Empfang zum Gedenken an Bischof Juliusz Bursche

Grußwort von Präses Annette Kurschus, Stellvertretende Vorsitzende des Rates der EKD

Sehr geehrte Familie von Bischof Bursche, liebe Amtsbrüder Samiec und Dröge, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,

uns führt heute das Gedenken an Juliusz Bursche zusammen, der Pfarrer, Generalsuperintendent und schließlich Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen war. Zum ersten Mal gedenken wir dieses wichtigen Christuszeugen aus der dunkelsten Epoche der deutsch-polnischen Geschichte und kennen dabei den Ort, an dem seine Asche beigesetzt wurde.

Zu verdanken haben wir dies Ihnen, lieber Herr Leutner und lieber Herr Woźniak. Im Namen der Evangelischen Kirche in Deutschland spreche ich Ihnen hierfür tiefen Dank aus. Die nationalsozialistische Schreckensherrschaft wollte mit dem Verheimlichen der Grabstätte die Erinnerung an Juliusz Bursche auslöschen. Das ist ihr nicht gelungen.

Als Polen und Deutsche gedenken wir seiner gemeinsam. Uns verbinden die Trauer und der Schmerz über den gewaltsamen Tod von Bischof Juliusz Bursche. Dieses gemeinsame Gedenken ist nicht selbstverständlich. Das ist uns Deutschen sehr bewusst. Deutsche kirchliche Stellen waren verwickelt in die Verfolgung Bursches und anderer polnischer evangelischer Christen. So griff das 1934 gegründete Kirchliche Außenamt der Deutschen Evangelischen Kirche in die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen ein um dem zur Dominanz zu verhelfen, was es „Deutschtum“ nannte.

Es verunglimpfte Bursche gegenüber Theologen in anderen Ländern. Und als er in deutscher Haft war, versuchte das Außenamt, dies zu vertuschen. Ein Bittbrief der Ehefrau Bischof Bursches blieb ohne Antwort. In einer polnisch-deutschen Gedenkveranstaltung anlässlich des 50. Todestages 1992 hat die Evangelische Kirche in Deutschland ihr Entsetzen und ihre Scham darüber geäußert und um Vergebung gebeten. Diese Bitte erneuere ich heute ausdrücklich.

Als Evangelische Christinnen und Christen in Deutschland sind wir dankbar für die Gemeinschaft, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Polnischen Ökumenischen Rat entwickelt hat. Sie speist sich aus stetig wachsendem Vertrauen. Dieses setzt den ehrlichen Blick auf die Vergangenheit voraus und lebt von der Begegnung:

Eine von der Evangelischen Kirchen in Deutschland und dem Polnischen Ökumenischen Rat eingesetzte Historikerkommission hat die deutsch-polnische Konfliktgeschichte erforscht. Ein Deutsch-Polnischer Kontaktausschuss trifft sich seit 1974 regelmäßig. Erst vor vier Wochen haben wir, lieber Bruder Samiec, in Bielefeld zusammengesessen und darüber beraten, wie wir gemeinsam den heutigen Todestag Juliusz Bursches würdig und im Zeichen der Verbundenheit unserer Kirchen begehen können. Ein dichtes Netz kirchlicher  Partnerschaften und Beziehungen zwischen unseren Ländern ist entstanden. Das Miteinander unserer Kirchen ist ein Zeichen der Versöhnung zwischen unseren Völkern; ein Zeichen, das in unsere Gesellschaften ausstrahlt.

Die Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen, die wir auch an diesem Tag erfahren, hat ihren tragenden Grund aber letztlich nicht in unseren Aktivitäten. Sie wurzelt in Gott, und wir erfahren sie als sein Geschenk und als seine Kraft, die uns versöhnt und verbindet. Den Dreieinigen Gott, wie er sich in Jesus Christus offenbart, aus dem Zentrum des Glaubens genommen zu haben, war die Grundsünde der evangelischen Deutschen, die meinten, für ein bestimmtes „Volkstum“ kämpfen zu müssen und die damit den christlichen Glauben aushöhlten.

Juliusz Bursche hatte das klar erkannt. Nach Besuchen in Deutschland schrieb er im Juli 1934: „Die Kirchen verwandelten sich in Versammlungssäle, die Pfarrer in für Hitler agitierende Personen, der Nationalsozialismus war die Wahrheit und Hitler – der Heiland.“(1)

Demgegenüber formulierte die Bekennende Kirche in der zweiten These der Barmer Theologischen Erklärung vom Mai 1934 in deutlicher Sprache, welcher Wahrheit und welchem Heiland der Glaube verpflichtet ist. Dort heißt es: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften.“

Gewiss, der Dreieinige Gott offenbart sich uns Menschen immer in einer bestimmten Kultur und einer bestimmten Umgebung. Und deshalb ist die evangelische Kirche stets dafür eingetreten, dass Menschen in ihrer Muttersprache beten und Gottesdienst feiern können.

Aber dadurch werden diese Kultur oder diese Umgebung nicht zu Gott, dadurch werden ihre Exponenten nicht zu Heilsbringern. Die vielen Kulturen und Sprachen, durch die hindurch Gott uns Menschen in Christus begegnet, stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Die deutsche wie die polnische, die französische und angelsächsische, die arabischen Kulturen wie die asiatischen. Keine ist Gott näher als eine andere, und jede muss sich durchlässig machen für die Menschlichkeit Gottes in Jesus von Nazareth. So werden unsere Sprachen und Kulturen zu Transparenten, durch die Gott sein Licht strahlen lässt – und durch die wir kraft seines Lichtes verbunden sind.

Ein schwedisches Lied bringt dies treffend zum Ausdruck:
„Strahlen brechen viele / aus einem Licht. / Unser Licht heißt Christus. / Strahlen brechen viele / aus einem Licht. / Und wir sind eins durch ihn.“
Der christliche Glaube grenzt nicht aus, sondern verbindet. Er schottet nicht ab, sondern öffnet. Auch heute gibt es keine Bereiche, in denen nicht Jesus Christus der Herr unseres Lebens wäre. Auch heute sind wir aufgerufen, gegen Ausgrenzung, Unrecht und Gewalt und für Versöhnung einzutreten.

Möge uns auch das Gedenken an Juliusz Bursche daran erinnern und dazu ermutigen


1 Ziwastun Ewangelicki Nr. 29, 22.7.1934 (deutsche Übersetzung), zitiert nach Röhr, Rita, Julius Bursch – aufrecht zwischen allen Stühlen, 2016.