträge Regelungen zulasten Dritter treffen, die an den Willensbildungsprozessen nicht mitwirken können.

    Wettbewerbliche, insbesondere marktliche Steuerung, gilt in der Ökonomie als geeignet, statische und dynamische Effizienz sowie eine Orientierung an den Präferenzen der Nachfrager zu realisieren. Auch verhindert Wettbewerb eine Machtzusammenballung. Markt und Wettbewerb funktionieren nicht, wo es um die Produktion öffentlicher Güter geht. Auch distributive Aspekte jenseits der Orientierung an Leistungsgerechtigkeit können ohne weitere Eingriffe durch Markt und Wettbewerb nicht adäquat realisiert werden. Ein rein marktförmiges Gesundheitswesen ist daher nicht geeignet, die gesamte Bevölkerung oder auch nur eine Mehrheit angemessen zu versorgen.

  3. Im Unterschied zu vielen anderen Bereichen der Wirtschaft wird das Gesundheitswesen in den meisten westlichen Industriegesellschaften überwiegend nicht über wettbewerbliche Mechanismen gesteuert. Auch in Deutschland waren und sind korporative Koordination (insbesondere über den Gemeinsamen Bundesausschuss von Leistungserbringern und Krankenkassen und Kollektivverträge zwischen den Krankenkassen und den Erbringern der Gesundheitsleistungen und ihren Verbänden) und staatliche Administration (zum Beispiel im Rahmen der Krankenhausplanung und -finanzierung) gegenüber dem wettbewerblichen Ansatz vorherrschende Steuerungsmechanismen. Die zentralen Aufgaben der Sicherstellung der Versorgung werden heute nicht über wettbewerbliche Mechanismen, sondern über staatliche oder kollektivvertragliche Koordination wahrgenommen.
  4. Allerdings hat in den vergangenen Jahrzehnten der Ruf nach "mehr Markt" und "mehr Wettbewerb" auch in Deutschland zugenommen. Eine genauere Analyse zeigt dabei, dass darunter keine einheitliche Vorstellung vertreten wird. Vielmehr werden hierunter verschiedene Konzepte verstanden, hinter denen tiefgreifende Unterschiede in der Einschätzung über die Realisierbarkeit und Wünschbarkeit von Gestaltungsoptionen für die unterschiedlichen Akteure liegen:
    • Ein erster Ansatz will vor allen Dingen Wettbewerb auf dem Behandlungsmarkt zwischen Patient und dem ihn behandelnden Leistungserbringer (Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus etc.) stärken. Zentrales Instrument in diesem Ansatz ist vor allen Dingen die vertragliche Vereinbarung zwischen Patient und Leistungserbringer über Preis und Modalitäten der Behandlung. Zur Umsetzung dieses Ansatzes müssten beiden Seiten im Blick auf die Gestaltung ihrer Beziehung größere Gestaltungsspielräume eingeräumt werden, ihre Beziehung bilateral zu regeln. Der Patient würde dabei zwischen den Ärzten oder Krankenhäusern wählen, die mit Qualität und Preis um seine Gunst konkurrierten. Der Krankenversicherung käme in diesem Zusammenhang in erster Linie die Aufgabe zu, die dem Patienten entstandenen Kosten nachträglich zu erstatten.
    • Ein anderer Wettbewerbsansatz zielt demgegenüber darauf, den Leistungsmarkt zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern auszubauen und zur tragenden Säule des Vertrags- und Versorgungssystems weiter zu entwickeln. Zentraler Ansatzpunkt dieses Konzeptes des "Vertragswettbewerbs" (das etwa von Teilen der GKV und den Arbeitgebern unterstützt wird, aber auch im politischen Raum Befürworter hat) ist die Aufhebung des heute in der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung sowie in der Krankenhausversorgung bestehenden kollektiven Kontrahierungszwangs für die Krankenkassen gegenüber den Leistungserbringern. An dessen Stelle träte dann die Verpflichtung einer Krankenkasse, in qualitativ und quantitativ ausreichendem Umfang Leistungen für ihre Versicherten über Verträge mit Leistungserbringern einzukaufen. Die Krankenkassen ihrerseits stünden im Wettbewerb um die Versicherten; diesem Konzept zufolge würden die versorgungspolitischen Strategien der Kassen die Wahlentscheidung der Versicherten steuern.
