Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn aus dem Jahr 1965

III. Zur gegenwärtigen Lage in den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie

Zu den strittigen Punkten in der Auseinandersetzung über die künftigen deutschen Ostgrenzen und das Verhältnis zu den östlichen Nachbarn gehört die Frage, von welchem sittlichen, rechtlichen und politischen Gewicht die tatsächlichen heutigen Gegebenheiten in den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und anderen alten deutschen Siedlungsgebieten sind. Ohne Zweifel sind hier Interessen entstanden, an denen keine Überlegung vorbeigehen kann. So erklärte bereits vor einigen Jahren der damalige Staatssekretär im Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen Franz Thedieck: „Nur mit konstruktiven Gedanken, die auch den Lebensrechten und -ansprüchen unserer Nachbarn Rechnung tragen, werden wir uns die Unterstützung und das Wohlwollen der Partner und Signatarmächte eines künftigen Friedensvertrages sichern können“ (Bulletin Nr.217 vom 24. November 1959).

Es kann nicht Aufgabe dieser Denkschrift sein, die gegenwärtige Lage in diesen Gebieten und ihre Vorgeschichte im einzelnen zu schildern. Insonderheit würde es den Rahmen der Denkschrift sprengen, sollte hier die vielschichtige Frage untersucht werden, von welcher rechtsbildenden Kraft vollendete Tatsachen auch dann sind, wenn sie durch Rechtsverstöße entstanden sind. Doch soll wenigstens durch Zusammenstellung einiger Fakten ein Hinweis darauf gegeben werden, welche politische und wirtschaftliche Bedeutung die Gebiete inzwischen für Polen erlangt haben.

1. Der Publizist und Historiker Walter Görlitz erinnert in einem Vortrag über „Die politische Lage des heutigen Polen“ an die geradezu verzweifelte Ausgangsposition, in der sich Polen nach dem Kriege befunden habe:

“Nun sollten wir nicht immer nur auf das sehen, was sich damals in den deutschen Ostgebieten vollzog, die nationalistische Orgie der Massenaustreibung der Deutschen, auf alle diese Handlungen des Hasses und der Unvernunft von polnischer Seite. Wir müssen, wenn wir die polnische Politik von heute verstehen wollen, uns ganz nüchtern klarmachen, daß die polnische provisorische Regierung ... Herr geworden war über ein weithin verwüstetes, ausgeplündertes, zerrüttetes Polen wie über ein ausgeplündertes, zerrüttetes Ostdeutschland. Es ist für diese Regierung ... zweifellos eine fürchterliche Situation gewesen. Man kann damit rechnen, daß (einschließlich der ermordeten polnischen Juden) Polen einen Bevölkerungsverlust von 611- Millionen Menschen durch Kampfhandlungen, Mord, Hunger, Elend, Verschleppung usw. im zweiten Weltkrieg erlitten hat. Alle alten Formen sozialer Ordnung waren umgestürzt, was regierte, waren Not und Elend, war eine vernichtete Wirtschaftskraft. Dazu kamen die Aufgaben der Aussiedlung, die ja - wäre sie ordnungsgemäß aufgrund von Entschädigungsmaßnahmen durchgeführt worden - schon rein verwaltungsmäßig ein Riesenproblem gewesen wäre. Dazu kam die Aufgabe der Umsiedlung, d. h. der Umsetzung von Polen und Ukrainern aus den abgetretenen Ostgebieten in die Westgebiete. Es fehlte an geschulten Beamten. Die ganze polnische Intelligenzschicht war entweder vernichtet oder saß im Ausland, oder sie kam mühsam aus dem Untergrund, aus ungeordneten Verhältnissen wieder hervor.“ („Das Reich und der Osten“, Die Barsinghausener Gespräche (1-4), 1963 S. 162).

