Ihre Amtsbrüder machten ihr das Leben schwer
Vor 120 Jahren wurde die Theologin Katharina Staritz geboren
Sie rettete mehr als 100 Verfolgte vor den Nazis und war die erste Theologin in Deutschland mit einer Planstelle. An ihrem Wirkort Frankfurt am Main erinnert heute nur noch wenig an Katharina Staritz.
Frankfurt a.M. (epd). Die Worte, mit denen man Katharina Staritz 1928 zum ersten Theologieexamen gratulierte, muten wie Zynismus an: „Ich beglückwünsche Sie zu einem außerordentlich guten Examen und dem vielen Wissen, was Sie gezeigt haben. Es tut mir nur Leid, dass Sie das alles gar nicht mehr verwenden können.“ Die damals 25-Jährige ließ sich nicht beirren. Als eine der ersten Frauen wurde sie wenig später an der Theologischen Fakultät Marburg promoviert. Am 25. Juli jährt sich Staritz' Geburt zum 120. Mal.
Nach dem zweiten Theologieexamen in ihrer Heimatstadt Breslau betraute man sie dort 1932 mit der Jugend- und Frauenarbeit sowie der Kinderklinik-Seelsorge. Als Vikarin, denn das Pfarramt war Männern vorbehalten.
Daran änderte auch ihre Ordination 1938 nichts. In Breslau war Staritz für konvertierte Juden zuständig. Der Bekennenden Kirche angehörend, die der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten ablehnend gegenüberstand, leitete sie ab 1939 die Außenstelle des Berliner „Büro Pfarrer Grüber“, einer Hilfsstelle für „nicht-arische“ Christen. Sie verhalf mehr als 100 Frauen und Männern zur Auswanderung und damit zum Überleben.
„Katharina Staritz war eine große Theologin, die mit ihrem Engagement während des NS-Regimes und ihrem Einsatz für die Gleichstellung von Frauen im Amt praktisch auf ein Privatleben verzichtete“, sagt Helga Engler-Heidle, die das Frauenpfarramt in Frankfurt am Main von 1985 bis 2001 leitete. „Sie hätte sich auch gerne habilitiert, was Frauen aber damals nicht möglich war.“
Die Kirchenleitung missbilligte ihr Handeln und setzte ihm 1941 ein Ende. Weil Staritz in einem Rundbrief das verordnete Tragen des Judensterns attackiert und Pfarrer an ihre christliche Verantwortung für getaufte Jüdinnen und Juden erinnert hatte, wurde sie von allen Dienstobliegenheiten beurlaubt und gedrängt, Breslau zu verlassen.
Sie ging nach Marburg. 1942 deportierten die Nationalsozialisten Staritz ins „Arbeitserziehungslager Breitenau“, dann ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Dass sie nach einem Jahr „probeweise“ entlassen wurde, hatte die Theologin ihrer Schwester Charlotte und deren Insistieren bei Kirchenbehörden wie Nazis zu verdanken.
Zurück in Breslau und unter Aufsicht der Gestapo zur Untätigkeit verdammt, floh Staritz im Januar 1945 mit Schwester und Mutter wieder nach Marburg. Die Landeskirche Kurhessen-Waldeck beauftragte sie mit Vertretungsdiensten, Gefängnisseelsorge, Religionsunterricht und dem Entwurf einer Vikarinnen-Ordnung. Ihre Ordination wurde aber nicht anerkannt.
Der Theologe und NS-Widerstandskämpfer Martin Niemöller, mittlerweile Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), holte sie schließlich 1949 als Vikarin für Frauenarbeit an die Frankfurter Katharinenkirche. Ein halbes Jahr später zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt, wurde Staritz 1950 als Stadtvikarin für Frauenarbeit eingeführt. Es war deutschlandweit die erste Planstelle für eine Theologin.
Staritz habe darauf bestanden, pfarramtliche Aufgaben wie Gottesdienste und Predigten zu übernehmen, berichtet die ehemalige Frauenpfarrerin Engler-Heidle. Staritz' Amtsbrüder seien deshalb empört gewesen und hätten ihr das Leben schwer gemacht.
Wegen einer Krebserkrankung schied sie 1952 aus dem Dienst und verstarb Anfang des Folgejahres mit nur 49 Jahren. Staritz' direkte Nachfolgerin in der Frauenarbeit, Gerlind Schwöbel, schrieb 1990 eine Biografie über sie und setzte sich für eine Gedenktafel ein. Die gebe es bis heute nicht, sagt Engler-Heidle. Zudem ärgere sie sich seit Jahren über den Zustand von Staritz' Grab.
Der wird sich bald ändern. Die Kirchengemeinde Bockenheim errichte auf der freien Fläche um das Grab von Katharina Staritz, ihrer Schwester und ihrer Mutter ein großes Gemeinschaftsgrab für etwa 200 Urnen, sagt die Historikerin Dore Struckmeier-Schubert. Die Friedhofsverwaltung wird einen Hinweis am Eingang und eine Infotafel am Grab installieren.
Buchhinweis: Ilse Meseberg-Haubold/Dietgard Meyer/Hannelore Erhart, "Katharina Staritz. 1903-1953, Bd. 2, Vandenhoeck & Ruprecht-Verlag, Paderborn, 629 Seiten, 49 Euro