Pastor aus der Ukraine: "Wir müssen weiterleben"

Bei der Jahrestagung der Protestanten in Ulm berichtet ein Pastor aus der Ukraine über den Kriegsalltag. Das kirchliche Leben konzentriere sich auf Hilfe für die Bewohner des Landes.

Pfarrer Alexander (Oleksandr) Gross aus Odessa, Ukraine

Der Präsident der Synode der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU), Oleksandr Gross

Ulm (epd). Der Präsident der Synode der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU), Oleksandr Gross, respektiert pazifistische Haltungen von deutschen Protestanten mit Bezug auf den Ukraine-Krieg. „Alle Meinungen sind wichtig, auch Meinungen von Menschen, die gegen Waffen sind“, sagte Gross am Montag vor Journalisten in Ulm während der Jahrestagung protestantischer Kirchenparlamente.

Er machte aber klar, wenn das Land sich nicht mehr selbst verteidige, werde es die Ukraine nicht mehr geben. Wenn Russland den Angriff stoppe, sei der Krieg hingegen vorbei. Der Pastor aus Odessa gab Einblicke in den Kriegsalltag. Die Region Odessa sei etwa am Freitag von einem schweren fünfstündigen Luftangriff getroffen worden, sagte er. Aber mittlerweile flüchteten die Menschen nicht mehr alle in Schutzräume, wenn Luftalarm ausgelöst werde. „Wir müssen weiterleben“, sagte Gross.

Zuvor hatte er vor der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) erläutert, wie die lutherische Kirche in der Ukraine vor Ort hilft. „Wir sind eine Kirche, die mit dem Gesicht zu den Menschen steht“, sagte er. Das kirchliche Leben konzentriere sich auf soziale Hilfe und Unterstützung für die Bewohner des Landes. Man unterstütze hauptsächlich Rentner in den Dörfern der Region, die oft nur etwa 70 Euro im Monat zur Verfügung hätten: „Wir kommen mit Hilfe zu den Menschen nach Hause, mit Worten, Essen, Medikamenten, Sachen.“ 95 Prozent dieser Menschen gehörten nicht der DELKU an. „Wir sind für jeden offen und helfen jedem. Und das macht sich in der Gesellschaft bemerkbar“, betonte der Pfarrer.

Die russische Invasion in der Ukraine im Februar 2022 habe der Kirche mindestens 60 Prozent aller Gemeindemitglieder geraubt, sagte er: „Einige unserer Gemeinden sind praktisch zu kleinen Gruppen geworden, andere existieren gar nicht mehr.“ Derzeit umfasst die Minderheitskirche 24 Gemeinden mit rund 1.000 Gläubigen.

Auch die ökumenische Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche stand auf der Tagesordnung der Beratungen. Die Zusammenarbeit von evangelischer und katholischer Kirche ist nach Ansicht des VELKD-Catholica-Beauftragten Karl-Hinrich Manzke wichtiger denn je. Gerade als Partner für die Kooperation mit dem Staat etwa bei der Seelsorge für die Bundespolizei sei diese unerlässlich, sagte der schaumburg-lippische Landesbischof. In beiden Kirchen seien die Kräfte, die das Gemeinsame zusammenhalten wollten, größer, betonte er.

Im Anschluss an die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) trifft sich nach Manzkes Angaben der Kontaktgesprächskreis von EKD und katholischer Deutscher Bischofskonferenz. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, der auch Vorsitzender der Union Evangelischer Kirchen (UEK) ist, sagte, er erwarte keine kontroversen Debatten bei den Gesprächen. Man wolle etwa darüber sprechen, ob das gemeinsame Engagement für Fragen des Lebensschutzes nach dem Ausstieg der EKD aus der „Woche für das Leben“ weitergehen könne.

Die EKD war im Sommer einseitig aus der Initiative ausgestiegen, die Anfang der 1990er von katholischen Laien ins Leben gerufen worden war. 2024 soll die „Woche für das Leben“ letztmalig mit Beteiligung der EKD stattfinden.

Die Tagung der VELKD-Generalsynode endete am Montag in Ulm. Sie findet in Verbindung mit der Synode der EKD und der Versammlung der UEK statt. Die Synode der EKD tagt noch bis Mittwoch in der Stadt an der Donau.