In dieser Kriegs- und Nachkriegszeit, deren Probleme Polen bis heute gar nicht habe überwinden können, so urteilt Görlitz, liege noch heute der Grundbestand aller polnischen Probleme beschlossen. Dies ist auch der Hintergrund für die große Empfindlichkeit, mit der das polnische Volk seinerseits auf eine Infragestellung seines territorialen Besitzstandes von deutscher Seite reagiert. Die polnische Regierung bringt in immer neuen Erklärungen zum Ausdruck, daß der Besitz der neuen Westgebiete für das polnische Volk lebensnotwendig sei. Man muß auch zur Kenntnis nehmen, daß es in dieser Frage zwischen Kommunisten und Nichtkommunisten, zwischen Staat und Katholischer Kirche keine Differenz gibt. So erklärte Kardinal Stefan Wyszynski anläßlich des 20. Jahrestages der „Heimkehr“ der ostpreußischen Diözese Ermland in Allenstein, alle Polen betrachteten, ungeachtet ihrer politischen und weltanschaulichen Einstellung, die polnischen “Westgebiete“ unwiderruflich als Teil des polnischen Mutterlandes. Wörtlich heißt es dann:

“’Wir können mit Autorität feststellen, daß es in unseren Augen und in den Augen der Kirche und des Heiligen Stuhls keine kanonischen Differenzen zwischen diesen (Diözesen in den polnischen ’Westgebieten’) und den Diözesen in Mittelpolen gibt. Die Vollmachten der Bischöfe sind die gleichen. Es sind nur noch geringe formale Schwierigkeiten zu beheben, und wir vertrauen darauf, daß dies durch ruhige Geduld und etwas Takt erreicht werden kann‚Wyszynski wies darauf hin, daß die Diözesen in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten jenen entsprächen, die im Jahr 1000 auf dem Kongreß von Gnesen auf Anweisung Papst Paul Sylvesters geschaffen worden seien.’“ („Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 28. Juni 1965.)

In derselben Weise sprach sich der Erzbischof von Breslau, Boleslav Kominek, aus:

“’Das Heimatrecht ist weniger wichtig als das Grundrecht von Einzelmenschen und ganzen Völkern auf Existenz’, erklärte der polnische Bischof Kominek von Breslau in der jüngsten Ausgabe der katholischen Zeitschrift ‚Tygodnik Powszechny’. ‚Es ist eine allgemein bekannte und bezeichnende Sache, daß die Westgebiete für die deutschen Aussiedler oder Flüchtlinge längst aufgehört haben, eine Lebensfrage zu sein. Für Polen jedoch werden die Westgebiete niemals aufhören, eine Existenzfrage für neun Millionen Menschen zu sein’, schreibt Kominek. Bei dieser Feststellung handele es sich keineswegs um eine polnische Analogie zum deutschen ‚Drang nach Osten’. ‚Es handelt sich einfach um die Lebensbedingungen für Menschen, für die anderswo ein entsprechender Lebensraum nicht gegeben ist. Die Opfer, die die Deutschen durch den Verlust der Westgebiete zu tragen haben, müssen in die Reihe jener Entschädigungen einbezogen werden, die ein Staat zu zahlen hat, dessen Verschulden einer der scheußlichsten Kriege ist, die die Ausrottung des polnischen Volkes zum Ziel hatte’. Kominek erklärt, er habe aus der Bundesrepublik, vor allem von jungen Menschen, viele Briefe erhalten, die ‚einen stillen Verzicht auf den deutschen Besitz der Westgebiete enthalten ... Einen ähnlichen psychischen Prozeß erleben wir auch in Polen hinsichtlich unserer ehemaligen Ostgebiete’ ...“ („Tagesspiegel“ vom 3. Juni 1965)

2. Zur Vorgeschichte der „Westverschiebung“ Polens gehört der Deutsch-Sowjetische Pakt vom 23. August 1939, der im September 1939 zu einer vierten Teilung Polens führte und die Grenze Rußlands gegenüber Polen bis an den Bug verlegte. Es hat in den vorbereitenden Verhandlungen der Alliierten seit der Konferenz von Teheran im November 1943 keinen Zweifel daran gegeben, daß die Sowjetunion diese Gebiete bei einer endgültigen Friedensregelung beanspruchen würde. Am 22. Februar 1944 teilte Premierminister Winston Churchill dem britischen Unterhaus mit, er habe sich im November 1943 in Teheran mit Stalin geeinigt, „daß Polen auf Kosten Deutschlands im Norden und Westen entschädigt werden müsse“. Die bedingungslose Kapitulation, die man von Deutschland verlange, bedeute, daß „die Atlantik-Charta als ein Rechtsgrund, der die Abtretung von Gebieten an feindliche Staaten oder Grenzberichtigungen verhindert, nicht in Frage kommt“.