  5. Dass sich die beiden vorgestellten Wettbewerbskonzepte so grundlegend voneinander unterscheiden, ist darin begründet, dass sie in ihrem Verständnis der Situationen der Akteure und des daraus resultierenden Steuerungsbedarfes und seiner Systemerfordernisse stark divergieren:
    • Die Bedeutung der Asymmetrie des Verhältnisses zwischen Patient und Leistungserbringer wird unterschiedlich eingeschätzt: Während die Vertreter des Konzeptes der direkten Marktbeziehung davon ausgehen, dass Arzt bzw. Krankenhaus und Patient im Regelfall auf Augenhöhe miteinander agieren und sich vertraglich binden können, erachten die Vertreter des Konzeptes des Vertragswettbewerbs die Beziehung als stark durch Asymmetrie geprägt. So wird darauf verwiesen, dass die Patienten kaum über geeignete Qualitätsinformationen zum Leistungsangebot verfügen und in der Regel auch nicht in der Lage seien, entsprechende Informationen adäquat zu interpretieren. Soll der Wettbewerb der Leistungserbringer auch mit Blick auf die Qualität der Versorgung funktional sein, wird es daher als erforderlich angesehen, dass dem Patienten ein "ergänzender Sachwalter" zur Seite gestellt wird - im Konzept des Vertragswettbewerbs in einem Krankenversicherungssystem kommt diese Aufgabe der Krankenkasse zu. Allerdings ist auch kritisch zu hinterfragen, inwieweit Krankenkassen jenseits des Bemühens um niedrige Kosten der Leistungen auch hinreichend an Qualitätsfragen interessiert sind, sodass sie die Interessen der Versicherten und Patienten angemessen repräsentieren. Daher werden auch andere Beteiligte (z.B. Patientenberatungsstellen, Verbraucherverbände) als ergänzende Sachwalter der Patienten vorgeschlagen.
    • Die Notwendigkeit der Steuerung von Versorgungsprozessen chronisch Kranker wird ebenfalls unterschiedlich bewertet: Die Befürworter der Stärkung der direkten Marktbeziehung gehen davon aus, dass der Arzt gemeinsam mit dem Patienten die geeigneten Entscheidungen zum Behandlungsablauf trifft und die adäquaten weiteren Leistungserbringer einbindet. Demgegenüber gehen die Vertreter des Konzeptes vom Vertragswettbewerb davon aus, dass es einer sektorübergreifenden Steuerung bedarf, die etwa das Schnittstellenmanagement einbezieht. Die Krankenkasse wird als geeigneter Akteur angesehen, der mit Leistungserbringern solche Prozesse organisiert und im Wettbewerb der Versorgungskonzepte die geeigneten auswählt. Auch hier ist allerdings kritisch zu fragen, wie stark Kostenüberlegungen bei den Auswahlentscheidungen der Krankenkassen dominant sind - dies insbesondere, weil ein Großteil ihrer Versicherten zu jedem Zeitpunkt gesund ist und daher der Beitragslast höheres Gewicht als Versorgungsaspekten einräumen dürfte.
