Antisemitismus
Vorurteile, Ausgrenzungen, Projektionen und was wir dagegen tun können
Kirche und Judentum
Zwischen schuldhafter Verstrickung und neuen Aufbrüchen
Judenfeindschaft hat durch alle Jahrhunderte Lehre und Praxis der Kirchen begleitet. Die christliche Kirche sah sich lange als Alleinerbin der Verheißungen an, die Gott einst Israel geschenkt hatte. Ihre eigene Identität vermochte sie nur in feindlicher Abgrenzung vom Judentum, das an Gottes Bund mit Israel festhielt, zu beschreiben.
Ein typischer Ausdruck christlicher Überheblichkeit ist die bildliche Darstellung von »Kirche« und »Synagoge«, die im Mittelalter weit verbreitet war. Die »Kirche« posiert als Siegerin mit gekröntem Haupt, in den Händen trägt sie Kreuz und Abendmahlskelch. Die »Synagoge« steht da in gedemütigter Haltung mit gebrochener Lanze und verbundenen Augen. Blind und verstockt wird hier das Judentum dargestellt, triumphierend die christliche Religion.
Solche Darstellungen haben die Einstellung von Christinnen und Christen über Jahrhunderte geprägt. Sie bereiteten den Boden, auf dem Vorurteile und hasserfüllte Vorwürfe gegen »die Juden« gedeihen konnten. So wurde u. a. behauptet, die Juden seien Brunnenvergifter und Gottesmörder, würden Christenkinder schlachten und Hostien schänden. Ausgrenzung und Entrechtung von Jüdinnen und Juden, Vertreibung aus den christlichen Städten und tödliche Pogrome waren die Folge.
Auch die nationalsozialistische Propaganda knüpfte an die verbreiteten antijüdischen Einstellungen an und nutzte sie für ihre mörderischen Zwecke.
Die Erschütterung über den millionenfachen Mord an den Juden und Jüdinnen Europas in der Zeit des Nationalsozialismus und die Scham über das Versagen der christlichen Kirchen in Deutschland gaben Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts den Anstoß zu einem Prozess der Umkehr und theologischen Neuorientierung im Verhältnis der Kirchen zum Judentum.