Auf der Konferenz von Jalta vom 4. bis 12. Februar 1945 fiel die endgültige Entscheidung, die dann, für die deutschen Gebiete, in das Potsdamer Protokoll vom 2. August 1945 aufgenommen wurde, Polens künftige Ostgrenze sollte, mit Abweichungen in einigen Gebieten von fünf bis acht Kilometern zugunsten Polens, der gleichen Linie folgen, die auch im Deutsch-Sowjetischen Pakt von 1939 aufgrund früherer Grenzziehungsversuche nach dem ersten Weltkrieg vorgesehen worden war (sog. Curzon-Linie). Über Polens Westgrenze heißt es im Potsdamer Protokoll:

“Die Häupter der drei Regierungen bekräftigen ihre Auffassung, daß die endgültige Festlegung (final delimitation) der Westgrenze Polens bis zur Friedensregelung zurückgestellt werden soll. Die Häupter der drei Regierungen stimmen darin überein, daß bis zur endgültigen Festlegung (pending the final determination) der Westgrenze Polens die früher deutschen Gebiete (the former German territories) östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und die westliche Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, einschließlich des Teiles von Ostpreußen, der nicht unter die Verwaltung der UdSSR in Übereinstimmung mit den auf dieser Konferenz erzielten Vereinbarungen gestellt wird, und einschließlich des Gebietes der früheren Freien Stadt Danzig unter die Verwaltung des polnischen Staates kommen und in dieser Hinsicht nicht als Teil der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland betrachtet werden sollen.“

Die Veränderungen des polnischen Hoheitsgebietes 1939 bis 1945 zeigt folgende Übersicht (diese und die übrigen statistischen Angaben werden dem Buch von Georg Bluhm entnommen: „Die Oder-Neiße-Linie in der deutschen Außenpolitik“, Freiburger Studien zu Politik und Soziologie, 1963):

Staatsgebiet 1921-1937 3 88 634 qkm
Polnische Ostgebiete - 180000 qkm
Verwaltungsgebiete + 103 028 qkm
Heutiges Hoheitsgebiet 311 730 qkm

Danach hat Polen von seinem früheren Staatsgebiet 46,3 % an die Sowjetunion abgetreten („Polnische Ostgebiete“). Die unter polnische Verwaltung gestellten deutschen Ostgebiete („Verwaltungsgebiete“, einschließlich des Gebietes der Freien Stadt Danzig) machen fast genau ein Drittel des heutigen polnischen Hoheitsgebietes aus (polnische Bezeichnung: Wiedergewonnene Länder). Dieses ist etwa um ein Fünftel kleiner als das Staatsgebiet 1921-1937.

Das deutsche Gegenüber zeigt, daß die gesamte Fläche der unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete 114032 qkm = 24,23 % der Fläche des Deutschen Reiches in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 (470545 qkm) beträgt. Davon stehen etwa 100832 qkm unter polnischer Verwaltung (= 21,43 % des früheren Reichsgebietes, hier also ohne Danzig gerechnet), etwa 13200 qkm unter sowjetischer Verwaltung.

3. Stärkeres Gewicht als das Territorialproblem hat natürlich die menschliche Seite der Katastrophe dieser Gebiete. Auch hier muß das polnische Gegenbild vor Augen stehen.

