Die fantastischen Welten Gottes

Wie Dominic Riemenschneider Videospiele als Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen nutzt

Computerspiele sind nicht immer bekannt dafür, dass sie die Hochkultur befördern. Doch sie sind voller kunstgeschichtlicher und religiöser Überraschungen, wie der Kunsthistoriker Dominic Riemenschneider zeigt.

Von Sven Kriszio

Ruinen in Videospielen

Live-Action Podcast mit Dominic Riemenschneider

Berlin/Hannover. Wer „Assassin´s Creed“ spielt, gegenwärtig eins der bekanntesten Videospiele, ist vielleicht auch schon einmal auf den mittelalterlich anmutenden Turm geklettert und hat hoch über den Dächern einer alten Stadt Ausschau gehalten. „Dass es ein digitaler Nachbau des Vierungsturms von Notre-Dame de Paris ist, wissen die wenigsten“, sagt Dominic Riemenschneider. Und wer würde das auch erwarten in den virtuellen Welten von Videospielen? „Doch es gibt viele Spiele, die sich von der Architektur, Kunst und Kultur vergangener Jahrhunderte inspirieren lassen“, klärt der studierte Kunstgeschichtler und Theologe auf.

Nachbildungen echter Kirchenarchitektur sorgt für Atmosphäre

Dominic Riemenschneider hat es sich zur Aufgabe gemacht, Interessierte in die Welt der „Fantastic“-Genres einzuführen, die nicht nur Spielen, sondern auch Filmen und Serien ihren besonderen Charakter verleiht. „Es geht dabei vor allem um Atmosphäre“, so der 35-Jährige. „Die Kirchenarchitektur sorgt dafür, dass es sich echt anfühlt.“  Spielemacher würden in ihren fantastischen Welten, die durch übernatürliche Kräfte gekennzeichnet sind, mitunter sehr detailgetreu nachbilden, was sonst nur in Museen und Architekturbüchern zu bewundern ist. Aber für Riemenschneider steckt noch mehr hinter seinem Engagement als seine große Begeisterung für religiöse Kunst und Kultur.

Schöne Gespräche über schwere Fragen

Als Medium für seine Rundgänge durch die fantastischen Welten nutzt Riemenschneider die Live-Streaming-Plattform „Twitch“, eine Art Online-Fernsehen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können ihm quasi über die Schulter schauen, sehen und hören, was er beim Spielen erlebt. Außerdem können sie kommentieren. „Es ist erstaunlich, was für schöne Gespräche sich ergeben“, erzählt der selbstständige Kunsthistoriker und Kulturvermittler, der seit elf Jahren in Berlin lebt.

Vor allem auf diese Gespräche und Begegnungen in den digitalen Plattformen (Twitch, Discord, Instagram) zielt er. „Die popkulturellen Medien verhandeln die großen existenziellen Fragen, die alle Menschen betreffen“, erklärt Riemenschneider. „So werden sie zu Anknüpfungspunkten für Gespräche über Nächstenliebe und Tod, über Erbarmen und Gott.“ Missionieren wolle er allerdings nicht.

Auch Kirchengemeinden bietet Riemenschneider sein profundes Wissen über niedrigschwellige Kulturvermittlung an. So berate er Gemeinden, wie sie zum Beispiel After-Work-Parties für Neuzugezogene organisieren oder ihre Online-Präsenz mit gezielten Angeboten verbessern könnten.

Dienstags und donnerstags sendet Riemenschneider auf Twitch

Jeden Dienstag um 20.15 Uhr sendet Riemenschneider auf „Twitch“ seinen „Live Action Video Podcast“. Er setzt mit sogenannten TouriTouren durch bestimmte Videospiele kunstgeschichtliche Schwerpunkte und stellt zum Beispiel mittelalterliche Kirchenbauten vor. Hier trifft dann das bekannte Format „Stadtführung“ auf die Gamingkultur.

Oder er stellt dar, wie alte Schöpfungsvorstellungen Eingang in Fantasy und Science-Fiction gefunden haben. Dabei zeigt Riemenschneider Verbindungen zur Kunstgeschichte auf, er erklärt religiöse Hintergründe und gibt Impulse zum Gespräch. „Viele trauen sich, in der Anonymität des Internets von sich zu erzählen.“ Manchmal komme man in fünf Minuten zur Erinnerungs- und Friedhofskultur in einem Videospiel und sehr persönliche Erfahrungen mit Trauer und Bestattungen.

Gemeinschaftsgefühl, neue Blickwinkel und kreative Ideen

Als zweites Digital-Format bietet Riemenschneider immer donnerstags um 20.15 Uhr einen Talk über Popkultur im weitesten Sinne. Dazu lade er Künstler oder auch Verleger ein, es gehe um künstliche Intelligenz oder die Gestaltung von Buchcovern. Neben der EKD-Förderung finanzieren sich die Angebote über Spenden und Support-Mitgliedschaften.

„Mir kommt es auf das Gemeinschaftsgefühl und den Austausch von neuen Blickwinkeln und kreativen Ideen an“, sagt Riemenschneider. Sein Angebot nennt er „United Imagination“, am besten übersetzt mit „vereinte Vorstellungskraft“. „Wenn die Leute mit einem breiten Grinsen vorm Rechner sitzen, dann bin ich glücklich.“

Dominic Riemenschneider ist neben Twitch auch auf Instagram, Facebook, Twitter und Discord präsent.

Alle Filme sind auf Youtube archiviert. Und seit Kurzem gibt es die Themen-Streams, Talks und Touren ingeschnittener Fassung als Video Podcast auf Spotify 
 



Die Evangelische Kirche in Deutschland unterstützt innovative digitale Projekte und will damit den Wandel der Kirche hin zu mehr digitalen Angeboten fördern. Dazu gibt es den Digital-Innovationsfonds, der eine Million Euro umfasst. Weitere innovative Projekte, aber auch Informationen zur Antragsstellung finden Sie auf der EKD-Seite zum Fonds