Großer Katechismus
Nach der Fassung des deutschen Konkordienbuches (Dresden 1580)
Das vierte Gebot
Du sollst deinen Vater und Mutter ehren
Bisher haben wir die ersten drei Gebote gelernt, die da gegen Gott gerichtet sind. Zum ersten, dass man ihm von ganzem Herzen vertraue, fürchte und liebe in all unserm Leben. Zum andern, dass man seines heiligen Namens nicht Missbrauche zur Lüge noch irgendeinem bösen Stücke, sondern zu Gottes Lob, Nutz und Seligkeit des Nächsten und seiner selbst. Zum dritten, dass man an der Feier und Ruhe Gottes Wort mit Fleiß handle und treibe, auf dass all unser Tun und Leben darnach gehe. Folgen nun die andern sieben, gegen unsern Nächsten gestellt, unter welchen das erste und höchste ist:
Du sollst deinen Vater und Mutter ehren
Diesem Vater- und Mutterstand hat Gott sonderlich den Preis gegeben vor allen Ständen, die unter ihm sind, dass er nicht schlechthin gebietet, die Eltern lieb zu haben, sondern zu ehren. Denn gegen Brüder, Schwestern und den Nächsten insgemein befiehlt er nichts Höheres, denn sie zu lieben; also dass er Vater und Mutter scheidet und auszeichnet vor allen anderen Personen auf Erden und neben sich setzt. Denn es ist ein viel höheres Ding ehren denn lieben, da es nicht allein die Liebe begreift, sondern auch eine Zucht, Demut und Scheu, als gegen eine Majestät, allda verborgen. Auch nicht allein fordert, dass man sie freundlich und mit Ehrerbietung anspreche, sondern allermeist, dass man sich beide, von Herzen und mit dem Leib, also stelle und erzeige, dass man viel von ihnen halte und - nach Gott - für die Obersten ansehe. Denn welchen man von Herzen ehren soll, den muss man wahrlich für hoch und groß achten. Also dass man dem jungen Volk einpräge, ihre Eltern an Gottes statt vor Augen zu halten und also zu denken, ob sie gleich gering, arm, gebrechlich und seltsam seien, dass sie dennoch Vater und Mutter sind, von Gott gegeben. Des Wandels oder Fehls halber sind sie der Ehren nicht beraubt. Darum ist nicht anzusehen die Person, wie sie sind, sondern Gottes Willen, der es also schafft und ordnet. Sonst sind wir zwar vor Gottes Augen alle gleich; aber unter uns kann es ohne solche Ungleichheit und ordentlichen Unterschied nicht sein. Darum sie auch von Gott geboten ist, zu halten, dass du mir als deinem Vater gehorsam seiest und ich die Oberhand habe.
So lerne nun zum ersten, was die Ehre gegen die Eltern heiße, in diesem Gebot gefordert, nämlich dass man sie vor allen Dingen herrlich und wert halte als den höchsten Schatz auf Erden. Darnach auch mit Worten sich züchtig gegen sie stelle, nicht übel anfahre, poche noch poltere; sondern lasse sie recht haben und schweige, ob sie gleich zu viel tun. Zum dritten auch mit Werken, das ist mit Leib und Gut, solche Ehre beweise, dass man ihnen diene, helfe und versorge, wenn sie alt, krank, gebrechlich oder arm sind, und solches alles nicht allein gern, sondern mit Demut und Ehrerbietung, als vor Gott getan. Denn wer das weiß, wie er sie im Herzen halten soll, wird sie nicht lassen Not noch Hunger leiden, sondern über und neben sich setzen und mitteilen, was er hat und vermag.