In den heute unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten (also einschließlich Königsberg und nördliches Ostpreußen) betrug bei der Volkszählung am 17, Mai 1939 die Wohnbevölkerung 9620827 Personen, das sind 13,9 % der Bevölkerung Deutschlands in den Grenzen von 1937. Davon lebten unter Hinzunahme der Freien Stadt Danzig (= 390 593 Einwohner) im heutigen polnischen Verwaltungsgebiet 8854278 Personen. Von dieser Bevölkerung befanden sich nach Schätzungen bei Kriegsende noch 3,4 Millionen im polnischen Verwaltungsgebiet, nach Rückkehr eines Teiles der Flüchtlinge waren es Ende Juni 1945 etwa 4,5 Millionen. Hiervon wurden polnischerseits etwa eine Million Menschen als “Autochthonen“, d. h. „Bewohner polnischer Volkstumszugehörigkeit in den wiedergewonnenen Gebieten“, proklamiert. Die noch verbliebene deutsche Bevölkerung wurde aufgrund der Vereinbarungen des Potsdamer Protokolls von 1945 im wesentlichen bis Ende 1948 verdrängt, so daß man für Anfang 1949 noch mit 100000 anerkannten Deutschen in diesen Gebieten rechnet. Die Verluste der deutschen Bevölkerung im deutschen Osten (mit Danzig, ohne Tote der Wehrmacht) in den Jahren der Flucht und Vertreibung werden auf 1,47Millionen berechnet (= 16,6% der Bevölkerungszahl dieser Gebiete Ende 1944). Hinzu kommen die Verluste des Deutschtums im Vorkriegspolen in Höhe von 200000.

Die heutige Bevölkerung in den polnischen Verwaltungsgebieten setzt sich aus drei Gruppen verschiedener Herkunft zusammen.

a) Die erste Gruppe sind die schon genannten „Autochthonen“, eine vor Beginn des Zweiten Weltkrieges dort ansässige Bevölkerungsgruppe ehemals deutscher Staatsangehörigkeit polnischen Ursprungs, die repolonisiert werden soll (vorwiegend Masuren und Bewohner Oberschlesiens). Diese Gruppe wirft komplizierte sachliche und statistische Probleme auf, denen hier nicht nachgegangen werden kann. Die polnische Volkszählung am 3. Dezember 1950 ergab für sie die Zahl von r 104134 Personen (darin sind 60000 anerkannte Deutsche enthalten). Eine deutsche Schätzung rechnet unter ihnen für 1953 mit etwa 800000 Deutschen und Deutschgesinnten. Seit 1950 hat sich außer der Zahl der anerkannten Deutschen auch die der Autochthonen durch die Familienzusammenführung mit der Bundesrepublik Deutschland und der DDR erheblich verringert. Das Deutsche Rote Kreuz der Bundesrepublik rechnet für das gesamte heutige Hoheitsgebiet Polen noch mit 790000 Deutschen (1964), davon in Oberschlesien und Ost-Oberschlesien zusammen 640000.

b) Die zweite Gruppe der heutigen Bewohner der Verwaltungsgebiete sind die polnischen Vertriebenen und Umsiedler aus dem an die Sowjetunion abgetretenen Ostpolen. Dieses hatte am i. Januar 1939 etwa 1640000 Einwohner, von denen 2980000 als Personen polnischer Nationalität gerechnet werden. Bei der Volkszählung 1950 stammten 2136700 Einwohner des polnischen Hoheitsgebietes aus Ostpolen (= Repatrianten).

c) Die dritte Gruppe sind die Ansiedler aus dem polnischen Kernland. Ihre Zahl betrug Ende 1948 bereits 2,4 Millionen, von denen freilich nur die Hälfte durch die Behörden angesiedelt wurden, während der andere Teil „wilde Siedler“ oder selbständig Zugewanderte waren.

Bis 1950 fand zwischen den Verwaltungsgebieten und dem polnischen Kerngebiet aus verschiedenen Gründen eine stärkere Bevölkerungsfluktuation und Wanderungsbewegung statt. Diese ist zum Stillstand gekommen. In dem genannten Buch von Georg Bluhm (:“Die Oder-Neiße-Linie in der deutschen Außenpolitik“) heißt es:

“Im ganzen verläuft die Bevölkerungsentwicklung finden Verwaltungsgebieten seit 1950 entsprechend der Entwicklung im gesamten polnischen Staatsgebiet, insofern nehmen die Verwaltungsgebiete keine Sonderstellung mehr ein“ (a. a. O. S. 27).

