Betroffenensprecherin Janz: Ein Jahr nach ForuM-Studie bleibt viel zu tun
Bremen (epd). Ein Jahr nach Veröffentlichung der ForuM-Studie zum Missbrauch in der evangelischen Kirche sind aus Sicht der Betroffenensprecherin Nancy Janz schon eine Reihe von Veränderungen angestoßen worden. Zugleich gebe es für einen besseren Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche noch viel zu tun, sagte Janz dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Es geht immer noch schleppend und langsam voran.“
Janz ist Sprecherin in der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie verwies auf Beschlüsse der EKD bei deren Synode im Herbst. Damit würden Schritte umgesetzt, die das Beteiligungsforum aus den Empfehlungen der Studie erarbeitet habe. Dazu zählten unter anderem ein „Recht auf Aufarbeitung“ für Betroffene und eine zentrale Ombudsstelle, die noch in diesem Jahr eingerichtet werden solle. Zudem werde die Gewaltschutzrichtlinie der EKD erneuert mit dem Ziel, einheitliche Standards bei der Aufklärung, Anerkennung, Prävention und Aufarbeitung zu schaffen.
Insbesondere im Umgang mit Betroffenen und der Anerkennung ihrer Expertise ist Janz zufolge noch viel zu tun. „Die Betroffenenbeteiligung ist deutlich ausbaufähig“, betonte sie. Zwar sei inzwischen das Betroffenen-Netzwerk „BeNe“ als digitale Vernetzungsplattform gestartet, doch mit Blick in die Landeskirchen und bis in die Gemeinden hinein bestehe noch deutlicher Handlungsbedarf.
„Es gibt immer noch Gemeinden, die darin kein Thema sehen“, kritisierte Janz. Diese Haltung sei weit entfernt von einem Kulturwandel in der Kirche. Janz leitet seit Mai die Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Bremischen Kirche. „Viele Betroffene wollen sich engagieren“, betonte sie. Zwar seien auch in den „Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen“ (URAK) der Kirchen und der Diakonie, die im Frühjahr ihre Arbeit aufnehmen sollen, jeweils Betroffene vertreten. Es brauche aber darüber hinaus viel mehr Formate der Mitwirkung.
Viele Betroffene seien durch ihre bisherigen Erfahrungen enttäuscht und wütend, unterstrich sie. „Sie sind immer wieder abgewiesen worden, oder es gab keine klare Verantwortungsübernahme.“ Niemand habe sich interessiert und ihnen Glauben geschenkt. Mit Blick auf die Aufarbeitung und Prävention müssten sich in der Kirche und der Diakonie auch diejenigen der Verantwortung stellen, die persönlich keine Schuld auf sich geladen hätten. „Am Ende müssen sich Kirchenleitende daran messen lassen, was sie bewegen.“
Im Januar vergangenen Jahres hatte ein unabhängiges Forscherteam eine bundesweite Studie zu Ursachen und Ausmaß sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie vorgelegt. Darin zählten die Forschenden mindestens 1.259 Beschuldigte, darunter 511 Pfarrer, und mindestens 2.225 Betroffene. Zudem stellten sie Mängel im Umgang mit Missbrauchsfällen und Betroffenen fest.