Zum andern siehe und merke, wie großes Gut und heiliges Werk allhier den Kindern vorgelegt ist, welches man leider gar verachtet und in Wind schlägt, und niemand wahrnimmt, dass es Gott geboten habe oder dass es ein heiliges, göttliches Wort und Lehre sei. Denn wenn mans dafür gehalten hätte, hätte ein jeglicher daraus können nehmen, dass auch heilige Leute sein müssten, die nach diesen Worten lebten; so hätte man kein Klosterleben noch geistliche Stände dürfen aufwerfen, wäre ein jegliches Kind bei diesem Gebot geblieben und hätte sein Gewissen können richten gegen Gott und sprechen: Soll ich gute und heilige Werke tun, so weiß ich je kein besseres denn meinen Eltern alle Ehre und Gehorsam zu leisten, weil es Gott selbst geheißen hat. Denn was Gott gebietet, muss viel und weit edler sein denn alles, was wir selbst mögen erdenken, und weil kein höherer noch besserer Meister zu finden ist denn Gott, wird freilich auch keine bessere Lehre sein, denn er von sich gibt. Nun lehrt er ja reichlich , was man tun soll, wenn man rechtschaffene, gute Werk üben will; und in dem, dass ers gebietet, bezeugt er, dass sie ihm wohlgefallen. Ist es denn Gott, der solches gebietet und kein Besseres weiß zu stellen, so werde ichs ja nicht besser machen.
Siehe, also hätte man ein frommes Kind recht gelehrt, seliglich erzogen und daheim behalten im Gehorsam und Dienst der Eltern, dass man Gutes und Freude daran gesehen hätte. Aber also hat man Gottes Gebot nicht müssen aufmutzen, sondern liegen lassen oder überhin rauschen, dass ein Kind es nicht bedenken konnte und dieweil das Maul aufsperren nach dem, das wir aufgeworfene haben, und Gott keinmal darum begrüßt.
Darum lasst uns einmal lernen um Gottes willen, dass das junge Volk - alle andern Dinge aus den Augen gesetzt - erstlich auf dies Gebot sehe: wenn sie Gott mit rechten guten Werken dienen wollen, dass sie tun, was Vater und Mutter, oder denen sie an ihrer statt untertan sind, lieb ist. Denn welches Kind das weiß und tut, hat zum ersten den großen Trost im Herzen, dass es fröhlich sagen und rühmen kann (zu trotz und wider alle, die mit eigenen erwählten Werken umgehen): Siehe, das Werk gefällt meinem Gott im Himmel wohl, das weiß ich fürwahr. Lasse sie mit ihren vielen, großen, sauern, schweren Werken alle auf einen Haufen hertreten und rühmen; lass sehen, ob sie irgendeines hervorbringen könnten, das größer und edler sei denn Vater und Mutter Gehorsam, so Gott nächst seiner Majestät Gehorsam gesetzt und befohlen hat; dass, wenn Gottes Wort und Willen geht und ausgerichtet wird, soll keines mehr gelten denn der Eltern Willen und Wort, also dass er dennoch auch unter Gottes Gehorsam bleibe und nicht wider die vorigen Gebote gehe.
Derhalben sollst du von Herzen froh sein und Gott danken, dass er dich dazu erwählt und würdig gemacht hat, ihm solch köstliches, angenehmes Werk zu tun. Und halte es nur für groß und teuer, ob es gleich für das allergeringste und verachtetste angesehen wird, nicht unserer Würdigkeit halber, sondern dass es in dem Kleinod und Heiligtum, nämlich Gottes Wort und Gebot, gefasst ist und gehet. O wie teuer solltens alle Karthäuser, Mönche und Nonnen, kaufen, dass sie in all ihrem geistlichen Wesen ein einzig Werk vor Gott möchten bringen, aus seinem Gebot getan, und mit fröhlichem Herzen vor seinen Augen sprechen: Nun weiß ich, dass dir dies Werk wohlgefällt. Wo wollen sie, die armen, elenden Leute, bleiben, wenn sie vor Gott und aller Welt schamrot mit allen Schanden stehen werden vor einem jungen Kind, so in diesem Gebot gelebt hat, und bekennen, dass sie mit allem ihrem Leben nicht wert sind gewesen, ihm das Wasser zu reichen? Geschieht ihnen auch recht um der teuflischen Verkehrung willen, weil sie Gottes Gebot mit Füßen treten, dass sie sich vergeblich mit selbst erdachten Werken martern müssen, dazu Spott und Schaden zu Lohn haben. Sollte nun nicht ein Herz springen und von Freuden zerfließen, wenn es zur Arbeit ginge und täte, was ihm befohlen wäre, dass es könnte sagen: Siehe, das ist besser denn aller Karthäuser Heiligkeit, ob sie sich gleich zu Tode fasten und ohne Unterlass auf den Knien beten? Denn hier hast du ein gewissen Text und göttliches Zeugnis, dass er dies geheißen hat, aber von jenem kein Wort befohlen. Aber das ist der Jammer und eine leidige Blindheit der Welt, dass solches niemand glaubt; so hat uns der Teufel bezaubert mit falscher Heiligkeit und Schein eigener Werke.