Freilich weisen die Statistiken für die Verwaltungsgebiete einen erheblich höheren natürlichen Bevölkerungszuwachs als für das polnische Kerngebiet aus. Diese Erscheinung ist um so bemerkenswerter, als Polen überhaupt nach Albanien den höchsten Geburtenüberschuß in Europa hat; sie liegt vor allem in der außerordentlich günstigen Altersstruktur der Verwaltungsgebiete begründet.
 
Nach der Volkszählung von 1960 betrug die Bevölkerung im gesamten polnischen Hoheitsgebiet 29731000. Der Anteil der Verwaltungsgebiete betrug 7743000 oder 26,04 %. Wichtig für die Betrachtung dieser Denkschrift ist die Gliederung der Bevölkerung der Verwaltungsgebiete (abgerundete Angaben für Ende 1960):

Bevölkerungsgruppe in Tausend in %
Dort geborene und aufgewachsene Kinder 2810 36,0
Einheimische Bevölkerung 900 11,5
Umsiedler und Vertriebene aus polnischen Ostgebieten ("Repatrianten") 1710 21,9
Remigranten aus übrigem Ausland 180 2,3
Ansiedler aus polnischem Kernland 2200 28,2
  7800  

Danach sind Ende 1960 (einschließlich der Autochthonen) 47,5 % der Bevölkerung in den Verwaltungsgebieten geboren oder aufgewachsen. „Die polnische Politik und Publizistik hat 1960 begonnen, diese demographischen Tatsachen als Argument für das polnische Heimatrecht in den Verwaltungsgebieten zu verwenden“ (Georg Bluhm, a. a. O. S. 31). Der Bevölkerungsanteil der Verwaltungsgebiete an der polnischen Gesamtbevölkerung ist wegen des höheren Geburtenüberschusses im Steigen begriffen. Für 1965 wird die Einwohnerzahl auf 8,5 Millionen geschätzt, darunter 3,2 Millionen dort bereits geborene Kinder und Jugendliche. Man erwartet, daß die Einwohnerzahl in wenigen Jahren 9 Millionen erreichen und damit den früheren Bestand überschreiten wird.

4. Über die wirtschaftliche Bedeutung der Verwaltungsgebiete für das heutige Polen liegen in den einschlägigen Veröffentlichungen detaillierte Angaben vor. Hier mag die Wiedergabe der folgenden Tabelle aus dem Buch von Georg Bluhm (S. 51) genügen, die den Anteil der Verwaltungsgebiete an dem heutigen Hoheitsgebiet Polens zeigt und das polnische Interesse an dem fortdauernden Besitz dieser Gebiete erläutert. Auf jeden Fall ist dieses Lebensinteresse des polnischen Volkes bei allen rechtlichen, sittlichen und politischen Überlegungen mit zu bedenken.

Territorium 33,08 %  
Bevölkerung 26,04 % (1960)
Beschäftigte in der Volkswirtschaft etwa 29,1 % (1960)
Wert der gesamten Industrieproduktion etwa 27,9 % (1958)
Landwirtschaftliche Nutzfläche 33,9 % (+)
Waldfläche 39,6 % (+)
Ernten:
Getreide 29,6 % (1958)
darunter Weizen 38,8 % (1958)
Zuckerrüben 36,2 % (1958)
Kartoffeln 22,9 % (1958)

(+) = Anteil der „westlichen Wojewodschaften“, die sich nicht voll mit den Verwaltungsgebieten decken.

