Organspende: Kirchen schreiben Brief an Abgeordnete

Kirchen haben „erhebliche rechtliche, ethische und seelsorgerliche Bedenken“ zum Entwurf von Gesundheitsminister Spahn

Blick aus der gläsernen Kuppel des Reichstagsgebäudes, in der Besucher herumlaufen, auf ein Türmchen des Gebäudes, auf dem ein Kreuz steht.

Mit einem Brief an alle Abgeordneten des Bundestages stellen sich die Kirchen gegen die Pläne von Gesundheitsminister Spahn zur Organspende. Mitte Januar 2020 soll über eine Neuregelung entschieden werden.

Berlin (epd). In einem Brief an alle Abgeordneten des Bundestags haben die beiden großen Kirchen vor den Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und anderen Parlamentariern zur Neuregelung der Organspende gewarnt. Bei der von der Gruppe vorgeschlagenen Widerspruchsregelung hätten sie „erhebliche rechtliche, ethische und seelsorgerliche“ Bedenken, heißt es in dem Schreiben, das in dieser Woche an die Abgeordneten ging und dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Der Staat „würde damit tief in den Kernbereich der menschlichen Existenz eingreifen“.

Unterzeichnet ist das Schreiben vom Bevollmächtigten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin, Martin Dutzmann, und dem Leiter des Katholischen Büros in der Hauptstadt, Karl Jüsten. „Mit dem Brief wollten wir vor den Weihnachtstagen einen Impuls geben zur individuell wie gesellschaftlich sehr folgenreichen Entscheidung des Bundestages Anfang des kommenden Jahres zur Organspende“, sagte Dutzmann dem epd.

Abstimmung voraussichtlich Mitte Januar

Der Bundestag wird voraussichtlich in seiner ersten Sitzungswoche im neuen Jahr Mitte Januar über eine Neuregelung der Organspende abstimmen. Dazu konkurrieren im Wesentlichen zwei Gesetzentwürfe. Beide haben das Ziel, die Zahl der Organspenden zu erhöhen, unterscheiden sich aber im Herangehen. Eine Abgeordnetengruppe um Bundesgesundheitsminister Spahn und den SPD-Politiker Karl Lauterbach will die sogenannte Widerspruchsregelung einführen, wonach jeder Organspender wäre, der dem nicht widersprochen hat. 

Eine andere Gruppe um die Grünen-Chefin Annalena Baerbock und die Linken-Vorsitzende Katja Kipping will an der jetzigen Regelung festhalten, wonach die Zustimmung Voraussetzung für eine Organspende ist. Der Willen soll aber regelmäßig bei Behörden oder beim Arzt aktiv erfragt werden. 

Die Kirchen sprechen sich für diese Regelung aus. Sie sei geeignet, „die erfreulich große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung in eine individuelle Organspendebereitschaft zu überführen“, heißt es in dem Brief.

Ethische Bedenken sind groß

Zu den ethischen Bedenken gegen die Pläne von Spahn und Lauterbach erklärte Dutzmann: „Wir sind der Meinung, dass der Staat hier einen zu tiefen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vornimmt, auch wenn ein Widerspruch möglich ist.“ Bei jeder Weitergabe persönlicher Daten gelte, dass man dieser explizit zustimmen müsse. „Das darf bei meinem Herzen oder meiner Niere doch nicht andersherum sein“, sagte der Prälat.

Zudem sei bislang nicht erwiesen, dass die Widerspruchsregelung die Zahl der Organtransplantationen tatsächlich erhöhen werde. „In Ländern mit Widerspruchslösung, die höhere Organspenderzahlen verzeichnen, spielen auch andere Faktoren eine wesentliche Rolle: In Spanien etwa gilt als Kriterium für die Möglichkeit der Organentnahme der Herztod, nicht der Hirntod wie bei uns“, sagte Dutzmann.

Dem Schreiben der beiden Kirchen beigefügt ist deren achtseitige Stellungnahme, die sie anlässlich der Ausschussanhörung im Bundestag im September verfasst hatten. Auch dort hatten die Kirchen gegen die Widerspruchsregelung argumentiert. Mit ihrem Brief an alle 709 Bundestagsabgeordneten bekräftigen sie nun nochmals ihre Position.