Derhalben wollte ich ja gern (sage ich abermal), dass man Augen und Ohren auftäte und solches zu Herzen nehme auf dass wir nicht dermaleins wieder von dem reinen Gotteswort auf des Teufels Lügentand verleitet würden. So würde es auch wohl stehen, dass die Eltern desto mehr Freude, Liebe, Freundschaft und Eintracht in Häusern hätten, so könnten die Kinder den Eltern alle ihr Herz nehmen. Wiederum, wo sie störrig sind und nicht eher tun, was sie wollen, man lege ihnen denn einen Knüttel auf den Rücken, so erzürnen sie beide, Gott und Eltern, damit sie sich selbst solchen Schatz und Freude des Gewissens entziehen und eitel Unglück sammeln. Darum gehts auch jetzt in der Welt also, wie jedermann klagt, dass beide, jung und alt, gar wild und unbändig sind, keine Scheu noch Ehre haben, nichts tun denn mit Schlägen getrieben und hinter eines andern Rücken ausrichten und abziehen, was sie können, darum auch Gott straft, dass sie in allen Unrat und Jammer kommen. So können die Eltern gemeiniglich selbst nichts, es erzieht ein Tor den andern. Wie sie gelebt haben, so leben die Kinder hinnach.
Das soll nun (sage ich) das Erste und Größte sein, das uns zu diesem Gebot soll treiben; um welches willen, wenn wir keinen Vater und Mutter hätten, sollten wir wünschen, dass uns Gott Holz und Stein vorstellte, die wir Vater und Mutter möchten heißen. Wie viel mehr, weil er uns lebendige Eltern gegeben hat, sollen wir froh werden, dass wir ihnen mögen Ehre und Gehorsam erzeigen, weil wir wissen, dass es der hohen Majestät und allen Engeln so wohlgefällt und alle Teufel verdrießt, dazu das höchste Werk ist, so man tun kann, nach dem hohen Gottesdienst in den vorigen Geboten gefasst; also dass Almosengeben und alle anderen Werke gegen den Nächsten diesem noch nicht gleich sind. Denn Gott hat diesen Stand oben angesetzt, ja an seine Statt auf Erden gestellt. Solcher Wille Gottes und Gefallen soll uns Ursache und Reizung genug sein, dass wir mit Willen und Lust täten, was wir könnten.
