Evangelische Schulseelsorge in der EKD

Ein Orientierungsrahmen. EKD-Text 123, Hrg. EKD, August 2015, ISBN: 978-3-87843-036-0

1 Selbstverständnis

1.1. Lebensort Schule

Evangelische Schulseelsorge

  • ist ein von der evangelischen Kirche getragenes Angebot an Menschen und Gruppen in der Schule.
  • bietet Rat und Hilfe sowie religiös-ethische und liturgisch-spirituelle Begleitung im sinnstiftenden Horizont des christlichen Glaubens.
  • steht im seelsorglichen Einzelgespräch unter einem besonderen Schutz.
  • vernetzt sich mit anderen psychosozialen Diensten und Seelsorgeakteuren in der Schule und ist auch Partnerin der schulischen Krisenintervention.
  • leistet einen Beitrag zu einer am Bedarf und den Lebenslagen der Schülerinnen und Schüler orientierten humanen Schulkultur und ist damit Teil einer sorgenden Schulgemeinschaft (»caring community«).

Die Schule ist als Lernort zugleich auch Lebensort von Kindern, Jugendlichen, Lehrkräften und anderen dort tätigen Menschen, die hier einen Großteil ihres Tages verbringen. Mit Angeboten der Schulseelsorge kann sich die evangelische Kirche mit ihren Erfahrungen, Kompetenzen und Netzwerken dialogisch bzw. subsidiär in diesen öffentlichen Raum einbringen.

Insbesondere Kinder und Jugendliche bearbeiten in der Schule ihren Alltag und erproben sich bei der Herausbildung sinnstiftender Weltdeutung und Lebensbewältigung in Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen und Erwachsenen. In diesen Prozessen können Schulseelsorgerinnen und Schulseelsorger auf die Lebensbedeutung des christlichen Glaubens hinweisen und mit ihrer christlich motivierten Sicht auf den Menschen einen wertschätzenden Umgang miteinander in der Schule unterstützen. Die evangelische Kirche trägt damit zu einer menschenfreundlichen und religionssensiblen Schulkultur bei und übernimmt so in besonderer Weise öffentliche Verantwortung.
 
1.2 Persönliche Begleitung

Kinder und Jugendliche wachsen auf unter den immer komplexer erscheinenden Bedingungen der reflexiven Moderne, von Globalisierung und Multioptionalität im persönlichen Leben wie in der Gesellschaft. Auch Schule und Unterricht sind mit vielfältigen Veränderungen, Erwartungen und Belastungen verbunden. Verkürzte Schulzeiten, heterogene Lerngruppen und oft hoher Leistungsdruck prägen den Schulalltag. Der Umgang mit neuen Medien und internetbasierten sozialen Netzwerken, Armut und andere soziale Problemlagen, Bildungsungerechtigkeit sowie die Bewältigung persönlicher und familiär bedingter Probleme stellen für Kinder und Jugendliche und damit auch für Schule große Herausforderungen dar.

Vor diesem Hintergrund suchen Kinder und Jugendliche Rat, Unterstützung und hilfreiche Beziehungen, um ihr Leben verstehen und bewältigen zu können. Dazu sollten sie die Erfahrung machen, dass auch am Ort der Schule in schwierigen Lebenssituationen jemand für sie da ist und sie persönlich begleitet. Dies stellt auch für die evangelische Kirche eine Aufgabe und Herausforderung dar.

1.3 Kirche als Teil der sorgenden Schulgemeinschaft

Seelsorge ist eine wesentliche Dimension des christlichen Glaubens und eine zentrale Lebensäußerung der evangelischen Kirche. Evangelische Seelsorge versteht sich als christlich motivierte Lebensbegleitung, Hilfe zur Lebensgewissheit und Unterstützung bei der Herausbildung von Lebensführungskompetenzen. Schulseelsorge will Kindern und Jugendlichen eine im Evangelium begründete Lebenszuversicht eröffnen. In all ihren verschiedenen Formen zielt evangelische Schulseelsorge darauf, dass Kinder und Jugendliche sich selbst als Person erfahren, als persönlich angenommene und wahrgenommene, von Gott gewollte und geliebte Menschen. Sie sollen erfahren, dass Menschen im Vertrauen auf Gott wahrhaft leben können, weil sie in einen offenen Horizont gestellt sind und Zukunft haben, auch wenn sie diese mitunter aktuell aus eigener Kraft nicht erkennen können oder wollen.

In zivilgesellschaftlicher Vernetzung ist evangelische Schulseelsorge im Alltag der Menschen in der Schule verortet und hilft zum Gelingen des Alltags. Sie identifiziert mit den Menschen Probleme und Konflikte und sucht mit ihnen gemeinsam nach Ressourcen zu deren Lösung. Schulseelsorge übernimmt so Mitverantwortung für Sorge und Fürsorge in der Schulgemeinschaft. Sie ist Hilfe zur Lebensgestaltung für die Menschen im Kontext der Schule und leistet damit auch einen Beitrag zur psychosozialen Beratung und Begleitung.