Evangelische Kirche: Missbrauchsstudie hat Steine ins Rollen gebracht

Hannover/Frankfurt a.M. (epd). Ein Jahr nach Veröffentlichung der evangelischen Missbrauchsstudie zeigen sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie zufrieden mit den bisherigen Resultaten der Aufarbeitung. Die Schlussfolgerungen aus der ForuM-Studie hätten Steine ins Rollen gebracht, betonte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, am Montag. Man befinde sich auf dem Weg, „in Haltung und Strukturen eine Kulturveränderung voranzubringen.“

Kirsten Fehrs

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, Kirsten Fehrs.

Dies sei vor allem der intensiven Mitarbeit von betroffenen Menschen im Beteiligungsforum zu verdanken, fügte Fehrs hinzu: „Auch wenn der gewünschte Kulturwandel Zeit braucht, ist dennoch klar: Wir wollen diesen Wandel! Prävention und Aufarbeitung bleiben auf allen Ebenen der Kirche und der Diakonie eine konsequent weiter zu bearbeitende Aufgabe.“ Zwar werde bereits seit Jahren an Richtlinien und Standards für Aufarbeitung und Prävention gearbeitet, „nun aber tun wir es auf anderer wissenschaftlicher Grundlage“.

Der Präsident der Diakonie Deutschland, Rüdiger Schuch, fügte hinzu: „Die Diakonie bekennt sich klar zur Aufarbeitung, Anerkennung, Prävention und Intervention für alle Fälle sexualisierter Gewalt. Wir haben dazu Regelungen erarbeitet, die für unseren gesamten Verband verbindlich werden.“

Nancy Janz, Sprecherin der Gruppe der betroffenen Personen im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der EKD, zog eine zweigeteilte Bilanz: „ForuM war ein notwendiger Schritt und ist eine gute Grundlage, um in der Aufarbeitung weiterzukommen. Viele betroffene Personen haben sich auch nach der Veröffentlichung neu gemeldet, aber es bleibt noch sehr viel zu tun, und leider habe ich nicht überall in der Kirche den Ruck verspürt, den ForuM hätte auslösen sollen.“

Laut Detlev Zander, ebenfalls Sprecher der Gruppe der betroffenen Personen im Beteiligungsforum, war es „ein hartes Stück Arbeit. Aber auch eine wichtige Chance, die Arbeit der EKD in den nächsten Jahren entscheidend mitzubestimmen und immer wieder die Perspektive von betroffenen Personen einzutragen.“

Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst, Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum erklärte: „ForuM hatte zum Ziel, Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie zu identifizieren. Und genau dieses neue Wissen lassen wir jetzt in unsere Präventionsstandards einfließen.“

Ein Maßnahmenplan wurde von den Gremien der EKD, zuletzt durch die Synode im November 2024, angenommen und beschlossen. Die beiden ersten großen Maßnahmen, die 2025 angegangen werden sollen, sind den Angaben zufolge eine umfangreiche Novelle der Gewaltschutzrichtlinie der EKD und die Errichtung einer zentralen Ombudsstelle für betroffene Personen.

Ein unabhängiges Forscherteam veröffentlichte im Januar 2024 eine Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie. Es ist die erste bundesweite Studie dieser Art. Die Forscher gehen darin von mindestens 1.259 Beschuldigten, darunter 511 Pfarrpersonen, und mindestens 2.225 Betroffenen für den Bereich der EKD und der Diakonie aus.

Anfang Oktober ging außerdem die Vernetzungsplattform „BeNe“ an den Start - ein Betroffenennetzwerk. Die Studie wurde vom interdisziplinären Forschungsverbund „ForuM - Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“ erstellt.