Dazu sind wirs ja auch schuldig vor der Welt, dass wir der Wohltat und allem Guten, so wir von den Eltern haben, dankbar seien. Aber da regiert abermal der Teufel in der Welt, dass die Kinder der Eltern vergessen, wie wir alle Gottes vergessen, und niemand denkt, wie uns Gott also nährt, hütet und schützt und so viel Gutes gibt an Leib und Seele. Sonderlich wenn einmal eine böse Stunde kommt, da zürnen und murren wir mit Ungeduld und ist alles dahin, was wir unser Leben lang Gutes empfangen haben. Eben also tun wir den Eltern auch, und ist kein Kind, das solches erkenne und bedenke, der heilige Geist gebe es denn. Solche Unart der Welt kennt Gott wohl; darum erinnert und treibt er sie mit Geboten, dass ein jeglicher denke, was ihm die Eltern getan haben. So findet er, dass er Leib und Leben von ihnen habe, dazu auch ernährt und aufgezogen sei, da er sonst hundertmal in seinem Unflat erstickt wäre. Darum ist recht und wohl gesagt von alten weisen Leuten: Deo, parentibus et magistris non potest satis gratiae rependi; das ist: Gott, den Eltern und Schulmeistern kann man nimmer genügsam danken noch vergelten. Wer das ansieht und nachdenkt, der wird wohl ungetrieben seinen Eltern alle Ehre tun und sie auf den Händen tragen, als durch die ihm Gott alles Gute getan hat. Über das alles soll das auch ein große Ursache sein, uns desto mehr zu reizen, dass Gott an dieses Gebot eine liebliche Verheißung heftet und spricht: auf dass du langes Leben habest im Lande, da du wohnst. Da siehe selbst, wie großer Ernst es Gott sei über diesem Gebote, weil er nicht allein ausdrückt, dass ihm angenehm sei, Freude und Lust darin habe, sondern solle auch uns wohl geraten und zum besten gedeihen, dass wir ein sanftes, süßes Leben mögen haben mit allem Guten. Darum auch St. Paulus Eph 6,2.3 solches hoch anzieht und rühmt, als er spricht: Das ist das erste Gebot, das eine Verheißung hat: "auf dass dirs wohl gehe und lange lebest auf Erden." Denn wiewohl die andern auch ihre Verheißung eingeschlossen haben, ists doch zu keinem so deutlich und ausgedrückt gesetzt.
Da hast du nun die Frucht und den Lohn, dass, wer es hält, soll gute Tage, Glück und Wohlfahrt haben, wiederum auch die Strafe, dass, wer ungehorsam ist, desto eher umkommen und des Lebens nicht froh werden soll. Denn langes Leben haben heißt die Schrift nicht allein wohl betaget werden, sondern alles haben, so zu langem Leben gehört, als nämlich: Gesundheit, Weib und Kind, Nahrung, Friede, gut Regiment usw., ohne welche dies Leben nicht fröhlich genossen werden noch die Länge bestehen kann. Willst du nun nicht Vater und Mutter gehorchen und dich lassen ziehen, so gehorche dem Henker. Gehorchst du dem nicht, so gehorche dem Streckebein, das ist der Tod. Denn das will Gott kurzum haben: entweder, so du ihm gehorchst, Liebe und Dienst tust, dass er dirs überschwenglich vergelte mit allem Guten, oder, wo du ihn erzürnst, dass er über dich schicke beide, Tod und Henker.
Wo kommen so viel Schälke her, die man täglich hängen, köpfen und radbrechen muss, denn aus dem Ungehorsam, weil sie sich nicht mit Güte ziehen lassen, dass sie es durch Gottes Strafe so ausrichtend dass man Unglück und Herzleid an ihnen sieht. Denn gar selten geschieht, dass solche versuchte Leute eines rechten oder zeitigen Todes sterben.
Die Frommen aber und Gehorsamen haben den Segen, dass sie lange in guter Ruhe leben und ihr Kindeskind sehen (wie oben gesagt) ins dritte und vierte Glied. Wie man auch erfährt, dass, wo feine alte Geschlechter sind, die da wohl stehen und viel Kinder haben, freilich daher kommen, dass ihrer etliche wohlgezogen und ihre Eltern vor Augen gehabt haben. Wiederum steht geschrieben von den Gottlosen, Ps. 109,13: Seine Nachkommen müssen ausgerottet werden, und ihr Name müsse im andern Glied untergehen. Derhalben lasse dirs gesagt sein, wie großes Ding es ist bei Gott um den Gehorsam, weil er ihn so hoch setzt, ihm selbst so wohl gefallen lässt und reichlich belohnt, dazu so streng darüber hält zu strafen, die dawider tun.
