Steinmeier: Spielregeln der digitalen Welt überprüfen
Grundsatzrede des Bundespräsidenten auf Kirchentag in Dortmund
Dortmund (epd). Mit einer Grundsatzrede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Digitalisierung und Bibelarbeiten prominenter Vertreter aus Kirche und Gesellschaft hat am Donnerstag die inhaltliche Arbeit auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund begonnen. Steinmeier rief Politik und Gesellschaft dazu auf, intensiver an Regeln und Standards im digitalen Raum zu arbeiten. "Die digitale Welt von heute dient jedenfalls jetzt noch den Interessen derer, die unsere Geräte voreinstellen, unsere Anwendungen programmieren und unser Verhalten lenken wollen."
Der Bundespräsident forderte, "das Spiel zu unterbrechen und die Spielregeln zu überprüfen". Was einmal gestaltet worden sei, könne neu gestaltet werden, einmal Programmiertes umprogrammiert werden. In seiner Grundsatzrede beklagteSteinmeier Passivität bei der Gestaltung der Digitalisierung. Man dürfe den technologischen Fortschritt niemals als "monströses Naturereignis" ansehen, sondern müsse verstehen wollen, "was unser Menschsein und unseren Zusammenhalt gefährdet".
Die evangelische Theologin Margot Käßmann kritisierte in ihrer Bibelarbeit US-Präsident Donald Trump. Sie geißelte Machtstreben und schlug sich auf die Seite der Schwachen. "Nichts stellt die Macht der Mächtigen so sehr in Frage wie die aufrechte Haltung der Opfer." Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erinnerte an das Foto des jungen Mannes, der sich vor 30 Jahren bei den Protesten auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking den anrollenden Panzern entgegengestellt hat.
Sein Bild werde als Mut, als Freiheitssehnsucht, als Würde des Menschen in die Geschichte eingehen. "Ich denke, das von Donald Trump wird nie mit Würde erinnert werden", sagte Käßmann vor mehreren tausend Kirchentagsbesuchern. In der Geschichte werde ein Donald Trump eines Tages "absolut lächerlich daherkommen" gegenüber diesem namenlosen Mann.
"Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo warnte mit Blick auf den Klimawandel vor einem neuen Generationenkonflikt. In der "Fridays for Future"-Bewegung werde eine neue Sollbruchstelle zwischen Eltern und Kindern deutlich, sagte der 60-jährige Journalist in seiner Bibelarbeit. "Ich sehe diesen Generationenkonflikt mit Sorge." Di Lorenzo fragte, was die Gesellschaft noch zusammenhalte, wenn zusätzlich zu den Vertrauensverlusten in Politik, Medien und Gesellschaft auch noch das Vertrauen zwischen Eltern und Kindern verloren gehe.
Der Kirchentag hatte am Mittwochabend begonnen. Bei schwül-warmen Temperaturen kamen 40.000 Menschen zu den Eröffnungsgottesdiensten. Am traditionellen Straßenfest "Abend der Begegnung" nahmen laut Veranstalter 130.000 Menschen teil. Beschlossen wurde der Eröffnungstag mit einem Segen zur Nacht, zu dem sich vor drei Bühnen insgesamt 23.500 Besucher versammelten.
Der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag mit rund 118.000 Teilnehmern dauert bis Sonntag. Fast 2.400 Veranstaltungen, darunter Bibelarbeiten, Gottesdienste, Konzerte und Workshops sowie zahlreiche prominent besetzte Diskussionsrunden stehen auf dem Programm unter dem biblischen Leitwort "Was für ein Vertrauen". Der Kirchentag ist alle zwei Jahre in einer anderen Stadt zu Gast.