5. Auch auf die andere rechtliche Beurteilung, die die Grenzfrage zwischen Deutschland und Polen durch den polnischen Staat erfährt, sei noch verwiesen. Grundlegend hierfür ist das am 6. Juli 1950 zwischen der DDR und Polen geschlossene Grenzabkommen. Diesem ging die „Warschauer Deklaration vom 6. Juni 1950 voran:

“Die Delegation der Provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierung der Republik Polen haben, von dem Wunsche erfüllt, den Frieden zu festigen und das unter der Führung der Sowjetunion stehende Friedenslager im Kampfe gegen die Umtriebe der imperialistischen Kräfte zu stärken sowie in Anbetracht der Errungenschaften der Deutschen Demokratischen Republik bei der Festigung der neuen demokratischen Ordnung und der Entwicklung der Kräfte, die sich um die Nationale Front des demokratischen Deutschland scharen, vereinbart, daß es im Interesse der Weiterentwicklung und Vertiefung der gutnachbarlichen Beziehungen, des Friedens und der Freundschaft zwischen dem deutschen und polnischen Volke liegt, die festgelegte, zwischen den beiden Staaten bestehende unantastbare Friedens- und Freundschaftsgrenze an der Oder und Lausitzer Neiße zu markieren ...“

In dem dann folgenden Grenzabkommen, das Einzelheiten zur „Markierung der Staatsgrenze im Terrain“ festlegte, heißt der entscheidende Artikel 1:

“Die Hohen Vertragsschließenden Parteien stellen übereinstimmend fest, daß die festgelegte und bestehende Grenze, die von der Ostsee entlang die Linie westlich von der Ortschaft Swinoujscie und von dort entlang den Fluß Oder bis Einmündung der Lausitzer Neiße und die Lausitzer Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen bildet.“

Auch die Sowjetunion hat verschiedentlich Erklärungen zur Anerkennung der polnischen Westgrenze an der Oder-Neiße-Linie abgegeben. Zuletzt und in feierlicher Form geschah dies in dem polnischsowjetischen Freundschafts- und Beistandsvertrag vom B. April 1965. Artikel 5 dieses Vertrages enthält eine ausdrückliche sowjetische Sicherheitsgarantie für die polnische Westgrenze an der Oder und der Lausitzer Neiße, die bei dieser Gelegenheit von dem sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew als endgültig und unwiderruflich bezeichnet wurde.

“Die Delegation der Provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierung der Republik Polen haben, von dem Wunsche erfüllt, den Frieden zu festigen und das unter der Führung der Sowjetunion stehende Friedenslager im Kampfe gegen die Umtriebe der imperialistischen Kräfte zu stärken sowie in Anbetracht der Errungenschaften der Deutschen Demokratischen Republik bei der Festigung der neuen demokratischen Ordnung und der Entwicklung der Kräfte, die sich um die Nationale Front des demokratischen Deutschland scharen, vereinbart, daß es im Interesse der Weiterentwicklung und Vertiefung der gutnachbarlichen Beziehungen, des Friedens und der Freundschaft zwischen dem deutschen und polnischen Volke liegt, die festgelegte, zwischen den beiden Staaten bestehende unantastbare Friedens- und Freundschaftsgrenze an der Oder und Lausitzer Neiße zu markieren ...“

In dem dann folgenden Grenzabkommen, das Einzelheiten zur „Markierung der Staatsgrenze im Terrain „festlegte, heißt der entscheidende Artikel 1:

“Die Hohen Vertragsschließenden Parteien stellen übereinstimmend fest, daß die festgelegte und bestehende Grenze, die von der Ostsee entlang die Linie westlich von der Ortschaft Swinoujscie und von dort entlang den Fluß Oder bis Einmündung der Lausitzer Neiße und die Lausitzer Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen bildet.“

Auch die Sowjetunion hat verschiedentlich Erklärungen zur Anerkennung der polnischen Westgrenze an der Oder-Neiße-Linie abgegeben. Zuletzt und in feierlicher Form geschah dies in dem polnischsowjetischen Freundschafts- und Beistandsvertrag vom B. April 1965. Artikel 5 dieses Vertrages enthält eine ausdrückliche sowjetische Sicherheitsgarantie für die polnische Westgrenze an der Oder und der Lausitzer Neiße, die bei dieser Gelegenheit von dem sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew als endgültig und unwiderruflich bezeichnet wurde.

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