Das rede ich alles, dass mans dem jungen Volk wohl einbläue; denn niemand glaubt, wie dies Gebot so nötig ist, doch bisher unter dem Papsttum nicht geachtet noch gelehrt. Es sind schlichte und leichte Worte, meint jedermann, er könnte es von vornherein wohl. Darum fährt man über hin und gafft nach andern Dingen, sieht und glaubt nicht, dass man Gott so hoch erzürnt, wenn man dies lässt anstehen, noch so köstlich angenehme Werke tut, so man dabei bleibt.
In dieses Gebot gehört auch weiter zu sagen von allerlei Gehorsam gegen Oberpersonen, die zu gebieten und zu regieren haben. Denn aus der Eltern Obrigkeit fließt und breitet sich aus alle andere. Denn wo ein Vater nicht allein vermag sein Kind aufziehen, nimmt er einen Schulmeister dazu, der es lehre; ist er zu schwach, so nimmt er seine Freunde oder Nachbarn zu Hilfe; geht er ab, so befiehlt er und übergibt das Regiment und Oberhand andern, die man dazu ordnet; item so muss er auch Gesinde, Knechte und Mägde zum Hausregiment unter sich haben, also dass alle, die man Herrn heißt, an der Eltern Statt sind und von ihnen Kraft und Macht zu regieren nehmen müssen. Daher sie auch nach der Schrift alle Väter heißen, als die in ihrem Regiment das Vateramt treiben und väterliches Herz gegen die Ihren tragen sollen; wie auch von alters her die Römer und andere Sprachen Herren und Frauen im Haus Patres et Matres familias, das ist Hausväter und Hausmütter, genannt haben. Also auch ihre Landesfürsten und Oberherrn haben sie Patres patriae, das ist Väter des ganzen Landes, geheißen, uns, die wir Christen sein wollen, zu großen Schanden, dass wir sie nicht auch also heißen oder zum wenigsten dafiir halten und ehren.
Was nun ein Kind Vater und Mutter schuldig ist, sind auch schuldig alle, die ins Hausregiment gefasst sind. Darum sollen Knechte und Mägde zusehen, dass sie ihren Herren und Frauen nicht allein gehorsam sein, sondern auch in Ehren halten als ihre eigenen Väter und Mütter und tun alles, was sie wissen, das man von ihnen haben will; nicht aus Zwang und Widerwillen, sondern mit Lust und Freuden eben um voriger Ursache willen, dass es Gottes Gebot ist und ihm vor allen andern Werken wohlgefällt, um welches willen sie noch Lohn sollten zugeben, und froh werden dass sie Herrn und Frauen möchten überkommen, soll fröhlich Gewissen haben und wissen, wie sie rechte goldene Werke tun sollten; welche bisher verblichen und verachtet, und dafür jedermann ins Teufels Namen in Klöster, zu Wallfahrten und Ablass gelaufen ist, mit Schaden und bösem Gewissen.
Wenn man nun solches könnte dem armen Volke einprägen, so würde ein Mägdlein in eitel Sprüngen gehen Gott loben und danken und mit säuberlicher Arbeit, dafür sie sonst Nahrung und Lohn nimmt, solchen Schatz kriegen, den alle, die man für die Heiligsten achtet, nicht haben. Ists nicht ein trefflicher Ruhm, das zu wissen und sagen: wenn du deine tägliche Hausarbeit tust, dass es besser ist denn aller Mönche Heiligkeit und strenges Leben? Und hast dazu die Zusagung, dass es dir zu allem Guten gedeihen soll und wohl gehen; wie willst du seliger sein oder heiliger leben, soviel die Werke betrifft? Denn vor Gott eigentlich der Glaube heilig macht und allein ihm dient, die Werke aber den Leuten. Da hast du alles Gut, Schutz und Schirm unter dem Herrn, ein fröhliches Gewissen und gnädigen Gott dazu, der dirs hundertfältig vergelten will, und bist gar ein Junker, wenn du nur fromm und gehorsam bist. Wo aber nicht, hast du erstlich eitel Zorn und Ungnade von Gott, keinen Frieden im Herzen, darnach alle Plage und Unglück. Welchen nun solches nicht bewegen will und fromm machen, den befehlen wir dem Henker und Streckebein. Darum bedenke ein jeglicher, der sich will sagen lassen, dass es Gott kein Scherz ist, und wisse, dass Gott mir dir redet und Gehorsam fordert. Gehorchst du ihm, so bist du das liebe Kind; verachtest du es aber, so habe auch Schande, Jammer und Herzeleid zu Lohn.
