Konfessionell-kooperativ erteilter Religionsunterricht

Grundlagen, Standards und Zielsetzungen. EKD-Texte 128, Februar 2018, ISBN 978-3-87843-051-3

Zielsetzungen

  1. Grundsätzliches Ziel auch des konfessionell-kooperativ erteilten Religionsunterrichts ist es, einen Beitrag zum schulischen Bildungsauftrag zu leisten. Dabei wird Schule als Lern- und Lebensort verstanden. Er will religiöse Kompetenz vermitteln sowie den Dialog und das Miteinander von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen fördern. Dabei geht es nicht nur im Verhältnis von evangelischer und katholischer Konfession darum, die Differenzen wahrzunehmen und die Gemeinsamkeiten zu stärken.
     
  2. Die Zielsetzungen des konfessionell-kooperativ erteilten Religionsunterrichts, die sich an vielen Stellen mit denen des konfessionell erteilten Religionsunterrichts decken, sind im Einzelnen:
  • einen Beitrag zur konfessionellen, religiösen oder weltanschaulichen Identität der einzelnen Schülerin bzw. des einzelnen Schülers zu leisten,
  • in der authentischen Begegnung und Auseinandersetzung mit der jeweils anderen Konfession die Förderung der Fähigkeit, diese erworbene Identität zu anderen Positionen und Identitäten in Beziehung zu setzen,
  • die theologisch und religionspädagogisch verantwortete Weitergabe der gemeinsamen Glaubensüberzeugungen bei gleichzeitiger Benennung der unterschiedlichen Traditionen und Frömmigkeitspraxen und – wo vom Curriculum her vorgesehen – Bearbeitung von kontroverstheologischen Themen in Achtung der Überzeugung des jeweils Anderen,
  • Stärkung eines Bewusstseins für die eigene Konfessionalität, im Wissen um unterschiedliche konfessionelle Prägungen und ihre Bedeutung für die Beheimatung von Menschen in »ihrer Konfession«,
  • ökumenische Offenheit und Entwicklung eines ökumenischen Bewusstseins,
  • Achtung und Toleranz gegenüber den konfessionellen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Anderen im Dialog.
  1. Die Begegnung und Zusammenarbeit mit anderen Religionen sowie der interreligiöse Dialog werden zunehmend relevant. Deshalb sind zukünftig verstärkt auch für die Zusammenarbeit insbesondere mit dem jüdischen, muslimischen und alevitischen Religionsunterricht Konzepte zu entwickeln, die ebenfalls die Gemeinsamkeiten der Religionen herausarbeiten und stärken und gleichzeitig die Differenzen wahrnehmen. Es geht dabei zunächst um eine projekthafte und themenbezogene Begegnung und Zusammenarbeit. Die Grundlagen des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts beruhen auf gemeinsamen theologischen Grundlagen, christlicher Praxis und christlichem Selbstverständnis in seinen konfessionellen Ausprägungen sowie einer gewachsenen Ökumene. Darin unterscheidet sich der konfessionell-kooperative Religionsunterricht von einer interreligiösen Kooperation.
    Zur Fortentwicklung tragfähiger und verbindlicher Formen interreligiösen Lernens, die nicht mit konfessionell-kooperativ erteiltem Religionsunterricht verglichen werden können, bedarf es entsprechender theologischer, religionspädagogischer und didaktischer Begründungen.
    Lernen durch Begegnung und Lernen an der Differenz kann evtl. auch zur Grundlage für ein noch zu entwickelndes, eigenständiges didaktisches Konzept für eine interreligiöse Kooperation im Rahmen der Fächergruppe werden.
     
  2. Auch der konfessionell-kooperativ erteilte Religionsunterricht wird die Zusammenarbeit insbesondere mit dem Fach Ethik[9], dem Fach Lebenskunde[10] oder Philosophie[11], aber auch mit anderen Fächern suchen, um die notwendige Dialog- und Pluralitätsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Angesichts der wachsenden Zahl sog. konfessionsloser Schülerinnen und Schüler ist dies eine notwendige Aufgabe. Weil der konfessionelle Religionsunterricht und der konfessionell-kooperativ erteilte Religionsunterricht auch für die Teilnahme konfessionsloser Schülerinnen und Schüler offen sind (s. o. 10.), kann und soll dieses Gespräch auch innerhalb des Religionsunterrichts gesucht und didaktisch reflektiert gestaltet werden. Um der religiösen Alphabetisierung aller Schülerinnen und Schüler willen muss daher auf Schulebene wie überregional das Gespräch mit Lehrkräften und Didaktikern dieser Ersatz- bzw. Alternativfächer gesucht werden.
     
  3. Der konfessionell-kooperativ erteilte Religionsunterricht fördert das Bewusstsein für die eigene Konfessionalität und leistet einen entscheidenden Beitrag zu einem verantwortlichen Miteinander von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Religionen, Konfessionen und Weltanschauungen an einer Schule. Er ist auch offen für Kooperationen mit anderen Religionen und Weltanschauungen. Hilfreich ist hierbei eine Didaktik, die Gemeinsamkeiten betont und Differenzen klar benennt. Auch die im konfessionell-kooperativ erteilten Religionsunterricht tätigen Lehrkräfte setzen Akzente für den Umgang mit Religion im Schulprogramm, sorgen für die Gestaltung von Schulgottesdiensten und Andachten, engagieren sich im Rahmen von Schulseelsorge bzw. Schulpastoral und sind kompetente Ansprechpartnerinnen und -partner in religiösen Fragen. In diesem Zusammenhang sind Erfahrungsberichte und Anregungen zur weiteren Förderung und Reflexion konfessioneller Kooperation und interreligiöser Zusammenarbeit ausdrücklich erwünscht.

Fußnoten

9 Der Ethik-Unterricht hat in einzelnen Bundesländer andere Bezeichnungen: Werte und Normen, Philosophie oder LER (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde).

10 Dies ist ein weltanschaulich gebundener Unterricht des Verbandes der Humanisten Union in Berlin und Brandenburg.

11 In Nordrhein-Westfalen ist das Alternativfach zu Religion „Philosophie“, es gibt aber im Unterschied zu „Ethik“ das Fach „Philosophie“ in einzelnen Bundesländern auch als eigenständiges Fach.