  6. Kontrovers diskutiert wird insbesondere die Frage, inwieweit ein Konzept des Vertragswettbewerbs in der Lage wäre, die Aufgabe einer flächendeckenden Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung zu übernehmen und welche Regelungen erforderlich wären, um Defizite dort aufzufangen, wo - wie z.B. in ländlichen Regionen - nicht ausgeschlossen werden kann, dass keine hinreichenden Versorgungsverträge geschlossen werden. Allerdings ist zu konstatieren, dass auch die bisherigen Steuerungsansätze hier Schwächen aufweisen. So ist zwar bislang in Deutschland sowohl die Zahl der in der ambulanten Versorgung als niedergelassene Ärzte tätigen Mediziner als auch die Zahl der Krankenhausärzte kontinuierlich gestiegen, gleichwohl haben regionale Ungleichgewichte in der Versorgungsdichte zugenommen, und insbesondere in einzelnen ländlichen Regionen ist bereits heute ein "Ärztemangel" entstanden. Es ist erforderlich, durch ein abgestimmtes Set von Instrumenten eine Mindestversorgung auch im ländlichen Raum zu sichern. Dies gilt auch dann, wenn den Krankenkassen die Möglichkeit eingeräumt wird, nicht zeitkritische Krankenhausleistungen für ihre Versicherten nur noch bei von ihnen ausgewählten Vertragskrankenhäusern vornehmen zu lassen oder auch durch Konzentration von Eingriffen auf darauf spezialisierte Zentren die Qualität der Eingriffe zu verbessern und zugleich aufgrund von Kostendegressionen Einsparungen zu erzielen. Tatsächlich führt die Entstehung solcher medizinischer Kompetenzzentren schon heute dazu, dass die wohnortnahe Krankenhausversorgung bisheriger Ausprägung kaum noch aufrechterhalten werden kann.
  7. Deutlich wird, dass es in verantwortbarer Weise bei der Gesundheitsversorgung zumindest im Rahmen der GKV bei "mehr Markt" oder "mehr Wettbewerb" nicht um einen "freien Markt" oder "Wettbewerb an sich" gehen kann. Vielmehr geht es um einen durch den Staat gestalteten Rahmen, der sicherstellen muss, dass wettbewerblich handelnde Akteure durch ihr Tun zur Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung beitragen. Soweit auf Wettbewerb gesetzt wird, ist dabei sicherzustellen, dass zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen "gleich lange Spieße" herrschen; die Zugänglichkeit der Versorgung insbesondere für sozial Benachteiligte ist durch entsprechend gestaltete Regelungen zu gewährleisten. Die bundesdeutsche Gesundheitspolitik ist nach wie vor durch eine Pluralität der Steuerungsmechanismen gekennzeichnet. Insbesondere hat sich die Politik nicht für die vollständige oder auch nur weitgehende Umsetzung eines der wettbewerblichen Modelle anstelle der kollektiven Steuerung oder staatlich-planerischen Handelns entschieden. Allerdings hat die Politik Mitte der 1990er Jahre den Wettbewerb der Krankenkassen ausgebaut, indem allen Versicherten ein regelmäßiges Kassenwahlrecht eingeräumt wurde. In den Folgejahren sind den Krankenkassen begrenzte Möglichkeiten zur Verfügung gestellt worden, sich wettbewerblich voneinander bei den Leistungen (z.B. durch Wahltarife mit unterschiedlichen Selbstbehalten) oder in der Form der Leistungserbringung (z.B. durch Verträge mit Leistungserbringern zur integrierten Versorgung) zu unterscheiden. In der Wahrnehmung der Versicherten bezieht sich der Kassenwettbewerb allerdings in erster Linie auf die Höhe des Beitrags. Weil Krankenkassen kontrahierungspflichtig sind, also keine Mitgliedschaft ablehnen dürfen, kann es innerhalb der Krankenkassen zu einer ungleichen Verteilung der gesundheitlichen Risiken und Versicherten mit unterschiedlichem Einkommen kommen. Dieser Entwicklung ist durch die Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs vorgebeugt worden, der eine Umverteilung der finanziellen Mittel zwischen den Krankenkassen nach der Krankheitslast (Morbidität) ihrer Mitglieder bewirkt. Am Beispiel des Krankenkassenwettbewerbs lässt sich deutlich machen, dass ein solcher Wettbewerb sinnvoll ist, allerdings nur, wenn er zugleich durch staatliche Regulierungen gerahmt wird. Sinnvoll ist der Wettbewerb, wenn er die Krankenkassen zwingt, auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder einzugehen (Kundenorientierung) und mit den vorhandenen Mitteln effizient zu wirtschaften. Der gesundheitspolitische Nutzen der Kundenorientierung hat da seine Grenzen, wo Krankenkassen Maßnahmen ergreifen, um junge, gesunde und einkommensstarke Versicherte zu gewinnen (z.B. durch Zuschüsse für Fitness-Kurse) und darüber die Interessen kranker und armer Menschen mit geringer Kundensouveränität vernachlässigen.
