Gemeinsame Stellungnahme zum Manifest „Kirchen sind Gemeingüter“

Hintergrundinformation

Pressestellen der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz

Das Manifest „Kirchen sind Gemeingüter“ einer Initiative von Stiftungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nimmt sich einer Thematik an, welche die beiden großen Kirchen seit Langem umfassend diskutieren und konzeptionell bearbeiten, die aber auch an einzelnen Orten und in einzelnen Regionen intensiv beraten und meist sehr emotional diskutiert wird.

Es geht um den Umgang mit und die Perspektive für die große Zahl vorhandener Kirchengebäude angesichts deutlich zurückgehender Kirchenmitgliedszahlen und spürbar abnehmender Finanzkraft der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland.

Evangelische und katholische Kirche sind sich mit den Initiatorinnen und Initiatoren des Manifests in dem zentralen Anliegen einig: Kirchengebäude sollen gemeinsam für die Gesellschaft und für die Nachwelt in lebendiger Nutzung erhalten werden. Gleichwohl gibt es aus kirchlicher Sicht Nachfragen und Anmerkungen. Folgende Überlegungen verstehen sich als ein Gesprächsangebot.

Worum geht es?

Im Eigentum vornehmlich der örtlichen Kirchengemeinden stehen aktuell rund 42.000 Kirchengebäude, ein Großteil davon Baudenkmale, die von den Kirchen alleine dauerhaft nicht er- und unterhalten werden können. Zahlreiche Kirchengebäude werden aktuell schon und künftig zunehmend im Kontext kirchlicher Gebäudekonzeptionen auf den Prüfstand gestellt. Infolge dieser Prüfung werden Gebäude unter Umständen aus einer (dauerhaften) kirchlichen Nutzung herausgenommen oder für eine Um- oder Mitnutzung für soziale, kulturelle oder andere Zwecke bestimmt.

Die Kirchen teilen die Einschätzung der Initiatorinnen und Initiatoren des Manifests, dass die Kirchengebäude zum Kulturerbe unseres Landes und unserer Landschaften zählen. Der Kirchenbau gehört mit seinen besonderen baukulturellen Ansprüchen nach wie vor zum kulturellen Erbe und hat für die Gesellschaft insgesamt und im jeweiligen lokalen bzw. regionalen gesellschaftlichen Kontext eine außerordentlich hohe und wichtige Bedeutung.
Aus dieser Haltung heraus schlagen die Initiatoren und Initiatorinnen des Manifests eine Verantwortungsgemeinschaft insbesondere für diejenigen Kirchen vor, die von den Kirchengemeinden als sakrale und liturgische Orte aufgegeben werden. Sie sehen hier den Staat, die Gesellschaft und weitere Akteure in der Pflicht einer angemessenen Unterhaltung und Nutzungsentwicklung, die historischen, politischen und pädagogischen Anforderungen und Entwicklungen Rechnung trägt.

Vorgeschlagen wird die Übernahme der Trägerschaft für Kirchenbauten, hier in der Gestalt einer großen Stiftung oder einer Stiftungslandschaft, der das Eigentum an den Kirchengebäuden übertragen werden soll. Die Kirchen sollen als „kooperative Partne-rinnen“ in die Prozesse zur künftigen Nutzung einbezogen werden.

Mit Kirche reden!

Aus Sicht der Kirchen ist es erfreulich, dass sich eine Vielzahl von Personen – vornehmlich Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger, Architektinnen und Architekten, Bauforscherinnen und Bauforscher sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – mit der Bedeutung von Kirchengebäuden in der und für die Gesellschaft heute und auch in der Zukunft auseinandersetzt und deren Erhaltung und Fortbestand zu ihrem Thema gemacht hat. Es spricht für sich, dass das Manifest auf dem Wege einer Online-Petition bereits zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer gewinnen konnte. Die Aufforderung an die Gesellschaft und an die öffentliche Hand zur Unterstützung des Erhalts von Kirchengebäuden in ihrem örtlichen Kontext begrüßen die Kirchen.

