Statement zum GKKE-Rüstungsexportbericht 2019
Prälat Dr. Martin Dutzmann, Evangelischer Vorsitzender der GKKE
Gehalten am 17. Dezember 2019 auf der Bundepressekonferenz in Berlin zur Vorstellung des Rüstungsexportberichts
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor Ihnen liegt der nunmehr 23. Rüstungsexportbericht, der jährlich von der Fach-gruppe Rüstungsexporte der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) erstellt wird. Vorsitzende der Fachgruppe ist Dr. Simone Wisotzki von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main.
„Wir schärfen noch im Jahr 2018 die Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 und reagieren damit auf die veränderten Gegebenheiten“, so heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom März 2018. Mit Verspätung hat die Bundesregierung dann im Juli 2019 die angekündigte „Schärfung“ der Politischen Grundsätze aus dem Jahr 2000 vorgelegt.
Zunächst muss festgehalten werden, dass auch die neuen Politischen Grundsätze nicht rechtsverbindlich sind, sondern eine Absichtserklärung der Bundesregierung darstellen. Im Blick auf das Ziel der Nichtverbreitung von Klein- und Leichtwaffen stellen die neuen Grundsätze aus Sicht der GKKE einen Fortschritt dar und gehen über Bestimmungen aus den Kleinwaffengrundsätzen von 2015 hinaus. Kleinwaffenexporte an Drittländer, die weder der EU noch der NATO angehören, sollen nicht mehr genehmigt werden. Eine entsprechende Regelung für Munition fehlt jedoch.
Die neuen Grundsätze beinhalten ferner die Möglichkeit von Vor-Ort-Kontrollen des Endverbleibs von exportierten Rüstungsgütern, die zuvor nur beim Export von Kleinwaffen möglich war. Die Erteilung einer Exportgenehmigung kann jetzt von einer Zustimmung des Empfängerlandes zu derartigen Kontrollen abhängig gemacht werden.
Die beiden Beispiele zeigen allerdings, dass hier nur mit Einschränkungen von einer „Schärfung“ der Grundsätze gesprochen werden kann. Das Exportverbot von Kleinwaffen in Drittstaaten gilt nur „grundsätzlich“. Die Zustimmung eines Empfängerlandes zu Vor-Ort-Kontrollen für die Erteilung einer Exportgenehmigung ist lediglich eine Kannbestimmung.
Die GKKE hält die Überarbeitung der Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern deshalb für unzureichend und bekräftigt die Forderung nach einem rechtlich verbindlichen Rüstungsexportkontrollgesetz. Sie fordert die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag auf, ein solches Gesetz auszuarbeiten und zu beschließen. In diesem Zusammenhang wären auch der Export von technischer Unterstützung sowie die Investitionen deutscher Rüstungsunternehmen in den Aufbau ausländischer Produktionskapazitäten rechtlich zu regeln.
Dass ein verbindliches Gesetz heute nötiger denn je ist, zeigt die aktuelle Entwicklung in der Türkei und deren völkerrechtswidriger Einmarsch in Nordsyrien, der am 9. Oktober begonnen hatte. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Militäroperation als „humanitäres Drama mit großen geopolitischen Folgen“. „Und deshalb“, so die Bundeskanzlerin, „wird die Bundesregierung unter den jetzigen Bedingungen auch keine Waffen an die Türkei liefern“.
Tatsächlich hat die Bundesregierung in den ersten sechs Wochen nach dem Ein-marsch der Türkei vier Rüstungsexporte im Wert von 3,09 Millionen Euro geneh-migt. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte allerdings bereits wenige Tage nach der Ankündigung des Exportstopps durch die Bundeskanzlerin mitgeteilt, dass sich dieser nur auf Rüstungsgüter beziehe, „die durch die Türkei in Syrien eingesetzt werden könnten“. Bereits erteilte Genehmigungen sind davon ebenfalls nicht betroffen.
Wie dem auch sei, allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres hat der NATO-Partner Türkei Kriegswaffen für 250,4 Millionen Euro aus Deutschland erhalten. Kann die Bundesregierung wirklich sicherstellen, dass diese Waffen nicht in den kurdischen Gebieten oder bei der Militäroperation in Nordsyrien zum Einsatz kommen? Der türkische Einsatz von Leopard 2-Kampfpanzern auf syrischem Territorium zeigt, dass mit deutschen Waffen Krieg geführt wird. Eine restriktive Rüstungsexportpolitik sieht anders aus.