Desgleichen ist auch zu reden von Gehorsam weltlicher Obrigkeit, welche (wie gesagt) alle in den Vaterstand gehört und am allerweitesten um sich greift. Denn hier ist nicht ein einzelner Vater, sondern so vielmal Vater, soviel er Landsassen, Bürger oder Untertanen hat. Denn Gott gibt und erhält uns durch sie - als durch unsere Eltern - Nahrung, Haus und Hof, Schutz und Sicherheit. Darum weil sie solchen Namen und Titel als ihren höchsten Preis mit allen Ehren führen, sind wir auch schuldig, dass wir sie ehren und groß achten für den teuersten Schatz und köstlichste Kleinod auf Erden.
Wer nun hier gehorsam, willig und dienstbar ist und gern tut alles, was die Ehre belangt, der weiß, dass er Gott gefallen tut, Freude und Glück zu Lohn kriegt. Will ers nicht mit Liebe tun, sondern verachten und sich sperren oder rumoren, so wisse er auch wiederum, dass er keine Gnade noch Segen habe, und wo er einen Gulden damit meint zu erlaufen, anderswo zehnmal mehr dagegen verliere, oder dem Henker zuteil werde, durch Krieg, Pestilenz und Teurung umkomme, oder an seinen Kindern kein Gutes erlebe, von Gesinde, Nachbarn oder Fremden und Tyrannen Schaden, Unrecht und Gewalt leiden müsse, auf dass uns bezahlt werde und heimkomme was wir suchen und verdienen.
Wenn uns nur einmal zu sagen wäre, dass solche Werke Gott so angenehm sind und so reichliche Belohnung haben, würden wir in eitel überschwänglichen Gütern sitzen und haben, was unser Herz begehrt. Weil man aber Gottes Wort und Gebote so gar verächtlich hält, als hätte es irgendein Holhipler geredet, so lass auch sehen, ob du der Mann seiest, der ihm entsitzen könnte. Wie schwer wirds ihm wohl werden, dass er dich wieder bezahle. Darum lebtest du gewisslich so mehr mit Gottes Hulde, Friede und Glück als mit Ungnade und Unglück. Warum anders, meinst du, dass jetzt die Welt so voll Untreu, Schande, Jammer und Mord ist, denn dass jedermann sein eigener Herr und Kaiserfrei will sein, auf niemand etwas geben und alles tun, was ihn gelüstet? Darum straft Gott einen Buben mit dem andern, dass, wo du deinen Herrn betrügst oder verachtest, ein anderer komme, der dir wieder also mitfahre, ja dass du in deinem Haus von Weib, Kind oder Gesinde zehnmal mehr leiden müssest.