  8. Nationale wie internationale Erfahrungen zeigen, dass Ärzte, Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen auf ökonomische Anreize reagieren. Dies ist nicht verwerflich, sondern entspricht dem Verhalten von Individuen und Organisationen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Daraus erwächst allerdings eine Verantwortung für die Gesundheitspolitik, wenn sie die Regeln setzt, nach denen die Leistungserbringer vergütet werden - sie gestaltet hierbei diese Anreize und nimmt insoweit Einfluss auf das Verhalten von Ärzten und Krankenhäusern. Dabei gilt es, zwischen unterschiedlichen Risiken auszutarieren: Die Menge der medizinischen Leistungen in einer konkreten Behandlungssituation ist vielfach in weitem Rahmen gestaltbar. "Belohnt" das Vergütungssystem zum Beispiel eine Ausweitung der Leistungen - etwa wenn einzelne Leistungen vergütet werden, sodass Umsatz und Einkommen des Arztes oder Krankenhauses mit steigender Menge der Leistungen zunehmen -, kann ein rasches Ausgabenwachstum resultieren, auch weil die Patienten die Kosten nicht direkt zu tragen haben, sondern Krankenversicherungsschutz genießen. Erhalten die Leistungserbringer hingegen pauschalierte Vergütungen - zum Beispiel eine Pauschale im Quartal für jeden bei ihnen eingeschriebenen Versicherten -, erwächst umgekehrt die Gefahr der Unterversorgung mit notwendigen Leistungen, weil hier der Arzt sein Einkommen erhöht, wenn er durch möglichst wenige Leistungen die ihm entstehenden Kosten senkt. Die Gesundheitspolitik hat für die Gesetzliche Krankenversicherung die Spielregeln, nach denen die Leistungserbringer abrechnen können, in den letzten Jahren häufig variiert, auch für die nahe Zukunft sind Reformen der Vergütungssysteme in Aussicht gestellt.
  9. Das Verhältnis von Qualität und Wirtschaftlichkeit bedarf auch in der Versorgung Pflegebedürftiger einer sorgfältigen Analyse. Hier vereinbaren die Parteien der Pflegesatzvereinbarung (Pflegekassen und zuständige Sozialhilfeträger) mit den Trägern der stationären Pflegeeinrichtungen Entgelte für die pflegebedingten Kosten sowie für die Kosten der Unterkunft und Verpflegung. Die Leistungen der Pflegekassen liegen - insbesondere in den höheren Pflegestufen - unterhalb der vereinbarten Entgelte, sodass die direkt von Pflegebedürftigen zu zahlenden Differenzbeträge zwischen Entgelt und Leistung der Pflegekasse eine direkte Marktbeziehung zwischen Pflegebedürftigem und seinen Angehörigen einerseits und den Trägern der Pflegeheime andererseits entstehen lassen. Die zugelassenen Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, Maßnahmen der Qualitätssicherung sowie ein Qualitätsmanagement durchzuführen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung überprüft im Auftrag der Pflegekassen die Pflegequalität.

"Und unsern kranken Nachbarn auch!"