Noch stehen die Kirchen – und genauer: in der Regel die Kirchengemeinden – vor der Frage, wie ihre jeweiligen Kirchengebäude – ggf. auch mehrere in einer einzelnen Gemeinde – angemessen für eine Nutzung attraktiv erhalten sowie baulich dauerhaft und denkmalgerecht unterhalten werden können. Die nachhaltigkeitsethischen Grundsätze christlicher Schöpfungsverantwortung erhöhen die Komplexität und Dringlichkeit dieser Aufgabe. 

Die dem Manifest zugrunde liegenden Forderungen lesen wir als Appell an die Politik und gesellschaftliche Gruppen, sich mit den Kirchen auf geeignete Formate der Partizipation zu verständigen, damit die angesprochenen Aspekte unter Berücksichtigung der Rechtslage sachlich und mit Augenmaß weiterentwickelt werden. Bereits jetzt sind die zahlreichen (orts-)kirchlichen Initiativen und Bemühungen um eine sozialräumliche Entwicklung von Kirchengebäuden und weiteren kirchlichen Gebäuden im Eigentum der Kirchen Beispiele für diese Weiterentwicklung. Viele bestehende Initiativen im gesamten Bundesgebiet zeigen, dass die geforderte gemeinsame Anstrengung zum Erhalt und zur Nutzung der Kirchen vor allem auf Ortsebene bereits gelebt wird – zugleich besteht hier noch großes Potenzial. Die Kirchen sind selbst aktiv auf der Suche nach Perspektiven für ihren sakralen und den übrigen Gebäudebestand – auch für das kirchliche Leben der Zukunft – und diskutieren dies regelmäßig in den relevanten Räumen öffentlich. Da jede Veränderung in der Trägerschaft des Eigentums an Kirchengebäuden grundsätzlich nur mit der Zustimmung der kirchlichen Eigentümer und Eigentümerinnen erfolgen kann, ist es wichtig, zusammen mit den Kirchen Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Die Gründung von Stiftungen im Blick auf gegenwärtig nicht mehr genutzte Kirchen-gebäude und zur Entwicklung von Perspektiven für sie wird in den Kirchen bereits diskutiert. Das gemeinsame, vorrangige Ziel sollte es sein, vor Ort die Menschen zu aktivieren und zu unterstützen, die es als sinnvolle Aufgabe verstehen, für den dauerhaften Erhalt „ihres“ Kirchengebäudes Sorge zu tragen.

In den Entwicklungsprozessen für Kirchengebäude ergeben sich viele Chancen, aber auch einige Herausforderungen. Zu diesen zählen neben den besonderen Bauformen und -konstruktionen beispielsweise auch die Anforderungen der Bautechnik, des Klimaschutzes, des Brandschutzes und weitere wichtige Belange wie der Denkmalschutz. Diese Anforderungen gegen- und miteinander abzuwägen braucht Zeit und die richtigen Partner auf beiden Seiten, damit alternative und erweiterte Nutzungen möglich wer-den. Dabei erleben die Kirchen das Verhältnis zur staatlichen Denkmalpflege als ganz überwiegend positiv und partnerschaftlich. Hier kann auf jahrzehntelange Erfahrungspartnerschaften aufgebaut werden. Angesichts der aktuellen Herausforderungen suchen beide Partner immer auch nach neuen, verbesserten Wegen für die Zukunft der kirchlichen Bau- und Kunstdenkmale.

