Atlas der Zivilgesellschaft: Grundrechte sind weltweit bedroht
„Brot für die Welt“ und Civicus stellen Bericht vor
Berlin (epd). Der Anti-Terror-Kampf und ein wachsender Einfluss autoritärer Staaten bedrohen einer neuen Untersuchung zufolge die Grundrechte weltweit. Wie aus dem ersten „Atlas der Zivilgesellschaft“ hervorgeht, den das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ und das internationale Netzwerk Civicus in Berlin vorstellten, genießen nur zwei Prozent aller Menschen weltweit uneingeschränkt das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.
„In sieben von acht Staaten sind diese Rechte inzwischen beschränkt“, sagte die Präsidentin von „Brot für die Welt“, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Laut Bericht leben 148 Millionen Menschen in den 22 Staaten, die heute bürgerliche Freiheiten respektieren und schützen. Dazu gehören beispielsweise Deutschland, Skandinavien und Neuseeland.
Entstehen einer Zivilgesellschaft gewaltsam unterbunden
Am schlimmsten ist die Situation den Angaben zufolge für rund zwei Milliarden Menschen in 21 Staaten, darunter China, der Jemen, Libyen, Saudi-Arabien und Vietnam. Dort werde das Entstehen einer Zivilgesellschaft gewaltsam unterbunden. Menschen würden inhaftiert, misshandelt oder getötet, wenn sie versuchten, ihre Meinung frei zu äußern oder Vereinigungen zu gründen, heißt es im „Atlas der Zivilgesellschaft“. Das betreffe ein gutes Viertel der Weltbevölkerung.
Weitere 1,3 Milliarden Menschen müssten befürchten, überwacht, drangsaliert, eingeschüchtert, inhaftiert, verletzt oder gar getötet zu werden, wenn sie Kritik an den Machthabern üben: Zu den 34 Staaten, in denen die Zivilgesellschaft stark unterdrückt wird, gehören laut dem Atlas Afghanistan, Ägypten, Kolumbien, Thailand und die Türkei.
Rund 2,7 Milliarden Menschen in 53 Staaten erleben „Beschränkungen“ der Zivilgesellschaft durch bürokratische Mittel, Überwachung oder den Einsatz von Polizeigewalt, wie aus dem Bericht hervorgeht. Dies sei der Fall in Brasilien, Indien, Malaysia, Marokko, Sri Lanka, Tunesien und Ungarn.
Regierungskritische Akteure verfolgt oder schikaniert
In 65 Staaten mit 1,2 Milliarden Einwohnern werde die Zivilgesellschaft „eingeengt“, beklagen die Autoren des Berichts. Regierungskritische Akteure würden gelegentlich juristisch verfolgt oder anderweitig schikaniert. Im Kampf gegen den Terrorismus würden Rechte begrenzt, Medien durch strikte Regulierung oder durch politischen Druck eingeschränkt. Zu diesen Ländern gehörten auch europäische Länder wie Frankreich, die Niederlande, Österreich und Polen sowie Australien, Japan und die USA.
Füllkrug-Weitzel kritisierte, dass seit den Terroranschlägen in New York vom 11. September 2001 bei der Terrorismusbekämpfung Maßnahmen ergriffen worden seien, die es ermöglicht hätten, „regierungskritische Organisationen zu überwachen und letztlich mundtot zu machen“. Die Digitalisierung gebe zudem nicht nur Aktivisten, sondern auch autoritären Regimen neue Möglichkeiten: Digitale Kommunikation werde kontrolliert und manipuliert. Länder wie China und Indien stärkten indes kleinen autoritären Staaten „international in ihrer Ablehnung von Demokratie und Menschenrechten den Rücken“.
„Massive Einschränkungen“ auch für „Brot für die Welt“
Auch für das Hilfswerk „Brot für die Welt“ seien zum Teil „massive Einschränkungen“ der Partnerorganisationen spürbar – durch Einschüchterung und Bedrohung bis hin zur Verhaftung. Besonders betroffen seien Organisationen, die sich für Frauenrechte und Minderheiten einsetzten. Als Negativbeispiel nannte Füllkrug-Weitzel den Tschad: Dort sei der Menschenrechtsaktivist und „Brot für die Welt“-Partner, Djeralar Miankeol, zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden, nachdem er in einem Radiointerview Kritik an der Korruption im Land geäußert habe. Für die Europäische Union gelte der Tschad indes als „Anker der Stabilität“ im Kampf gegen Terrorismus.