Wir fühlen unser Unglück wohl, murren und klagen über Untreu, Gewalt und Unrecht, wollen aber nicht sehen, dass wir selbst Buben sind, die Strafe redlich verdient haben und nichts davon besser werden; wir wollen keine Gnade und Glück haben, darum haben wir billig eitel Unglück, ohne alle Barmherzigkeit. Es müssen noch etwa fromme Leute auf Erden sein, dass uns Gott noch so viel Gutes lässt; unserthalb sollten wir keinen Heller im Haus, keinen Strohhalm auf dem Felde behalten. Das alles habe ich müssen mit so viel Worten treiben, ob es einmal jemand wollte zu Herzen nehmen, dass wir der Blindheit und Jammers, darin wir so tief gelegen sind, möchten los werden, Gottes Wort und Willen recht erkennen und mit Ernst annehmen. Denn daraus würden wir lernen, wie wir könnten Freude, Glück und Heil zeitlich und ewig genug haben.
Also haben wir dreierlei Väter in diesem Gebote vorgestellt: des Geblüts, im Hause und im Lande. Darüber sind auch noch geistliche Väter, nicht wie im Papsttum, die sich wohl also haben lassen nennen, aber kein väterliches Amt geführt. Denn das heißen allein geistliche Väter, die uns durch Gottes Wort regieren und vorstehen, wie sich St. Paulus ein Vater rühmt, 1. Kor. 4,15 da er spricht: Ich habe euch gezeugt in Christo Jesu durch das Evangelium. Weil sie nun Väter sind, gebührt ihnen auch die Ehre, auch wohl vor allen andern; aber da geht sie am wenigsten; denn die Welt muss sie so ehren, dass man sie aus dem Lande jage und nicht ein Stück Brotes gönne, und Summa, sie müssen (wie Paulus sagt) der Welt Kehricht und jedermanns Schabab sein. Doch ist not, solches auch in den Pöbel zu treiben, dass die da Christen heißen wollen, vor Gott schuldig sind, die, so ihrer Seele warten, zwiefacher Ehre wertzuhalten, wohltun und versorgen; da will dir Gott auch genug zugeben und keinen Mangel lassen. Aber da sperrt und wehrt sich jedermann, haben alle Sorge, dass der Bauch verschmachte und können jetzt nicht einen rechtschaffenen Prediger nähren, da wir zuvor zehn Mastbäuche gefüllt haben. Damit wir auch verdienen, dass uns Gott seines Worts und Segens beraube und wiederum Lügenprediger aufstehen lasse, die uns zum Teufel führen, dazu unser Schweiß und Blut aussaugen.
Welche aber Gottes Willen und Gebot vor Augen halten, haben die Verheißung, dass ihnen reichlich soll vergolten werden, was sie beide, an leibliche und geistliche Väter, wenden und zu Ehren tun; nicht dass sie ein Jahr oder zwei Brot, Kleider und Geld haben sollen, sondern langes Leben, Nahrung und Friede, und sollen ewig reich und selig sein. Darum tue nur, was du schuldig bist, und lasse Gott dafür sorgen, wie er dich nähre und genug schaffe. Hat ers verheißen und noch nie gelogen, so wird er dir auch nicht lügen. Solches sollte uns je reizen und ein Herz machen, das zerschmelzen möchte vor Lust und Liebe gegen die, so wir Ehre schuldig sind, dass wir die Hände aufhüben und fröhlich Gott dankten, der uns solche Verheißung gegeben hat, darnach wir bis an der Welt Ende laufen sollten. Denn obgleich alle Welt zusammen täte, vermöchte sie uns nicht ein Stündlein zum Leben zu legen oder ein Körnlein aus der Erde zu geben. Gott aber kann und will dir alles überschwänglich nach deines Herzen Lust geben. Wer nun solches verachtet und in Wind schlägt, der ist je nicht wert, dass er ein Gotteswort höre. Das ist nun zum Überfluss gesagt allen, so unter dies Gebot gehören.