Trägerschaft von Kirchengebäuden

Kirchengebäude einschließlich ihrer im Manifest ausdrücklich erwähnten Ausstattung – die Orgeln, die liturgischen Prinzipalstücke (Altar, Taufstein, Kanzel, Ambo etc.), die in der Regel künstlerisch mit der Kirchenarchitektur in enger Korrespondenz stehen, und weitere Kunstwerke im Kirchenraum – sind durch ihre langjährige kirchliche Nutzung geprägt. Dass Kirchen immer Räume für den gemeinschaftlichen Gottesdienst waren, ist und bleibt die Wurzel ihrer aktuellen gesellschaftlichen und örtlichen Bedeutung. 

Die jahrelange Erfahrung der kirchlichen Bauämter zeigt, dass auch in anderen Trägerschaftsmodellen diese besonderen Gebäude weiterhin Veränderungen unterliegen sowie betrieben und unterhalten werden müssen. Dafür braucht es eine umfassende Organisationsleistung, interdisziplinäre Fachkompetenz und solides Kapital. Die kirchlichen Eigentümerinnen und Eigentümer haben in jahrhundertelangem Engagement wirkungsvolle personelle, rechtliche und finanzielle Strukturen geschaffen. Tatsächlich stellt sich die Frage, in welchem Maße die Kirchen angesichts schwindender Finanzkraft und schwindender personeller Möglichkeiten diese Leistungen künftig weiter erbringen können. Allerdings ist unbeschadet der Reichweite von Stiftungsmodellen die bloße Etablierung von Stiftungen als weitere Verantwortungsebene per se noch keine Lösung der vielfältigen, mit nicht mehr benötigten Kirchenbauten zusammenhängenden Herausforderungen. Hier bedarf es umfangreicher und ökonomisch verantwortbarer Modelle, deren Teil Stiftungen sein können.

Durch ihren hohen Einsatz für den Betrieb und die Sicherung der Kirchenbauten sind die Kirchen in jedem Fall die zentralen Akteure bei jeder Frage nach künftigen Lösungswegen. Die Kirchengebäude dabei in ihrer Bedeutung als Gemeingut in den Blick zu nehmen, ist begrüßenswert.

Ob es sich bei Kirchengebäuden um „radikal öffentliche“ Räume handelt, kann – jedenfalls gegenwärtig sowohl aus Sicht der Kirchen wie auch der Gesellschaft – nicht entschieden werden. Die Wurzel der öffentlichen Funktionen von Kirchbauten ist – auch für Kirchenferne – ihre spirituelle Bedeutung. Das gilt es bei neuen Nutzungen zu bedenken.

Die Dringlichkeit und Finanzierbarkeit der Frage nach Kirchenumnutzungen stellt sich in Deutschland regional unterschiedlich. Ebenso unterschiedlich ist bei der grundsätzlichen Frage des Denkmalerhalts die Unterstützung der öffentlichen Hand. Dabei ist in den westlichen Bundesländern festzustellen, dass die zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel immer weiter sinken. In den östlichen Bundesländern ist diese wichtige Aufgabe auch dank des Einsatzes privater und öffentlicher Stiftungen deutlicher. Lange konnte die Politik im Westen Deutschlands darauf vertrauen, dass die Kirchenmitglieder durch ihre Kirchensteuer diesen Dienst an der Allgemeinheit gewährleisten – dies wird sich in Zukunft ändern.

Das „Manifest“ setzt einen wichtigen Impuls. Wie dessen Initiatorinnen und Initiatoren sehen die beiden Kirchen einen Gewinn in einer Beteiligung anderer gesellschaftlicher Akteure an den Fragen des Erhalts und der Pflege dieser besonderen Bauten, deren rein kirchliche Nutzung vielfach und zunehmend infrage steht. Dauerhafter Erhalt und Pflege dieser zur Diskussion stehenden Kirchengebäude sind jetzt und in Zukunft die Grundlage für jedwede Nutzung – liturgisch, kulturell, sozial, vielfältig. Ziel sollte die Entwicklung von – auch finanziell – tragfähigen Konzepten für den Umgang mit diesen kirchlichen Gebäuden und Baudenkmalen sein.

Download der gemeinsamen Stellungnahme