Harbarth: Müssen Grundgesetz für künftige Generationen bewahren
Die EKD-Ratsvorsitzende Fehrs verurteilt beim traditionellen Sommerempfang Angriffe auf Politiker und ruft zum "guten Ton" in der Gesellschaft auf. Der Verfassungsgerichtspräsident mahnt, es brauche Menschen, die sich für die Verfassung einsetzen.
Berlin (epd). Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, hat zu einem besseren Schutz des Grundgesetzes aufgerufen. „Auch die beste Verfassung kann auf Dauer keinen Erfolg haben, wenn sie keine Menschen antrifft, die sich leidenschaftlich für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen“, sagte Harbarth am Mittwoch in Berlin. Aus der Präambel des Verfassungstextes leite sich der Auftrag ab, das Erbe der Mütter und Väter des Grundgesetzes „auch für künftige Generationen zu bewahren“, sagte er mit Blick auf das 75-jährige Bestehen der deutschen Verfassung.
Der Präsident des obersten deutschen Gerichts hielt ein Grußwort beim traditionellen Sommerempfang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Harbarth mahnte, das Grundgesetz könne seine Anerkennung allen noch so unverzichtbaren Instrumenten einer wehrhaften Verfassung zum Trotz letztlich nicht mit hoheitlichen Mitteln erzwingen. Der Jurist sprach von der „Fragilität, die einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung innewohnt“.
Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, dankte den Politikerinnen und Politikern dafür, dass sie ihre politischen Standpunkte immer wieder zur Disposition stellten und dafür auch öffentliche Angriffe in Kauf nähmen: „Tätliche Angriffe sogar, die schlicht inakzeptabel sind und aufs Schärfste zu verurteilen“, betonte sie in ihrer Festrede vor mehreren Hundert Gästen des politischen Berlins. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nahm teil, ebenso wie die Vizepräsidentin des Bundestags, Katrin Göring-Eckardt (Grüne).
Der politische Streit könne auch sehr erschöpfend sein, sagte Fehrs. „Das war wahrscheinlich immer schon so.“ Dass es allerdings inzwischen mit Abgeordneten, die den Stil demokratischer Auseinandersetzungskultur nicht mehr beherrschten, schlicht nicht mehr möglich sei, eine Parlamentsdebatte ohne Pöbelei, Herabsetzung, Verurteilung oder Hasstiraden zu führen, sei für die so nötige Diskurskultur alarmierend, sagte sie mit Blick auf die AfD.
Völkische Ideologie und christlicher Glaube schlössen sich aus, betonte die oberste Repräsentantin der rund 18,6 Millionen Protestantinnen und Protestanten in Deutschland. „Eine Ideologie der völkischen Überlegenheit ist mit christlicher Haltung nicht vereinbar. Das ist so und das bleibt so“, sagte Fehrs. Darum hätten die Kirchen in den vergangenen Monaten ein klares Nein zu allen Parteien, auch europaweit, gesprochen, die rassistische, antisemitische oder völkisch nationale Positionen vertreten. Eine gute, lebendige demokratische Kultur lebe davon, in ernsthafte Auseinandersetzung zu gehen - und dabei den guten Ton zu wahren. „In der Kirche wie in der Politik“, fügte die Hamburger Bischöfin hinzu.
Der Empfang in der Französischen Friedrichstadtkirche findet traditionell rund um den Johannistag (24. Juni) statt. Veranstaltet wird der Empfang von der Berliner Bevollmächtigten der EKD, Anne Gidion. Sie vertritt die Interessen der evangelischen Kirche gegenüber der Politik.