Daneben wäre auch wohl zu predigen den Eltern und was ihr Amt führt, wie sie sich halten sollen gegen die, so ihnen befohlen sind zu regieren. Welches, wiewohl es in den zehn Geboten nicht ausgedruckt steht, ist es doch sonst an vielen Orten der Schrift reichlich geboten. Auch will es Gott eben in diesem Gebote mit eingebunden haben, wenn er Vater und Mutter nennt; denn er will nicht Buben und Tyrannen zu diesem Amt und Regiment haben, gibt ihnen auch nicht darum die Ehre, das ist Macht und Recht zu regieren, dass sie sich anbeten lassen, sondern denken, dass sie unter Gottes Gehorsam sind, und vor allen Dingen sich ihres Amtes herzlich und treulich annehmen, ihre Kinder, Gesinde, Untertanen usw. nicht allein zu nähren und leiblich zu versorgen, sondern allermeist zu Gottes Lob und Ehre aufzuziehen. Darum denke nicht, dass solches zu deinem Gefallen und eigener Willkür stehe, sondern dass Gott streng geboten und aufgelegt hat, welchem du auch dafür wirst müssen antworten.
Da ist nun abermal die leidige Plage, dass niemand solches wahrnimmt noch achtet, gehen hin, als gäbe uns Gott Kinder, unser Lust und Kurzweil daran zu haben, das Gesinde wie eine Kuh oder Esel allein zur Arbeit zu gebrauchen oder mit den Untertanen unsers Mutwillens zu leben, lassen sie gehen, als gings uns nichts an, was sie lernen oder wie sie leben, und will niemand sehen, dass der hohen Majestät Befehl ist, die solches ernstlich wird fordern und rächen, noch dass so große Not tut, dass man sich der Jugend mit Ernst annehme. Denn wollen wir feine, geschickte Leute haben, - beide, zu weltlichem und geistlichem Regiment, so müssen wir wahrlich keinen Fleiß, Mühe noch Kosten an unsern Kindern sparen, zu lehren und erziehen, dass sie Gott und der Welt dienen mögen, und nicht allein denken, wie wir ihnen Geld und Gut sammeln. Denn Gott kann sie wohl ohne uns nähren und reich machen, wie er auch täglich tut. Darum aber hat er uns Kinder gegeben und befohlen, dass wir sie nach seinem Willen aufziehen und regieren, sonst bedurfte er Vater und Mutter nirgend zu. Darum wisse ein jeglicher, dass er schuldig ist, bei Verlust göttlicher Gnade, dass er seine Kinder vor allen Dingen zu Gottes Furcht und Erkenntnis ziehe, und wo sie geschickt sind, auch lernen und studieren lasse, dass man sie, wozu es not ist, brauchen könnte.
Wenn man nun solches täte, wurde uns Gott auch reichlich segnen und Gnade geben, dass man solche Leute erzöge, da Land und Leute gebessert möchten werden; dazu feine gezogene Bürger, züchtige und häusliche Frauen, die darnach fortan fromme Kinder und Gesinde ziehen möchten. Da denke nun selbst, wie mordlichen Schaden du tust, wo du darin versäumlich bist und es an dir lässt fehlen, dass dein Kind nützlich und seliglich erzogen werde; dazu alle Sünde und Zorn auf dich bringst und also gleich die Hölle an deinen eigenen Kindern verdienst, ob du gleich sonst fromm und heilig wärst. Derhalben auch Gott, weil man solches verachtet, die Welt so greulich straft, dass man keine Zucht, Regiment noch Friede hat; welches wir auch alle beklagen, sehen es aber nicht, dass es unsere Schuld ist. Denn wie wir sie ziehen, so haben wir ungeratene und ungehorsame Kinder und Untertanen. Das sei genug zur Vermahnung; denn solches in die Länge zu treiben gehört auf eine andere Zeit.
Herausgeber: Gütersloher Verlagshaus aus „Unser Glaube"
Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) hat eine Neubearbeitung der evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften unter dem Titel „Unser Glaube“ herausgegeben. Die neue Ausgabe der in 6., überarbeiteter und ergänzter Auflage vorliegenden Bekenntnisschriften orientiert sich am aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung; die Übersetzung der Texte ist um theologische Genauigkeit und Klarheit sowie um ein zeitgemäßes Deutsch bemüht.