EKD-Ratsvorsitzender dringt auf Rettung von Bootsflüchtlingen
Podiumsveranstaltung „Gemeinsam für offene Häfen in Europa“ beim evangelischen Kirchentag in Dortmund mit Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando
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Dortmund (epd). Die evangelische Kirche fordert die Aufnahme aller im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge und ihre Verteilung in der EU. Europa müsse sofort einen Verteilmechanismus organisieren, damit nicht bei jedem Schiff neu darüber verhandelt werden müsse, wo und ob überhaupt die Menschen an Land gehen dürften, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Donnerstag auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund. Kirchentagspräsident Hans Leyendecker kritisierte, in Europa werde auf „totale Flüchtlingsabwehr“ gesetzt.
Bedford-Strohm verlangte unter großem Applaus, die 43 Flüchtlinge, die seit einer Woche auf dem Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ vor Lampedusa festsitzen, müssten endlich an Land gehen dürfen. „Europa verliert seine Seele, wenn wir so weitermachen“, mahnte der EKD-Ratsvorsitzende. Er bekräftigte mit Nachdruck seine Forderung, die Kriminalisierung von Seenotrettern zu beenden. Nicht diejenigen Menschen müssten sich rechtfertigen, „die im Moment als einzige überhaupt noch Leben retten, sondern diejenigen, die es verhindern“.
Der bayerische Landesbischof verwies darauf, dass sich allein in Deutschland rund 60 Städte bereiterklärt hätten, Bootsflüchtlinge aufzunehmen: „Die Bereitschaft und die Möglichkeiten sind da, niemand kann mehr sagen, wir können die Flüchtlinge nicht aufnehmen.“
Der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, nannte das Ertrinken von Flüchtlingen „eine Schande für Europa“. Die Abschottungspolitik des italienischen Innenministers Matteo Salvini widerspreche der Kultur, Tradition und auch der Migrationsgeschichte des Landes. Orlando forderte alle Bürgermeister in Europa auf, den Palermo-Appell zu unterzeichnen, den er Anfang des Monats zusammen mit Bedford-Strohm gestartet hatte. Darin erklären sich Kommunen bereit, „sichere Häfen“ für gerettete Flüchtlinge zu sein und sie aufzunehmen.
„Europa darf nicht töten“
Leyendecker sagte: „Man lässt zur Abschreckung die Flüchtlingsboote untergehen und die Flüchtlinge ertrinken.“ Das sei ein Verbrechen: „Europa darf nicht töten, auch nicht durch unterlassene Hilfeleistung.“ Zudem verfolge der italienische Innenminister Salvini die Flüchtlingshelfer, „er erschlägt die Menschlichkeit“. Das Meer dürfe aber nicht denjenigen überlassen werden, „die aus dem Mare Nostrum ein Mare Monstrum machen, einen Friedhof der Menschenrechte“, betonte der Kirchentagspräsident.
Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) kritisierte, dass die Bundesregierung bislang nicht auf das Angebot von Düsseldorf und anderen Städten eingegangen sein, Flüchtlinge auch über das ihnen zugewiesene Kontingent hinaus aufzunehmen. Der Tod Tausender Flüchtlinge im Mittelmeer sei ein Skandal und die Rettung der Menschen aus Seenot „der Lackmustest, ob wir ein zivilisiertes Europa und ein zivilisiertes Land sind“.
Geisel kritisierte, Solidarität und Menschlichkeit würden zwar häufig in Sonntagsreden bemüht, „aber wenn es zum Schwur kommt, ducken sich die meisten weg“. Menschlichkeit sei nicht verhandelbar und nicht teilbar. Kräftigen Applaus der mehreren hundert Zuhörer erhielt Geisel für seine Kritik am Vorgehen gegen Seenotretter.
Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, machte sich für legale und sichere Passagen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge stark. Die westfälische Landeskirche habe dazu in Absprache mit dem Innenministerium und den UN-Flüchtlingskommissariats ein Pilotprojekt für 120 Betroffene gestartet, sagte sie.
Die Seenotrettung im Mittelmeer war unter Druck geraten, nachdem vor allem Italien Schiffen mit Geretteten die Einfahrt in Häfen verweigert hatte. Wiederholt wurde nach erfolgten Rettungseinsätzen darum gerungen, welches Land die schiffbrüchigen Migranten aufnimmt. Die Bundesregierung konnte sich aber mit ihrer Forderung nach einem gesamteuropäischen Verteilmechanismus im Kreis der EU bislang nicht durchsetzen.